Alter Greis auf Schatzsuche

Movie-Kritik: Nebraska
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Im Verleih von Ascot Elite

«Trink was, sei jemand!» Woody Grants (Bruce Dern, «The great Gatsby» (1974)) Lebensweisheiten sind nicht allzu kompliziert. Eine Flasche Bier und schon ist man dabei. Was andere von ihm und seinen Eigenarten denken, ist dem alten Kauz schon eine Weile lang egal. Gut, fliegt ihm eines Tages die Benachrichtigung über einen Millionengewinn zu. Ohne lange nachzudenken, macht sich der alte Mann auf, den Gewinn abzuholen. Leichter vorgenommen als getan, denn die Millionen befinden sich 900 Meilen weiter entfernt in Lincoln, Nebraska. Doch Woody’s vernachlässigte Vorbildfunktion gegenüber seinem jüngeren Sohn David (Will Forte, «Grown Ups 2», «Rock of Ages») zahlt sich aus: Der Sprössling wird von der Freundin fallengelassen und verfügt daher neuerdings über genügend Zeit, um seinen alten Herrn nach Lincoln zu fahren.

 

 Drei Viertel der Grant Familie: Woody mit Sohn David (Bild 1) und Mutter Kate (Bild 2)

 

Regisseur Alexander Payne hat sich mit Filmen wie «Sideways» und «The Descendents» einen Namen als Filmemacher mit Vorliebe für die kleinen menschlichen Unzulänglichkeiten gemacht. Mit «Nebraska» knüpft er nun an sein grosses Meisterwerk «About Schmidt» an. Ähnlich wie dort geht es hier um einen Mann, der keine grossen Abenteuer mehr im Blick hat. Um ein Leben, das langsam eine gewisse Stagnation erreicht hat. Im Gegensatz zu Jack Nicholson‘s Schmidt, macht diese Perspektivlosigkeit Bruce Dern‘s Woody aber erst richtig aktiv. So ist es eigentlich völlig egal, ob Woody den fälschlichen Lottogewinn als blosse Marketingaktion erkennt oder nicht. Viel wichtiger ist, dass er einen Grund erhält, nochmals loszuziehen, nochmals aus dem Gewohnten auszubrechen.

 

 Aufgrund der gierigen und missgünstigen Verwandschaft und Bekannschaft (Bild 1) wird Woody schnell wütend (Bild 2).

 

Aus den üblichen Rollenkonventionen dürfte auch der Hauptdarsteller ausbrechen. Bruce Dern, vielgesehener Bösewicht, zuletzt als Sklaventreiber in «Django Unchained», erhielt im Alter von 77 Jahren endlich die Chance, die Sympathien des Publikums zu gewinnen. Jene der Kritiker hat er bereits erhalten und durfte sich unter anderem über eine goldene Palme am letztjährigen Cannes Film Festival und über eine Golden Globes Nomination in diesem Jahr freuen. Überhaupt nicht weniger lobenswert ist die Leistung von June Squibb («About Schmidt») als die nicht minder verrückte Ehefrau von Woody. Hält man sie zu Beginn des Films noch für die Stimme der Vernunft, stellt sich spätestens bei ihrer Ankunft in Hawthorne (Woodys Heimatstadt und Zwischenstopp auf dem Weg nach Lincoln) heraus, dass sie es genauso faustdick hinter den Ohren hat wie Woody. Um keine Peinlichkeit der Familie zu verpassen reist schliesslich auch der ältere Sohn Ross nach Hawthorne und unterstützt seine Lieben im Kampf gegen missgünstige Verwandte, die nach der Millionen-Neuigkeit an alte unbezahlte Beträge erinnern.

 

«Nebraska» ist ein amüsanter und ironischer Film, mit schrulligen Charakteren, einem zutiefst schwarzem Humor und einer bestechenden Schwarz-Weiss-Optik, der uns alle daran erinnert, dass es nie zu spät ist seinen Träumen nachzufahren. Und offenbar sieht das auch die Academy Of Motion Picture Arts And Sciences, die alljährlich die Oscars vergibt, ähnlich. «Nebraska» wurde für fünf Oscars nominiert. Darunter jene für Bester Film. Alexander Payne kann sich Hoffnung auf Beste Regie machen, Bruce Dern könnte Bester Hauptdarsteller werden, June Squibb als Beste Nebendarstellerin gewinnen sowie Phedon Papamichael für die Beste Kameraführung eine Statue bekommen.  

 

  • Nebraska (USA 2013)
  • Regie: Alexander Payne
  • Drehbuch: Bob Nelson
  • Darsteller: Bruce Dern, Will Forte June Squibb, Bob Odenkirk, Stacey Keach
  • Dauer: 115 Minuten
  • Ab 16. Januar im Kino

 

Tanja Lipak / Di, 14. Jan 2014