Kurz vor dem Durchbruch: Sam Himself mit «Slow Drugs»-EP

CD-Kritik: Slow Drugs von Sam Himself
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© Annie Forrest

Judith Wernli von Radio SRF 3 hat Sam Himself einmal mit Bruce Springsteen verglichen und ihn im Studio um ein Cover von Springsteen gebeten. Es wurde «Dancing In The Dark». Der Vergleich zum «Boss» ist leicht nachvollziehbar und beschreibt den Stil von Sam durchaus treffend. Er sagte dazu in einem Interview: «Es ist kein Geheimnis, dass ich ein großer Bruce-Fan bin. «Dancing In the Dark» war schon immer mein Lieblingssong von ihm - das Lied ist ein Pop-Meisterwerk, aber im Herzen ein Country-Song, der hinter der eingängigen Melodie und dem schnellen Tempo brutal ehrliche Lyrics versteckt. Diesen dunklen Kern des Songs wollte ich mit meiner Version hervorheben; er ist der Grund, warum ich immer wieder auf den Song zurückkomme.» Aber subjektiv gesehen entfernt sich Sam schon vom Boss. Die Stimme ist dunkel und charismatisch - einverstanden. Die Songs sind gutes altes Handwerk - stimmt zweifellos. Aber der Gesang von Sam Himself ist oft weniger roh, hat einen seidigeren Klang. So entsteht eher der Eindruck, dass Sam sich zielstrebig einen klaren Stil erarbeit hat und hier schwingen schon noch andere Namen mit. Fies ist aber, man kann selbst beim Nachdenken darüber keinen so wirklich klar benennen. Muss man aber im Grunde auch nicht. Sam Himself bleibt sich selbst im künstlerischen Verständnis und das tut er – hier sind wir wieder bei Springsteen – mit Authentizität. Und um das Thema Springsteen sauber zu beenden, ist hier der Link zum «Dancing in the Dark»-Cover von Bruce Springsteen, das inzwischen sogar Einzug in das Live-Set von Sam Himself gefunden hat.

 

Der Basler Songwriter und Musiker, der heute in seiner Wahlheimat New York lebt, eröffnet die aktuelle EP «Slow Drugs» mit dem gleichnamigen Song und holt durch die geschickt und nicht zu opulent arrangierte Songstruktur praktisch sofort ab. Man hat das Gefühl einer Stimme zu lauschen, die schon mindestens zwei Leben gelebt hat, trotzdem nicht alt und verlebt wirkt, aber charmant voluminös und kantig. Diese Stimme darf klar den roten Faden bilden und wird von der Musik förmlich getragen. Die Gitarre setzt hin und wieder Akzente aus dem Hintergrund, das Schlagzeug glänzt mit gefühlvoller Zurückhaltung, der Bass zieht sich stoisch durch den Song und das Piano bekommt punktgenau seinen Auftritt. Dazu Backing Vocals, die Sam wunderbar ergänzen. Der Opener ist ein beachtlicher Eintritt in die Welt von Sam Himself, weil er in keiner Sekunde überladen klingt.

 

Sam Himself - «Like A Friend»

 

Der Fokus-Track auf der EP ist «Like A Friend». Der Song ist Sam wichtig und er sagt darüber: ««Like a Friend» handelt vom Abschliessen mit einer Ära der eigenen Geschichte, von der Einsicht, dass ein zentrales Selbstbild nichts mehr taugt. Um damit klarzukommen, braucht’s eine kurze Feuerpause zwischen all den inneren Fraktionen, die sich sonst ständig gegenseitig bekriegen. Das Lied ist also ein Appell an die Versöhnung mit sich selbst.» Der Song klingt etwas poppiger, vereint aber ebenfalls die Attribute, wie Stimme, Songwriting und Gefühl für Melodie, die man schnell mit Sam verbindet. Der Clip zum Song wurde an der Zürcher Langstrasse gedreht und als Gast ist Sams Bruder vor der Kamera. Kurz nach dem letzten Drehtag im März 2020 wurde der Corona-Lockdown beschlossen. Sam war damals eigentlich mit Anna Rossinelli auf Tour und sitzt seither in Basel fest.

 

Für die «Slow Drugs»-EP hat sich Sam stilistisch entwickelt, etwas weiter weg von bandbasierten Aufnahmen. Diese Entwicklung ist durch die zunehmenden Auftritte mit Band oder als Solokünstler natürlich entstanden. So funktionieren Sams Songs bei Konzerten mit Band genauso wie bei Solo-Gigs. Für die Aufnahmen hat er sich Josh Werner (Bass - Iggy Pop; Bill Laswell) und Parker Kindred (Schlagzeug - Jeff Buckley; Joan As Police Woman) im Studio geholt. Mit Produzent Daniel Schlett (DIIV; The War on Drugs), seinem langjährigen kreativen Partner und sogenannten «zweiten Beatle», wurden die fünf Songs eingespielt. Mit diesem Wissen ist völlig klar, wieso «Slow Drugs» so reif klingt und die Songs in sich ein rundes Bild zeigen. Zwar gilt Sam Himself noch als Newcomer, war eben erst «SRF 3 Best Talent» und ist mit starker Tendenz nach oben unterwegs. Trotzdem klingt er wie ein alter Hase. Was einerseits an seiner unverkennbaren Stimme liegt und andererseits an seinem Geschick für gute Songs, die neben Bruce Springsteen eben auch gerne in die Welt von Folk und Country eintauchen, manchmal einen Songwriter wie Bill Callahan zu referenzieren scheinen und hin und wieder glitzert ein feiner Hauch von Nick Cave oder Jeff Buckley auf. Im Grunde ist das Ziehen von Vergleichen unnötig, denn Sam Himself klingt - der Name ist hier Programm - wie er selbst und das ist gut so.

 

«Slow Drugs» klingt durchdacht, aber nicht verkopft. Ein Spagat, der nicht einfach ist. Sam Himself gelingt er. Wer den Musiker noch nicht kennt, sollte ihm eine Chance geben und reinhören.

 

 

Bäckstage Redaktion / So, 12. Jul 2020