Der Meister der Langeweile

Movie-Kritik: Hitchcock
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© 2013 Twentieth Century Fox Film Corporation.

Er gilt als Meister der Spannung: Alfred Hitchcock. Sein Name, eine Legende, seine Filme unsterblich. Nun wagt sich eine Biographie an die verborgene, private Seite des Filmemachers. Der Film beleuchtet die Zeit vor, während und nach den Dreharbeiten zu Hitchcocks grösstem Erfolg «Psycho». Dabei wird die schwierige Beziehung zwischen Hitchcock und seiner Frau Alma Reville, selbst Filmemacherin und Drehbuchautorin, thematisiert. In den Hauptrollen sind Anthony Hopkins («The Silence of the Lambs», «Meet Joe Black») und Helen Mirren («The Queen», «Red») zu sehen. Was als Hinter-der-Filmkulisse-Geschichte anfängt, wird zur melodramatischen Beziehungskiste, die in einer überambitionierten düster-psychologischen Analyse zu enden droht. Gehen wir aber der Reihe nach.

 

 

Bild 1: Hitchcock bei seinem „Hobby“: morbid Poisieren … und (Bild 2) beim familiären Cheers mit Frau Alma. (Mit Maus über Bild fahren)

 

Der Film eröffnet mit der Premiere zu Hitchcocks «North by Northwest». Der geliebte Regisseur lässt sich feiern, während seine Frau Alma mit der Rolle als «Frau an seiner Seite» nicht mehr klarkommt. Als Almas alter Kollege Whitfield (Danny Huston, «21 Grams», «Children of Men») sie mit einem neuem Projekt zurück ins Berufsleben (ohne Hitchcock) locken will, gerät die Beziehung ins Wanken. Und obwohl Hitchcock eifersüchtig ist, klammert er sich an sein neustes Filmprojekt «Psycho» - und Hauptdarstellerin Janet Leigh (Scarlett Johansson, «Lost in Translation», «The Avengers») - ohne die Eheprobleme mit Alma zu diskutieren. So entwickelt sich zwischen den beiden ein Katz-und-Maus-Spiel, indem jeder den anderen eifersüchtiger macht. Anbei entfaltet Hitchcock ausserdem starke psychologische Störungen und findet in Serienmörder Ed Gein (Michael Wincott) einen Freund.

 

Die Hälfte eines Liebespaares

 

Thesen wie diese, wonach Hitchcock stark introvertiert und geistig krank sein musste, um seine Meisterwerke mit Horrorelementen ausschmücken zu können, sind stark umstritten und stehen in direktem Gegensatz zu vielen Fernseh-Interviews, in denen sich Hitchcock als zugänglicher, mit viel schwarzem Humor ausgerüsteter Geselle zeigt. So bleibt Hopkins Darstellung eine Zangengeburt. Äusserlich imitiert er Hitchcock zwar perfekt, aber trotzdem vermag er es nicht eine gewisse Kälte abzustreifen, die hartnäckig an seiner Darbietung haftet. Viel zu selten blitzt der Sarkasmus hervor, durch den eine gewisse Sympathie für den Regisseur möglich wäre. Denn wie man es auch drehen möchte, Hitchcock stellt in dieser Geschichte die Hälfte eines Liebespaares dar, um dessen Erhalt es schlussendlich geht. Deshalb wurde auch offensichtlich versucht Hitchcock nicht als zu «böse» im Umgang mit seinen Schauspielerinnen darzustellen, sondern als verlorenes Genie, das Realität und Fiktion nicht mehr auseinanderhalten kann. Seine Alkoholsucht wird indes auch seltsamerweise als Grundlage für Gags inszeniert und eher verharmlosend dargestellt. Weshalb seine düsteren Mord- und Totschlagsgelüste dann wiederum äusserst visuell dargestellt werden müssen, bleibt rätselhaft, denn als Hommage wären sie ziemlich geschmacklos.

 

 

Hitchcocks Musen: Scarlett Johansson als Janet Leigh (Bild 1) und Jessica Biel als Vera Miles (Bild 2)

 

Die Darstellerinnen sind allesamt überzeugend, von Helen Mirren über Scarlett Johansson bis zu Jessica Biel («Total Recall», «Easy Virtue») als Vera Miles und Toni Collette («Little Miss Sushine», «Muriel’s Wedding») als Hitchcocks persönliche Assistentin Peggy. Genauso viel Lob verdienen auch das Kulissendesign, die Kostüme und die Requisiten. Mehr noch als in «My Week with Marilyn» wird die Illusion erweckt, als befinde man sich wirklich Ende der Fünfziger Jahre umzingelt von Filmschaffenden. Die spannenden Einblicke, was die Finanzierung und Zensur bei «Psycho» betrifft, wird Filmliebhaber mit Sicherheit ebenso erfreuen. Diese Punkte sind aber auch schon die einzigen Gründe, die für den Film sprechen. Zwar ist es schön zu sehen, dass endlich auch einmal Alma Revilles Arbeit an Hitchcocks Filmen gewürdigt wird, dennoch scheint dies bloss ein guter Marketingtrick zu sein, um die eher lauwarme Story einer Ehekrise ins Kino zu bringen. Zu stereotypisch gedeiht der Krach zwischen den Eheleuten und noch klischeehafter löst sich dieser mitsamt Hitchcocks mentalen Problemen wieder im Nichts auf. Statt dieser Biographie sollte man sich eher Hitchcocks Werke nochmals zu Gemüte führen, denn dort entsteht garantiert nie die Gefahr unerwartet einzunicken.

 

 

  • Hitchcock (USA 2013)
  • Regie: Sacha Gervasi
  • Drehbuch: John J. McLaughlin
  • Buchvorlage: Stephen Rebello
  • Besetzung: Anthony Hopkins, Helen Mirren, Toni Collette, Scarlett Johansson, Danny Huston, Jessica Biel
  • Dauer: 98 Minuten
  • Ab 21. März im Kino

 

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Tanja Lipak / Mi, 13. Mär 2013