Nena steht das akustische Kleid sehr gut

Konzertkritik: Nena im Kongresshaus Zürich
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© Matthias Uebelhart

Siebzehn Musiker umfasst die Band, die weit nach elf Uhr abends auf der Bühne steht. Nena leitet gerade jener gesungenen Frage, die längst Einzug in die Geschichte der Popmusik gefunden hat, den allerletzten Atemzug des Konzertes ein: «Hast du etwas Zeit für mich?» 

 

Aber angefangen hat alles mit KLEE. Nena persönlich soll sie für den Support ausgesucht haben und, naja, mit KLEE kann nicht viel schief gehen. Die Band um Frontfrau Suzy Kerstgens sorgt für Stimmung – zumindest temporär. Den Texten der Kölner Band hört man halt lieber zu als dabei im Takt zu klatschen. Immerhin haben KLEE Texte mit Aussage. Überzeugend, aber viel zu schnell vorbei. 

 

 

Eine halbe Stunde später öffnet sich der Vorhang, gibt den Blick auf vier Sofas und auf Nena, die genüsslich darauf lümmelt, frei. Überall stehen Kerzen und kleine Leuchttürme. Lange hält es Nena nicht im Sitzen aus. Die NDW-Queen will singen und animiert die Menschen sofort, es ihr gleich zu tun. Damit erreicht sie direkt eine Nähe zum Publikum. Je länger sie den Leuten verschiedene Töne beibringt, desto klarer wird, dass Nena auf «Leuchtturm» hinarbeitet. Zu dem Zeitpunkt stehen nur Nena und John, ihr Gitarrist, auf der Bühne und gerade durch die auf ein Minimum reduzierte Instrumentalisierung funktioniert der Song prächtig. Akustik & Live ist klar das Thema des Abends. 

 

Während des nächsten Songs füllt sich die Bühne langsam. Erst kommen vier Backgroundstimmen dazu – darunter Nenas Kinder, die Zwillinge Larissa und Saskia. Danach werden vier Streicher platziert sowie ein Podium für Perkussion und Schlagzeug aufgebaut. Nena schöpft aus den Vollen und hat ständig zwischen vierzehn bis siebzehn Musiker auf der Bühne. Trotzdem klingt der Sound sehr gut. 

 

Nena strahlt den ganzen Abend über, wirkt frisch und kokettiert gleich selbst: «Dass ich mit 52 Jahren nochmals hier stehe und entertaine…» Dass sie das kann, verdankt sie einer sehr vielseitigen Band, die sich in einer stilistischen Breite von Klavierballaden bis zu Psychedelic-Rock behände bewegt. Es macht den Eindruck, als ob die «Nena Family» auf der Bühne stehen würde, zumindest wirkt Nena wie die Mutter in der Band und in dieser Rolle scheint sie sich wohl zu fühlen. 

 

Lieder, mit denen der Grossteil der Besucher aufgewachsen ist, gewinnen im akustischen Kleid oft sehr viel an Intensität. So fehlte kaum ein Klassiker, von «Irgendwie, irgendwo, irgendwann» über «Nur geträumt» und «Liebe ist» bis zu einem Medley aus «My Sweet Lord» und «Give Peace A Chance» oder jener Version von David Bowies «Hero», die Nena bei The Voice Of Germany bereits mit ihren Mitjuroren gesungen hatte. Einzig die Remix-Version von «Willst du mit mir gehen» will nicht so recht zum akustischen Gedanken passen. Zu wild, zu elektronisch. Schade, dass Nena das Thema nicht bis zur letzten Konsequenz durchzieht. 

 

 

 

Zum Paradestück des Abends, zum symbolischen Song für die Qualität der Musiker, stilisiert sich aber «Wunder geschehen». Nena wird förmlich auf Händen getragen als sie mit den Leuten im Saal den Refrain singt. Nur von Klavier und Cello begleitet fängt Nena an und steigert den Song sukzessive, wird von einem Instrument nach dem anderen unterstützt, bis die ganze Band ins Finale des Songs einsteigt.

 

Zurück zu «99 Luftballons». Ein letztes Mal zeigt die Band nach über zwei Stunden Konzertdauer ihre Stärke. Auf ein instrumentales Minimum aus Cello und Cajon reduziert, dafür von einem Chor, den die gesamte Band bildet, gesanglich unterstützt, fliegen die besungenen Ballone imaginär durch den Raum und beenden ein entwaffnend schönes Konzert.

 

 

Bildquelle: © Matthias Uebelhart

Patrick Holenstein / Sa, 21. Apr 2012