THE BEAT-HELLS kreuzen die Beatles mit Punk

Kritik: THE BEAT-HELLS - THE BEAT-HELLS
Bildquelle: 
©THE BEAT-HELLS, zVg

«Wir haben uns gefragt, «Was würden die Beatles machen, wenn sie eine Punkrock-Band im Jahr 2021 sind?». SIBBI, Sänger und Gitarrist der deutschen Punkband Itchy, bringt das Konzept der BEAT-HELLS knackig auf den Punkt. Gemeinsam mit Neil Starr, bekannt als Sänger bei Phil Campbell and the Bastard Sons, hat er in der Zeit von praktisch globalen Pandemiemassnahmen ausgesuchte Songs der Beatles gecovert.

 

Die beiden Stromgitarrenliebhaber pflegen eine lange Freundschaft und sie verehren die Beatles. So entstand in der Zwangspause – Langeweile soll der Auslöser gewesen sein - die Idee, ihre liebsten Songs der Fab Four mit Punkrock/Alternativerock zu mischen. Quasi zwei Leidenschaften kollidieren zu lassen und zu sehen, was passiert. Als Verstärkung stiess am Bass Will Davies, früherer Bandkollege von Neil bei Attack! Attack!, dazu und fertig war der Kern des Projekts. Arrangiert und aufgenommen wurden die Songs schliesslich pandemiebedingt in räumlich getrennten Locations, also SIBBI in Deutschland, Neil und Will in Wales. Zur klassischen Bandkombi fehlte allerdings ein elementares Mosaiksteinchen, das Schlagzeug. Dazu aber später mehr.

 

Songauswahl mit Bezug zur Geschichte der Beatles

 

Zuerst stellt sich die Frage, wie man aus dem vielfältigen Oeuvre der Beatles passende Songs auswählt. SIBBI erklärt: «Zum einen haben wir natürlich die Songs genommen, die uns persönlich sehr gut gefallen, auch wenn wir davon mit diesem Album vielleicht 10% aller Beatles-Songs abgedeckt haben. (lacht) Zum anderen habe man auch versucht eine Mischung zu finden an Beatles-Songs, die wirklicher jeder Mensch in- und auswendig kennen würde, wie z.B. «Help» usw., aber auch «Songs die vielleicht eher in der zweiten oder dritten Reihe stehen, die man nicht sofort auf dem Schirm hat.»

 

Die Auswahl der Songs ist tatsächlich sehr interessant und mit «Until There Was You» ist gar ein Song dabei, der nicht aus der Feder der Fab Four stammt und so Bezug auf die frühe Phase nimmt, als das Quartett um Paul McCartney und John Lennon selbst Coversongs aufgenommen hat. Natürlich drehten SIBBI und Neil standesgemäss etwas am Temporegler, jedoch sind viel mehr die Feinheiten auffällig. Etwa der fett pulsierende Bass bei «Ticket To Ride», das kurz jaulende Gitarrensolo bei «Helter Skelter» oder schlicht, dass «I Feel Fine» der fast noch grössere Ohrwurm ist als im Original. Dann gibt es da noch die oft medial beschworene Rivalität zwischen den Stones und den Beatles. Mit «I Wanna Be Your Man» haben THE BEAT-HELLS, ob bewusst oder nicht, einen Song gewählt, der diesen Mythos etwas entkräftet. Der Track von 1963 wurde zwar von den Beatles geschrieben, einen Hit hatten aber zuerst die Stones damit und sie sollen sogar anwesend gewesen sein, als Lennon/McCartney den Song komponiert haben – so will es jedenfalls die Legende. Aber genug Musikgeschichte, zurück zur Aktualität.

 

THE BEAT-HELLS - «Ticket To Ride»

 

Die Beatles hatten mit Ringo Starr einen der bekanntesten Drummer der Musikgeschichte. Wie also haben THE BEAT-HELLS diesen Posten besetzt? Man hat dazu nicht eine Person ausgewählt, sondern verschiedene Rhythmuskünstler. Dabei sind Ed Udhus (Zebrahead), Dane Campbell (Phil Campbell and the Bastard Sons), Kob (punk rock factory), Johno Fisher (States and Empires), Eike Herwig (Donots), Sascha Madsen (Madsen), Michael Dreilich (Blackout Problems), Max Zimmer (Itchy), Daniel Kotitschke (Van Holzen), Flo Weber (Sportfreunde Stiller), Fab Füss (Emil Bulls) and Fabi Halbig (Killerpilze). Die Bandbreite der Bands ist nicht nur spannend, sondern beeindruckend. Dabei war das so gar nicht geplant: «Es ist fantastisch und ich kann gar nicht sagen, wie dankbar wir für jeden einzelnen unserer 12 Drummer sind. Zu Beginn hatten wir die Schnapsidee: «Wieso fragen wir nicht einfach alle unsere Lieblingsdrummer, mit denen wir befreundet sind, ob sie nicht jeweils einen Song spielen wollen?» Dass sie dann ausnahmslos alle Lust hatten und sofort dabei waren, ist absolut nicht selbstverständlich. Das wissen wir sehr zu schätzen», erzählt SIBBI im Mailinterview.

 

Aber der Clou daran ist, dass man deutlich die unterschiedlichen Spielarten heraushört. Das ist ein diebischer Spass und verleiht dem Album eine zusätzliche, äusserst faszinierende Ebene. Natürlich liesse sich herausfinden, welcher Drummer bei welchem Song gespielt hat, aber vielleicht erkennt man ja sogar ohne Kenntnis den einen oder anderen nur am Spiel. Wichtig war dabei, dass keiner der Drummer einen Song spielen muss, den er nicht mag. «Wir haben immer, wenn wir zwei, drei neue Songs erarbeitet hatten ein paar der Drummer gefragt, ob sie dabei einen Song finden, der sie anspringt und auf den sie Bock haben. Das hat super funktioniert», ergänzt SIBBI.

 

Mit Fingerspitzengefühl und ohne zuviel Ehrfurcht

 

Mit den Beatles ist es oft etwas heikel, was Covers angeht. Puristen klagen gelegentlich, dass man den Originalen nicht gerecht werde könne. SIBBI sagt dazu:«Uns ist natürlich zu 100% bewusst, dass wir da mit Heiligtümern hantieren. Da kann man sehr, sehr schnell sehr, sehr viel falsch machen. Wir haben einfach versucht, unsere Liebe für die Beatles in modernen Versionen ihrer Songs aufzuzeigen. Wir haben uns gefragt «Was würden die Beatles machen, wenn sie eine Punkrock-Band im Jahr 2021 sind?» Oder «Was würde eine Punkrock-Band machen, wenn sie per Zeitreise nach Liverpool in den 1960ern katapultiert würde?». Ich hoffe jedenfalls sehr, dass man hört, wie viel Ehrfurcht und gleichzeitig wie viel Spaß wir mit den BEAT-HELLS haben.»

 

Recht gibt ihnen, dass es durchaus Songs aus der Feder der Beatles gibt, die manche zuerst mit Namen wie Joe Cocker oder Elton John in Verbindung bringen. Diese Diskussion würde wahrscheinlich nie zu einem Ende führen. Wahrscheinlich ist letztlich die Herangehensweise entscheidend. Die Songs der Beatles haben Generationen begleitet und werden das noch lange weiter tun. Es stellt sich also die Frage, kann man den bekannten Songs neue Facetten hinzufügen, spannende Aspekte herausarbeiten und sie so im besten Fall in einem anderen Licht erstrahlen lassen. THE BEAT-HELLS gelingt dieser Anspruch erfreulich gut. Weil die Jungs mit Fingerspitzengefühl an die Songs herangehen, ohne in Ehrfurcht zu erstarren, und dabei Songs herausgepickt haben, die auch zu ihnen passen. Vielleicht hätten ein «Let It Be» oder «Hey Jude» im Punkkleid etwas von ihrer emotionalen Kraft verloren. Diese Klippe umschifft die Band geschickt und gibt die «St. Peppers Lonely Hearts Club Band» mit viel Leidenschaft und einem charmanten Augenzwinkern. Nicht zuletzt, weil man zu spüren glaubt, wie gewissenhaft sich die Band mit den Songs beschäftigt hat, um sie glänzen zu lassen.

 

THE BEAT-HELLS sind augenscheinlich ein Spass-Projekt und das funktioniert wunderbar. Die Idee, Songs der Beatles in ein punkig/alternatives Gewand zu kleiden, gleichzeitig aber den gebührenden Ernst und vor allem Respekt vor den Songs, überzeugt auf der vollen Linie.

 

 

 

Patrick Holenstein / Di, 10. Aug 2021