Ein Pilot im Sturzflug

Movie-Kritik: Flight
Bildquelle: 
www.rialto.ch

Sechs Worte, die ich nie in meinem Leben hören will: „Wir sind in einem unkontrollierten Sturzflug.“ Gleich in den ersten 10 Minuten des neuen Films – der erste nicht animierte Film seit 12 Jahren von Regisseur Robert Zemeckis („Forrest Gump“) - überschlagen sich die Ereignisse im wahrsten Sinne des Wortes.

 

Drama in den Wolken

 

Doch erst mal von vorne. Es ist ein normaler Morgen im Leben des Piloten Whip Whitaker (Denzel Washington, „Philadelphia“). Er hat einen Routineflug von Orlando nach Atlanta vor sich. „Normal“ bedeutet aber im Leben von Whip, dass er schon am frühen Morgen zu Bier und Kokain greift und sich anschliessend zugedröhnt ins Cockpit setzt - der Alptraum eines jeden Passagiers. Sein Co-Pilot hingegen scheint kompetent, hält sich an alle Regeln, checkt die Funktionen im Cockpit und, was am Wichtigsten ist – er ist nüchtern. Doch der Horror nimmt kein Ende. Zuerst kommt die Maschine in ein heftiges Unwetter und gleich darauf folgen technische Schwierigkeiten, die Whip dazu zwingen, die eingangs erwähnten gefürchteten sechs Worte auszusprechen. Sollte ich diese Worte jemals doch zu hören bekommen, so wünsche ich mir einen Piloten wie Whip – aber nüchtern. In einer ruhigen Art, und mit einem überraschend kühlen Kopf, behält er die katastrophale Situation unter Kontrolle während sein Co-Pilot, der zu Beginn so vertrauenswürdig schien, vor Angst völlig durchdreht und keine Hilfe mehr ist. Whip gelingt es, das Flugzeug notzulanden und zwar mit einem Manöver, dass sich wohl kaum ein anderer Pilot getraut hätte.

 

Bild 1: Das Flugzeug wird von Turbulenzen kräftig aus der Bahn geworfen, doch Pilot Whip (Bild 2) behält selbst in der Katastrohpe einen kühlen Kopf. (Mit Maus über Bild fahren)

 

Nach dem Absturz ist vor dem Absturz. Denn obwohl Whip das Flugzeug auf den Boden gebracht hat und fast alle Passagiere überlebt haben, ist die Katastrophe für Whip noch nicht ausgestanden. Obwohl er in den Medien als Held gefeiert wird, untersucht das NTSB (National Transportation Safety Board, zu Deutsch: Nationale Behörde für Transportsicherheit) die Absturzursache. War es ein technischer Defekt oder gar die Schuld von Whip? Sollte Whip angeklagt werden, droht ihm eine lebenslängliche Haftstrafe.

 

Der innere Konflikt

 

Ist man sich zu Beginn des Films nicht sicher, ob Whip nur an diesem einen Tag zu viel getrunken hat, so erhält man im Verlaufe der Geschichte Klarheit. Whip ist Alkoholiker, oder wie es sein Freund Charlie Anderson (Bruce Greenwood, „Star Trek (2009)“) ausdrückt: „a heavy drinker“. Whip belügt jeden, der ihm über den Weg läuft, insbesondere aber sich selbst. Seine Sucht kann er sich nicht eingestehen und trotz mehrerer Versuche, ein paar Tage trocken zu bleiben, besiegt ihn am Ende immer wieder das Verlangen.

 

Charlie Anderson organisiert für Whip einen Anwalt (Don Cheadle, „Hotel Ruanda“), der ihm bei der Anhörung vor der Flugbehörde helfen soll. Doch Whip, der mit seiner arroganten Art fast alle Leute von sich stösst, ist sich sicher, dass ihn keine Schuld trifft. Er ist sich ebenso sicher, dass er kein Alkoholproblem hat.

 

Bild 1: Nach der Heldentat steht Whip im Fokus der Medien, aber (Bild 2) auch die Justiz interessiert sich für die Ereignisse. (Mit Maus über Bild fahren)

 

Während der Anhörung wird Whip mit sehr unangenehmen Fragen konfrontiert. Und seine Antworten bestimmen den weiteren Verlauf seines Lebens. Wird Whip verurteilt oder verlässt er die Anhörung als Held, der ein Flugzeug wie kein Anderer fliegen kann?

 

Für Leute wie mich, die an Flugangst leiden, ist der Film eher ungeeignet. Denn die Aufnahmen und Kameraeinstellungen sind so gut gemacht, dass sogar der sonst so ruhige Kinosessel während des Sturzfluges zu vibrieren scheint.

 

„Flight“ ist nicht einfach ein Action- und Katastrophenfilm. Vielmehr geht es auch um den persönlichen Konflikt, den Whip mit sich selbst austrägt. Denzel Washington (Oscarnomination für die Rolle in „Flight“) gelingt es ausserordentlich gut darzustellen, wie Whip mit und gegen sich selbst kämpft. Der Film erhält somit auch einen tiefgründigen und nachdenklichen Aspekt und ist auf jeden Fall sehenswert.

 

 

  • Flight (USA, 2012)
  • Regie: Robert Zemeckis
  • Drehbuch : John Gatins
  • Darsteller: Denzel Washington, Don Cheadle, Kelly Reilly, John Goodman, Bruce Goodman
  • Laufzeit: 138 Minuten
  • Kinostart: 24. Januar 2013

 

Nadine Rohner / So, 20. Jan 2013