The Great Light Of Slow: Grosse Wände und langsame Passagen

Kritik: The Great Light Of Slow - Homebound
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Coverbild

Der Opener «Good Life» wirkt noch etwas chaotisch und so als ob die Band sich erst einmal austoben möchte, allerdings passiert das auch hier schon nicht planlos. Überschüssige Energie abzuschütteln kann manchmal Wunder wirken, denn schon bei «Seeing Stars» wird man hellhörig. Ein simpler Intro-Aufbau aus einem reduzierten, aber pulsierenden Basslauf, einem vergnügt klimpernden Keyboard und dem Schlagzeug holt schnell ab und führt in einen Song, der - wahrscheinlich nicht zufällig - punktuell an Muse erinnert, dabei aber geschickt eine eigene Handschrift behält. Irgendwie eklektisch, aber dann halt doch mit der eigenen Identität. 

 

Der rote Faden 

 

Und wenn man nach zwei Songs und dem abschliessenden Sound-Gewitter denkt, man hätte The Great Light Of Slow, abgekürzt THE GLOS, so langsam stilistisch erfasst, wirft die sentimentale, aber gerade durch den tieftraurigen Gesang nie kitschig werdende Ballade «In Bed» wieder alle Assozinationen über den Haufen. Selbst wenn sich am Schluss des Songs die gesamte, sorgfältig errichtete Wand tosend in Staub verwandelt, macht das Sinn. Vielleicht ist diese radikale Energie, die sich oft entladen darf, ja gar der rote Faden in der Debüt-CD von The Great Light Of Slow. 

 

Deutlich wird, dass bei The Great Light Of Slow Musiker am Werk sind, die Musik verstehen, damit clever spielen, arrangieren und bei jedem Song mit Facetten jonglieren, welche der vorherige Track nicht hatte. So wird die Platte, die den Namen «Homebound» trägt, sehr vielseitig. The Great Light Of Slow sind Marcel Lappert, Rene Flückiger, Stephan Heiniger, Fabio Buchschacher, Dimitri Hefermehl aus Langenthal. Drei Jahren haben die fünf Musiker an der CD gearbeitet und im Frühling 2016 wurde sie getauft. Die Produktionszeit hört man der Platte an, kein Song wirkt unfertig, eher durchdacht, wie etwa das treibende Schlagzeug im Intro des kleinen Epos «Bear». Der Song überrascht auch gesanglich, jagt die Stimme hoch und tief, um dann in ruhigen Momenten in bester Fran-«Travis»-Healy-Manier zu kontrastieren. Überhaupt besitzt der Song eine bemerkenswerte Dramaturgie, die - wie war das mit dem roten Faden? - in einem Soundknäuel ausklingen darf. 

 

The Great Light of Slow - «Beneath The Brightened Skies»

 

 

Man erwischt sich schon beim Gedanken, dass die Mitglieder der Band ihre Einflüsse in den 90ern haben. Namen müssen dazu nicht genannt werden, aber als Musikhörer, der jenes Jahrzehnt am eigenen Leib erfahren hat, glaubt man deutlich Referenzen zu erkennen. Das schadet der Musik der Band gar nicht, weil das Quartett sich damit sehr breit positioniert und mit dem Wiederverwertungsrock der 90er ja eh die halbe Musikgeschichte in einen Topf werfen kann. Was an The Great Light Of Slow so witzig ist, ist, dass sie einen regelmässig an der Nase herumführen. Denkt man bei «Coke Song» gerade noch: «Naja, halt der Füller der Platte», reisst ein leisses Intermezzo in der Mitte aus diesem Gedanken und macht hellhörig, man denkt um, um dann wieder direkt ins Gewitter zu laufen. «Is This Love» funktioniert nach dem Klavierintro als Steigerungslauf und lässt sich dann auf der singenden Gitarre wieder zu Boden tragen, bis das Klavier wieder aus dem Song entlässt. 

 

Abgeschlossen wird die Platte mit «Beneath The Brightened Skies» und noch einmal greifen die geschickt arrangierten Instrumente sauber ineinander. Kein Instrument drängt sich in den Vordergrund, jeder gibt genügend Platz für die Kollegen, man beweist damit Mut zur Lücke, füllt nicht zwingend jede Sekunde mit Musik und das zieht sich durch die gesamte Platte. Vielleicht, und das ist einer der wenigen Kritikpunkte, ist an manchen Stellen auf «Homebound» der Kopf stärker zu spüren als das Herz. Aber über die gesamte Platte gesehen funktioniert der Sound von The Great Light Of Slow sehr rund. Es sind monumentale Wände, das «great», sowie feine, ruhige Passagen, also das «slow», drin und alle Facetten geben der Platte einen Sound, der sehr viel Spass macht und den Namen der Band widerspiegelt -  ob gewollt oder eben nicht.

 

Ich muss zugeben, dass ich ohne den Wink aus der richtigen Richtung nie auf The Great Light Of Slow aufmerksam geworden wäre. Das wäre sehr schade gewesen und zeigt, wie gut Tipps manchmal sein können. 

  • Band: The Great Light Of Slow
  • Album: Homebound
  • Veröffentlichung: bereits im Handel erhältlich
  • Infos zur Band: Website

 

 

 

Patrick Holenstein / So, 30. Okt 2016