Berührende Hommage an eine Stummfilm-Legende

Movie-Kritik: Charlie Chaplin live vertont
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Am Freitag, 28. November 2014 ging das Film & Musik-Konzert zum 100-jährigen Geburtstag von Charlie Chaplins «The Tramp» erfolgreich und höchst unterhaltsam über die Bühne. Nach Vorstellungen in Zürich und Basel fand der Abschluss der Jubiläumstournee in der Tonhalle St.Gallen statt.

 

Dass Stummfilme nie wirklich stumm waren, ist hinlänglich bekannt. Durch die fehlenden Dialoge war man umso mehr auf die Begleitmusik angewiesen, die die Ereignisse auf der Leinwand emotional angemessen untermalte. Da es in den Anfangsjahren des Kinos noch keine Möglichkeit gab Bild und Ton synchron aufzunehmen, wurden die Filme von einem Orchester live vor Ort begleitet. Diese traditionelle Verbindung zwischen Live-Musik und Stummfilm wird im Rahmen dieser Veranstaltung zelebriert und bietet daher ein eindrückliches Gesamterlebnis. Die von Charlie Chaplin selbst komponierte Originalmusik wird interpretiert vom Orchester «Basel Sinfonietta» unter der Leitung des Dirigenten Helmut Imig, der als Spezialist für filmbegleitende Originalmusik gilt.

 

Eröffnet wird das Programm mit dem Jubiläumsfilm «Kid Auto Races at Venice» aus dem Jahr 1914. In diesem Kurzfilm tritt Chaplin erstmals in der Rolle des «Tramp» auf und legt somit den Grundstein für eine einmalige Erfolgsstory. Die Handlung ist simpel: Bei einem Seifenkistenrennen in Venice, Kalifornien, spaziert der «Tramp» zufällig vor die Linse eines Kamerateams und wird davon fast magisch angezogen. Auch wenn er aus dem Bild gescheucht wird, versucht er fortan immer wieder vor die Kamera zu treten, wodurch es ständig zu Auseinandersetzungen mit den Filmemachern kommt. Der brachiale Humor, die Tollpatschigkeit und eine gewisse Gewaltbereitschaft sind hier bereits angelegt.

 

Im Laufe der Jahre entwickelt Chaplin die Figur weiter, indem er auch ihre schüchterne, niedliche und verletzliche Seite zeigt, die besonders dann zum Vorschein kommt, wenn sie verliebt ist. Der Hauptfilm des Abends zeigt denn auch die ausgearbeitete Version der Figur. In «City Lights» aus dem Jahr 1931 erleben wir einen vielschichtigen «Tramp», der sich in ein blindes, mittelloses Blumenmädchen verliebt. Durch eine Verkettung glücklicher Zufälle hält sie ihn für einen Millionär und er lässt sie in diesem Glauben. Doch wie so oft wendet sich das Blatt sehr schnell und er findet sich in den absurdesten Situationen wieder, die ihn vom Job als Strassenfeger, zum Boxer und schliesslich ins Gefängnis führen. Auch wenn viele Szenen zum Schreien komisch sind, gibt es auch immer wieder Momente, in denen die Traurigkeit, Verzweiflung und Hilflosigkeit der Figuren beinahe schon greifbar ist. Chaplins Sozialkritik, die sich wie ein roter Faden durch seine Werke zieht und in der Figur des «Tramp» das ideale Vehikel findet, ist auch hier spürbar. Dabei ist es Chaplins Genie zu verdanken, dass er seine Figur trotz aller Tollpatschigkeit nie der Lächerlichkeit preisgibt.

 

Das Film & Musik-Konzert zu Charlie Chaplin überzeugt mit der Filmauswahl, die es erlaubt einen Vergleich zu ziehen zwischen den Anfängen des «Tramp» und seiner ausgearbeiteten Form, die als Ikone wohl allen ein Begriff ist. Die Live-Musik verwandelt das Ganze zu einem Spektakel im passenden Rahmen und schönem Ambiente, das zu einer würdigen Hommage an die Stummfilmzeit und – vor allem – Charlie Chaplin wird. 

 

Sule Durmazkeser / Mo, 01. Dez 2014