Eine Legende auf der Bühne des Kaufleuten

Konzertkritik: Albert Hammond im Kaufleuten
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Bäckstage / © Patrick Holenstein

Im weissen T-Shirt und schwarzen Jeans bahnt sich Albert Hammond den Weg durch das Publikum, klatscht da und dort Hände ab, posiert für ein Selfie und singt dabei strahlend den Hit «When You Tell Me That You Love Me». Geschrieben wurde der Song für seine Frau, wie der Songwriter erklärt, gesungen hat ihn aber Diana Ross. Das ungezwungene und ausführliche Bad in der Menge bringt am Ende des Sets auf den Punkt, was das Konzert zuvor schon deutlich gemacht hat. Albert Hammond liebt seinen Job und auf der Bühne steht er, um den Menschen Freude zu bereiten. 

 

71 Jahre ist Hammond alt und wirkt frisch und flink. Drahtig und schlank, das Gesicht vom Leben charmant gegerbt, die Augen leuchtend vor Feuer und Leidenschaft. Da steht ein Mann auf der Bühne, der Musikgeschichte nicht nur geschrieben hat, sondern sie auch lebt. Aber es sind nicht einmal Welthits wie «I Don’t Wanna Lose You», «One Moment In Time» oder «Free Electric Band» die das Konzert so faszinierend machen. Es ist vor allem die Aura, die Hammond umgibt und es ist die Authentizität, die der geborene Engländer über die Jahre perfektioniert hat, die ihn auf der Bühne zum Genuss machen. Man glaubt ihm jedes Wort und das Publikum singt dankbar Zeile für Zeile mit. Dazu hat der Mann einen spitzen Sinn für Humor und kann Geschichen erzählen. So ist das Konzept der «Songbook»-Tour. Songs und die Geschichten dahinter. Wenn er zum Beispiel erklärt, dass ihm vor Jahrzehnten nach einer Party im Playboy Mansion ein Bunny nicht mehr aus dem Kopf gegangen sei und er ihr einen Song geschrieben habe, erntet er Lacher. Sie hiess Rebecca und Albert Hammond schiebt der Geschichte ein lapidares «Wie sie heute wohl aussieht?» nach. Oder er erzählt, wie er Willie Nelson und Julio Iglesias zusammen gebracht hat und betont den Frauenverbrauch des Spaniers. «Meine Frauen kann man an einer Hand abzählen, aber mein Freund Julio …». Dazu rollte er amüsiert mit den Augen. 

 

 

Albert Hammond kennt sie alle. Von Tina Tuner über Johnny Cash bis zu Diana Ross und Joe Cocker. Dem letztes Jahr verstorbenen Cocker widmet Hammond einen berührenden Moment, wenn er von ihm erzählt und dann «Don’t You Love Me Anymore» anstimmt. In dem Moment ist im Kaufleuten jeder still. Überhaupt zeigt sich das Publikum als sehr respektvoll. Man lauscht den Geschichten von Hammond und freut sich an der riesigen Anzahl zeitloser Klassiker. Offenbar sind die Menschen gekommen, weil sie Albert Hammond kennen und lieben. Geklatscht wird im richtigen Moment und so entsteht eine Kommunikation zwischen Sänger und Publikum, die man in dieser Intimität nicht so oft antrifft. Hammond ist aber nicht alleine. Im Rücken hat er eine Band, die es versteht, dem Chef den Rücken freizuhalten und im richtigen Moment mit Soli oder psychedelischen Teppichen («99 Miles From L.A.) zu trumpfen. Der Sound ist klar und gut gemischt und so hat bei Albert Hammond alles gepasst.

 

Das Kaufleuten war gut besucht, aber nicht überfüllt und die Menschen, die den Weg auf sich genommen haben, wurden mit zwei Stunden Musik und Geschichten aus dem Leben eines der bedeutendsten Songwriters unserer Zeit belohnt. Zwei Stunden, die einen als Zuhörer an die eine oder andere Situation aus dem eigenen Leben erinnerten. Zum Beispiel verbinde ich mit «It Never Rains in Southern California» den ersten Trip durch den amerikanischen Westen. Der Song begegnet einem nämlich regelmässig im Radio und vertont so machen Kilometer durch die Wüste. Albert Hammond hat mit diesem Konzert bewiesen, dass er als Songwriter brillant ist und auch als Künstler eine gute Figur macht. Zum Schluss rief er: «See you next year!»

 

Eine Legende, die kaum jemand kennt. Das ist Albert Hammond wohl. Aber sein Konzert war «One Moment In Time», zwei Stunden für die Ewigkeit. 

Patrick Holenstein / Di, 03. Nov 2015