Überraschendes Kino

Movie-Kritik: Manchester by the Sea
Bildquelle: 
© Universal Pictures International Switzerland.

Text von Thomas Hügli

 

Schon mal von Casey Affleck gehört? Ja, richtig, sein Bruder ist niemand Geringerer als Ben Affleck. Das Schauspieler-Gen scheint also in der Familie zu liegen und mit seinen 41 Jahren hat Casey Affleck bereits eine längere Karriere hinter sich. 2017 wurde Casey für seine Schauspielerische Leistung in «Manchester by the Sea» mit dem Golden Globe als «Bester Schauspieler» ausgezeichnet und ist damit in der Pole-Position für den Oscar®.

 

Es sind die Kleinigkeiten, die Finessen, Dialoge und Details, die einen besonderen Film ausmachen und es sind die Schauspieler, die der Authentizität einer Geschichte zum Leben verhelfen. Lee Chandler (Casey Affleck) ist Hausmeister mehrerer Liegenschaften in Boston und der Handyman für alles, was da an Arbeiten anfällt. Bis er eines Tages beim Schneeschaufeln einen Anruf mit der Nachricht vom Tod seines Bruders erhält. Scheinbar bleibt er gefasst, aber beim Weggehen bemerkt er, dass er die Schneeschaufel vergessen hat und dreht sich nochmal kurz, um sie zu holen. 

 

Haben eine gemeinsame Vergangenheit: Lee und Randi (© Universal Pictures International Switzerland. All Rights Reserved.) 

 

Es klingt banal aber gerade so eine Szene wirkt sehr menschlich und alltäglich, dass sie schon fast zu einfach ist, um daran zu denken. Lee Chandler muss zurück in seinen Heimatort Manchester by the Sea. Dort trifft er den 16jährigen Patrick (Lucas Hedges) und Sohn seines Bruders sowie allerlei andere Bekannte und Verwandte. Lee soll seinen Neffen bei sich aufnehmen und ihm ein Zuhause geben. Die Organisation der Bestattung und die Fürsorge seines Neffen sind seine Pflicht. 

 

Wucht aus Emotionen 

 

Casey Affleck gibt seiner Figur ein melancholisches Profil. Etwas scheint mit dem Kerl nicht zu stimmen. Leicht gereizt, ziellos und neben sich, unfähig Gefühle zu zeigen, aber mit durchaus sehr sympathischen Zügen. Lee’s Tragödie kommt erst allmählich ans Licht und hinterlässt bleierne Momente, welche die eine oder andere Tränendrüse anregt. Davon wird sich Lee niemals erholen und seine Ex-Frau Randi (Michelle Williams) stirbt Höllenqualen. Eine solche Wucht aus Emotionen in eine Geschichte zu verpacken ist grosses Kino. 

 

Casey Affleck bringt seine Schauspielkunst auf den Punkt, bewegt, nervt und zieht den Betrachter in seinen Bann. Herzzereissend das Wiedersehen von Lee und Randi im kleinen Fischerort. Die Kamera ist immer dabei. Auch unwichtige Szenen und Dialoge, die sich als Missverständnisse entpuppen, verschärfen das Gefühl, quasi hinter den Protagonisten zu stehen und ihre Geschichte hautnah mitzuerleben. Ihnen zu helfen, sie zu stützen und zu motivieren und ihnen zu Trost verhelfen.

 

«Manchester by the Sea» ist für 6 Oscars® nominiert und vielleicht kann Casey Affleck erreichen, was sein Bruder nie schaffte: eine Statue als Bester Hauptdarsteller. Die Rolle bringt ihm aber so oder so viel Anerkennung. 

  • Manchester by the Sea (USA 2016)
  • Regie: Kenneth Lonergan
  • Besetzung: Casey Affleck, Gretchen Mol, Michelle Williams, Kyle Chandler, Kara Hayward, Tate Donovan 
  • Laufzeit: ca. 138 Minuten
  • Kinostart: 2. Februar 2017 

 

Bäckstage Redaktion / Mi, 01. Feb 2017