Vom Zürcher Seefeld zu den Oscars: 100 Jahre Praesens-Film

Bäckstage: 100 Jahre Praesens-Film
Bildquelle: 
©Praesens-Film AG

Praesens-Film wurde 1924 vom jüdischen Einwanderer Lazar Wechsler gemeinsam mit dem bekannten Flugpionier Walter Mittelholzer gegründet. Anfangs konzentriere sich die Firma auf Werbefilme, wenig später ergänzten Auftragsfilme das Portfolio und bald Aufklärungsfilm, die auch für Kontroversen sorgten. Beispielweise der Film «Frauennot – Frauenglück» von 1930, der das Thema Abtreibung thematisierte und auf viel Gegenwehr stiess.

 

Das Gespür für soziale Themen zählte rasch zu den Stärken von Praesens-Film. Als der Bund in den 30ern zur Kulturellen Landesverteidigung aufrief, entstand mit «Gilberte de Courgenay» ein positiver und aufbauender Film, der bis heute tief in der Kultur des Landes verankert ist. Zudem wurde Anne-Marie Blanc mit dem Film zum Star.

 

Der erste Schweizer Farbfilm

 

Anfang der 40er wurde der Sieg der Alliierten langsam absehbar und man widmete sich der Aufarbeitung der Geschichte. Mit «Marie-Louise» (1944) entstand ein Film um ein französisches Mädchen, das im Krieg Bombenangriffe erlebte und für ein halbes Jahre zur Erholung in die Schweiz kommt. International wurde der Film gefeiert und bekam einen Oscar für das Drehbuch. Die Geschichte war Wechsler wichtig, weil er mit seiner Frau selbst ein Mädchen bei sich aufnahm. Der halbdokumentarische Film «Die Gezeichneten» von 1948 -  mit Hollywood-Ikone Montgomery Clift in der Hauptrolle - behandelt die Geschichte vertriebener Kinder nach dem Krieg und wurde gar mit zwei Oscars ausgezeichnet.

 

Weiter hat Praesens-Film verschiedene wichtige Filme produziert: «Fisilier Wipf» (1938), «Wachtmeister Studer» (1949), namhafte Filme wie «Ueli der Pächter» (1955) oder «Hinter den sieben Gleisen» (1959) und «Es geschah am hellichten Tag» von 1958. «Nach dem Krieg wurde mit «Heidi» der Nerv der Zeit im Sinne von «Schweizer Heimat-Idylle» getroffen und mit «Heidi und Peter» der erste Schweizer Farbfilm geschaffen», ergänzt Praesens-Film.

 

Szene aus dem oscar-prämierten Film «Marie-Louise». (©Praesens-Film)

 

Ende der 50er hatte das Schweizer Kino mit den zunehmenden Produktionskosten zu kämpfen. Trotz Schwierigkeiten konnte sich Praesens-Film halten, intensivierte zunehmend den Verleihbereich und holte etwa «Pulp Fiction» in die Schweiz. «Für die Zukunft nehmen wir die Herausforderung an, auch weiterhin gute Inhalte, die das Publikum begeistern, zu entwickeln und zu produzieren oder internationale und nationale Filme einzukaufen und zu vermarkten, im Kino und in allen weiteren Auswertungsbereichen», unterstreicht Praesens-Film.

 

Zum Jubiläum sind einige Anlässe geplant. So zeigt das Kino Frame in Zürich am 28. Januar «Hinter den sieben Gleisen» oder im Filmpodium läuft bis zum 15. Februar eine Retrospektive. Das Landesmuseum hat gemeinsam mit der Cinematheque Suisse in Lausanne die sehenswerte Ausstellung «Close-Up» zum Jubiläum kuratiert.

 

Gewinner dreier Oscars

 

Praesens Films habe in der Geschichte des Schweizer Kinos eine enorme Bedeutung, betont die Cinematheque auf Anfrage. «Es ist das einzige Produktionsunternehmen im Land, das seit 100 Jahren existiert. Dann produzierte es einige der bedeutendsten Erfolge des Schweizer Kinos der 30er bis 60er Jahre im In- und Ausland: Als Gewinner von drei Oscars und zahlreichen Preisen auf den grössten Festivals der Welt erlangten dessen Filme ausserordentliche Berühmtheit und gelten bis heute als Klassiker, die immer wieder angesehen werden. Ausserdem hat Praesens-Film durch die Vielfalt der produzierten Werke, von Auftragsfilmen über Spielfilme bis hin zu Dokumentarfilmen, vom Heimatfilm bis zu humanistischen und pazifistischen Werken, vom Thriller bis zur Komödie, dazu beigetragen, eine gewisse Vorstellung der Schweiz zu prägen: zwischen Stadt und Land, einladend, neutral und (fast immer) wohlwollend.»

 

Der Fokus der Ausstellung liegt einerseits auf den Menschen hinter den Filmen, aber auch auf den historischen Einflüssen wie dem Nationalsozialismus und auf der Leinwand als gesellschaftlichem Spiegel. Ein Highlight der Ausstellung ist der Oscar für das Drehbuch «Marie-Louise». Bis zum 21. April ist Ausstellung für die Öffentlichkeit zugängig.

 

 

Bildbeschreibung zum Titelbild

«MarieLouise_Oscarverleihung1946»: Lazar Wechsler, Richard Schweizer und Leipold Lindtberg bei der Oscar-Übergabe zu «MARIE-LOUISE» 1946. ©Praesens-Film AG

 

***

 

Dieser Artikel ist Teil einer Textpartnerschaft mit den Lokalzeitungen von zuerich24.ch

 

Bäckstage Redaktion / Mi, 24. Jan 2024