Jubiläum mit noch nie da gewesenen Klängen

CD-Kritik: Tocotronic - Wie wir leben wollen

Schüchtern, zerbrechlich, ja schon fast verstört, präsentieren sich Tocotronic auf ihrem Jubiläums-Album. Die gesungenen Gedankenfetzen von Dirk von Lowtzow formen sich in einer schwebenden, psychedelischen Wolke der Klänge und laden ein zum Verweilen in den ganz eigenen Träumen. Die richtige Brise Kritik an der Welt fehlt auch in diesem Werk nicht. Der Titel allein stellt schon eine Frage, aber auch einen Aufruf und eine Forderung, ganz wie man es kennt von den vier Hamburgern. 

 

«Wie wir leben wollen» ist der Exzess zweier Dekaden tocotronischen Handwerkes. Über 17 Lieder begibt man sich auf den Weg der Bandgeschichte. Das erste Lied erinnert am Rande noch an die alte Band, welche den Punk noch kannte, den Indie-Rock noch huldigte. Bald ist jedoch klar, dass der Pop einen Platz in ihren Herzen gefunden hat. Und das ist gut. Die Hamburger geleiten uns in eine sphärische Welt der Melancholie und schaffen ein Tocotronic, welches wir noch nie so tief, introvertiert, aufsaugend und doch episch erfahren durften. 

 

Das 20-jährige Jubiläum steht ganz im Sinne der Nostalgie. Dies geht soweit, dass Tocotronic das gesamte Album mit 50er-jahre Technik aufgenommen hat. «Hey, ich bin jetzt alt», singt von Lowtzow im eröffnenden Lied «Im Keller». Nur bei der Vocal-Produktion wurde auf moderne Hilfsmittel zurückgegriffen, was Dirks Stimme präsenter denn je erscheinen lässt. Hoffen wir, dass wir uns, trotz des fortgeschrittenen Alters der Band, auf ein weiteres Meisterwerk und viele tolle Shows freuen dürfen.

 

 

Timothy Endut / Di, 19. Feb 2013