Kurzfilmmetropole Bern

Interview: Kurzfilmfestival Shnit
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Tanja Lipak

Bern wird vom 3. bis einschliesslich zum 7. Oktober das Mekka für Filmliebhaber. Das Kurzfilmfestival Shnit feiert seine zehnte Ausgabe. Über 6000 Filme aus 30 Ländern wurden eingereicht, beim Programm gezeigt werden davon rund 300 Werke. Bäckstage traf Reta Guetg und Olivier van der Hoeven von der Festivalleitung zum Interview.

Herzlichen Glückwunsch. Shnit findet nun schon zum zehnten Mal in Bern statt. Habt ihr nun ausgelernt oder gibt es auch für euch Neues nach so vielen Jahren?
Reta: Wir lernen tatsächlich immer noch (lacht). Es gibt jedes Jahr etwas völlig Neues, das wir ausprobieren oder erkunden. Auslernen kann man dabei fast nie. Wir machen halt immer neue Erfahrungen und diese helfen uns das Festival kontinuierlich zu verbessern. Das, was wir heute haben, wäre nicht möglich gewesen, ohne die letzten zehn Jahre.
Olivier: Der Lernprozess, den wir durchgemacht haben, ist riesig. Hätten wir das Festival, wie es heute ist, vor zehn Jahren versucht umzusetzen, wären wir kläglich gescheitert. Es wäre unmöglich gewesen. Es braucht eine stufenweise Entwicklung. Man muss alle Schritte durchmachen mit all den Schwierigkeiten und schlechten Erfahrungen, um am Schluss zum Ziel zu gelangen.

Was habt ihr letztes Jahr gelernt, respektive was wird dieses Jahr anders sein im Vergleich zum letzten?
Olivier: Zum einen die ganze internationale Koordination, die sich von Jahr zu Jahr verfeinert. Zum anderen haben wir dieses Jahr Kapazitätsprobleme in Bern gelöst. Letztes Jahr mussten wir etwa 1’000 Besucher heimschicken, weil viel mehr aufgetaucht sind, als wir erwartet haben. Gerade in Bern haben wir deshalb sehr viele Prozesse optimiert. (Anm. der Redaktion: Neu gibt es auch die elektronische Reservationsmöglichkeit für Tages- und Festivalpassbesitzer.)
Gibt es etwas Neues, Spezielles, das ihr den Besuchern dieses Jahr besonders empfehlt wie beispielsweise eine Veranstaltung, eine Lokalität oder einen Filmblock?
Reta: Der internationale Wettbewerb bildet das Herzstück unseres Festivals und ist daher sehr zu empfehlen. Zudem lohnt es sich auf jeden Fall eine Projektion in den Kirchen zu besuchen, schliesslich ist das eine einmalige Gelegenheit. Was wir dieses Jahr auch zum ersten Mal machen, ist die Night of Nominations am Samstagabend. Dort hat man die Chance die nominierten Filme aus dem internationalen Wettbewerb einen Tag vor der Preisverleihung am Sonntag zu sehen. Die Gewinner kennt man aber noch nicht und kann sich deshalb selbst ein Bild machen, welche Filme man am spannendsten findet.
Neu ist dieses Jahr auch, dass Filme mit einer Länge bis zu 40 Minuten gezeigt werden. Warum habt ihr diese Entscheidung getroffen?
Olivier: Dieser Entscheid ist uns sehr einfach gefallen, da wir viele gute Filme hatten, die wir aufgrund der eigenen Regulierung nicht zeigen konnten, wie beispielsweise Reto Caffis oscarnominierten Kurzfilm «Auf der Strecke». Für Retos Film haben wir dann ein eigenes Programm veranstaltet. Dies können wir aber nicht jedes Mal machen. Zudem haben wir im Vorfeld auch immer wieder Filme eingereicht bekommen, die länger als 20 Minuten waren und die wir deshalb nicht zeigen konnten. Nun haben wir uns dazu entschlossen diesen Filmen die Bühne, die Plattform, zur Verfügung zu stellen, die sie benötigen und verdienen.
Shnit ist schnell gewachsen und findet nun international in zehn verschiedenen Ländern, so genannten Playgrounds, statt. Bleibt Bern trotz dieser Internationalisierung das Zentrum des Festivals?
Reta: Bern als Ursprungsort wird immer der wichtigste Veranstaltungsort sein. Was schwierig abzuschätzen ist, ist wie es mit den Playgrounds weitergeht, wie die wachsen werden. Cape Town ist dieses Jahr zum dritten Mal dabei und hat bisher eine erstaunliche Entwicklung durchgemacht. Dieses Jahr werden dort schon sagenhafte 77 Shows (Veranstaltungsblöcke) vorgeführt. Wer weiss, vielleicht überholt eines der Playgrounds Bern grössentechnisch irgendwann (lacht). Aber das Herz unseres Festivals wird immer Bern sein.
Olivier: Bern ist und bleibt die schönste Stadt der Schweiz, das muss schon gesagt werden. In Bern harmoniert alles perfekt, das beste Festival in der schönsten Stadt. Kurz: eine Win-Win Situation für alle.
Kommen wir kurz noch einmal auf die Playgrounds zu sprechen. Wie kam es dazu, dass ihr euch entschieden habt ein internationales Festival durchzuführen?
Reta: Schon sehr früh bestand die Idee eines internationalen Festivals. Daran haben wir auch sehr lange hingearbeitet. Im Jahr 2006 wurden bereits die ersten Schritte unternommen. Grundsätzlich sind es aber immer die Menschen, die es möglich gemacht haben, ein internationales Festival zu gestalten. 2009 fand Shnit zum ersten Mal in Köln statt und dies war nur möglich, weil ein Juror aus dem Jahr 2008 sehr begeistert von Shnit war und uns half, auch in Köln Fuss zu fassen. So nahm dann alles allmählich seinen Lauf. Die anderen Playgrounds sind dann sehr unterschiedlich dazu gestossen. Sei es gezielt gewesen, weil wir in einer bestimmten Stadt etwas veranstalten wollten oder weil Leute, wie in Cape Town,  auf uns zugekommen sind und gefragt haben, ob sie mitmachen können.

 

Leute haben uns gefragt, ob sie mitmachen können.


Olivier: Empfehlungen aus unseren Beziehungskreisen spielten natürlich auch eine grosse Rolle. Aber ein ganz entscheidender Motor unseres Festivals ist das Programm. Weltweit gesehen offerieren wir ein einmaliges, hoch qualitatives Programm. Dies treibt dann natürlich auch die Playgrounds an, weil auch sehr grosse Festivals zum Teil nicht an ein solch hochstehendes Programm herankommen.
Wie werden die Filme ausgesucht? Müssen sie bestimmte Kategorien erfüllen?
Reta: Ein Film muss in sich stimmig sein. Er muss rund sein, formell sowie ästhetisch gesehen. Er muss stimmen und dich irgendwo, auf welcher Ebene auch immer, sei es durch Gefühle oder Humor, packen und berühren. Ob lustig, traurig oder absurd und unverständlich, der Film muss etwas in dir auslösen. Sonst springt der Funke nicht über.
Olivier: Emotionen sind sehr wichtig. Ein Film, der keine Emotionen auslöst, hat, aus meiner Sicht gesehen, das Ziel verfehlt. Es geht aber auch ganz klar um die Eigenständigkeit des Filmes im weitesten Sinn. Die Auswahlkommission besteht zudem nur aus vier Personen. Wir haben Kurzfilmexperten, die urteilen, und keine grosse Menge an Leuten, die einfach ihre Meinung abgeben.
Letzte Frage: Was ist euer Lieblingsfilm?
Olivier: Das ist eine Fangfrage. Wie wenn ich vier Kinder hätte und du mich danach fragst, welches mein Lieblingskind wäre. Das gibt es nicht. Jeder Film hat seine eigenen Ecken und Kanten. So simpel kann ich diese Frage nicht beantworten. Es gibt Filme, die ich sehr schätze und die mich sehr begeistern, aber eben in jedem Genre gibt es Vertreter von solchen Filmen. Deshalb kann ich das jetzt nicht einfach mit einem Film beantworten.
Reta: Ich kann mich dieser Meinung nur anschliessen (lacht). Ich denke es kann gar nicht so etwas geben wie einen Lieblingsfilm. Generell gesehen besteht im Leben doch sowieso immer das Bedürfnis nach einem neuen guten Film. Qualitativ gute Filme gibt es nicht genug.
Olivier: Ja, das denke ich auch. Qualität wird immer überleben. Es gibt noch massenhaft Platz im Kino für gute Filme. Es laufen ja noch genügend Sachen im Kino, bei denen man sich denkt «Hmmm, ist das wirklich nötig?». Es kann nicht genug gute Filme geben.


www.shnit.org

Tanja Lipak / Mo, 01. Okt 2012