Wie eine Feder: Das Debüt von Jo Elle

CD-Kritik: Jo Elle - Comfort Zone
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Cover Shot

Beim Öffnen der Debüt-CD von Jo Elle fiel eine Feder sanft aus der Hülle, direkt vor meine Füsse. Einen Moment flackerte das Bild von Tom Hanks in «Forrest Gump» auf, wie er da auf einer Bank sitzt und ihm eine Feder ebenfalls unmittelbar vor die Füsse geweht wird. Unweigerlich damit verbunden ist der Satz «Das Leben ist wie eine Schachtel Pralinen, man weiss nie was man bekommt.», das ist inzwischen nicht mehr nur Filmfans klar. Aber was hat das jetzt mit Jo Elle zu tun? Die Assoziation passt schon, denn hört man in «Comfort Zone» rein, wirkt die Musik oft federleicht und leise schwingt der Eindruck mit, dass man das Leben so nehmen soll, wie es eben gerade um die Ecke schleicht, also jeden Moment geniessen und nicht zu viel nachdenken. Wobei, nachdenklich gibt sich Jo Elle, die alle Texte – das Cover von Kanye Wests «Heartless» mal ausgenommen – selbst schreibt, in Nuancen schon. Mancher Text erzählt von Dingen, die im Leben halt passieren, ohne konkrete Beispiele zu nennen. Aber man hat das Gefühl, dass der Sängerin am wichtigsten ist, dass sie Spass an der Sache hat. Im Leben und in der Musik. 

 

Die Songs für das Debüt sind zusammen mit Gitarrist und Produzent Slädu (Bekannt durch seine Arbeit mit Gölä) entstanden. Die beiden hatten das Heu sofort auf der gleichen Bühne und der Entstehungsprozess der Songs muss ein einziges Vergnügen gewesen sein. Jedenfalls glaubt man das herauszuhören. Das Album empfängt mit der leichten Reggae-Nummer «Not Gonna Worry», was den Eindruck von wegen «Leben nehmen, wie es kommt» gleich nochmals unterstreicht. Alles hinter sich lassen, einfach weg, Linien überschreiten. Wer möchte das nicht und wenn Jo Elle mit sanfter und sicherer Stimme davon singt, ist das der ideale Opener für ein Album, das besonders durch Authentizität glänzt. Wie viel die Künstlerin wirklich von sich Preis gibt, bleibt natürlich ihr Geheimnis, aber musikalisch transportiert das Debüt schon einen glaubwürdigen Eindruck. Jo Elle hat zuvor nämlich schon in verschiedenen Projekten gesungen und sich nicht blauäugig und ohne Erfahrung auf Solopfade gewagt. Bei allem Eindruck von Leichtigkeit, hat man es hier nicht mit einem Schnellschuss zu tun. Jo Elle und ihre Musiker verstehen es, die mal leichten und mal doch nachdenklichen Lyrics in ein akkurates Licht zu setzen. Besonders ins Ohr geht  «Now Or Never». Der Reggae breitet einen fröhlichen Teppich aus, auf dem Jo Elle von Sehnsüchten singt und davon, dass sie ihr Leben ändern will. Dazu ein knackiger Refrain. Das passt ganz gut. 

 

Etwas aus dem Rahmen fällt «My Nation». Der Beat will, anders als beim Rest der Platte, nicht so richtig zünden. Dazu kommt, dass die Hymne über Kühe, Seen und Heimatgefühle ein wenig konstruiert wirkt. Kann aber auch sein, dass mit der Nation eine Person gemeint ist und alles nur sinnbildlich verstanden werden sollte. Egal, es ist der einzige Song auf der Platte, der nicht so richtig funktioniert. Ansonsten ist Jo Elle mit «Comfort Zone» ein respektables Debüt gelungen, das beim Hören gute Laune bringt, dabei aber auf der textlichen Ebene auch dunkle Momente zulässt. Wie das Leben eben. Die Songs sind gut produziert und nicht zu übertrieben arrangiert. «Comfort Zone» ist im Grunde die richtige Platte, um den Sommer perfekt ausklingen zu lassen und wenn man die Feder wieder einsammelt und zurück ins schön gestaltete Case steckt, beschleicht einen ein gutes Gefühl. Forrest Gump wäre damit wohl hochzufrieden. 

 

Jo Elle - «Not Gonna Worry»

 

  • Künstlerin: Jo Elle
  • Album: «Comfort Zone»
  • Verkaufsstart: 21. August 2015
  • Infos zur Künstlerin: Website von Jo Elle

 

 

Patrick Holenstein / So, 23. Aug 2015