Ein Traum ausserhalb des Schlafzimmers

Konzertkritik: Oscar Anton im Papiersaal
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Pressebild / ©Ludovic James

Als Oscar Anton im Jahr 2020 anfing, seine Musik gezielt an die Öffentlichkeit zu bringen, befand sich die ganze Welt im Stillstand. Das Jahr, in dem es vor allem in der Musikwelt auffällig still wurde. Umso lauter wurde es in Oscars Schlafzimmer, denn dort produzierte er die Songs, denen er seinen aufbrausenden Erfolg zu verdanken hat. Während einem Jahr hatte er jeden Monat drei Songs veröffentlicht und veröffentlichte ein Jahr später, im März 2021, sein erstes Album «Home of Sanity». Man hörte ihm zu; seine Songs wurden inzwischen über 45 Millionen Mal gestreamt, er zählt 15 Millionen Youtube-Clicks und sammelte seither über 850‘000 Follower auf Spotify. Etwas fehlte ihm aber: eine Tour. Nachdem anfangs Jahr 2022 die gesamte Tour abgesagt werden musste, war es einige Wochen später endlich soweit und er packte seinen Bedroom Pop in einen Koffer für die selbsternannte «First Tour Ever». Ein Traum, der für den 25-jährigen Franzosen endlich wahr wurde.

 

Bereits lange Zeit vor dem Tourstart verkündete Oscar auf seinem Instagram-Profil, wie glücklich er über den Beginn der Tour sei und dass er es kaum erwarten könne, in verschiedenen Ländern mit dem Publikum eine grosse Party zu feiern. Er habe bereits als kleiner Junge von diesem Moment geträumt und es könne ihn nichts aufhalten, das nun endlich durch zu ziehen. Diese Energie brachte er am 15. April 2022 in den Papiersaal in Zürich.

 

Catchy Dancemoves an der Bedroomdisco

 

Mit dem Song «halfpastnine» und nach seiner Band betrat Oscar die Bühne und legte bereits die ersten, energiegeladenen Dancemoves aufs Parkett. Von der ersten Sekunde hatte er die volle Aufmerksamkeit vom Publikum. Die ersten Reihen sangen lautstark mit und die Freude darüber konnte man im Gesicht des Franzosen nicht übersehen. Die Energie breitete sich im Nu im Papiersaal aus und alle freuten sich offensichtlich über das bevorstehende Set von den Jungs. Oscars Band besteht nämlich aus seinen Freunden, wie er später erklärte.

 

Bevor er den zweiten Song ankündete, forderte er das Publikum zum Mitsingen auf: «Den nächsten Song kennt ihr wahrscheinlich, bitte singt ihn einfach mit mir», meinte er. Das musste er nicht zweimal sagen, denn der ganze Papiersaal begleitete ihn. Zusammen sangen wir «byebye» - ein Titel, in dem Oscar über Abschied von einer Situation, die nicht länger gut für einen ist, singt. Wie viele andere Songwriter verarbeitet auch er seine Lebenserfahrungen in Songs und singt in diesem Stück über eine Liebe, die er verloren hat: «es schmerzt aber es ist besser so». Von diesem Schmerz liess sich der Franzose aber nach der Performance schon nichts mehr anmerken. Er strahlte wieder, machte eine kurze Pause und fragte in seinem besten Schweizerdeutsch «Wie gohts?» ins Publikum, worauf er ein lautes Jubeln als Antwort erhielt.


Er erklärte, dass er Einwegkameras zum Konzert mitgebracht hatte. Die Idee dahinter: Die Besucherinnen und Besucher sollten Fotos von sich machen, wie sie tanzen, lachen, singen und einfach nur Spass haben. «Bitte macht keine Fotos von uns, die Kameras sind nur für euch gedacht, damit wir ein Andenken an diesen guten Abend haben», meinte er, und verteilte die Kameras mit seinem Gitarristen und Bassisten im Publikum. Das Geblitze ging los und die Kameras wurden während dem Konzert durch die Menge gereicht.

 

Man nimmt ihm das sofort ab

 

Nach 25 Minuten nahm der strahlende Oscar einen neuen Platz auf der Bühne ein und setzte sich an das Piano. Es folgten eher ruhigere Lieder und für eines davon, «Sonate Pacifique», verliess fast die ganze Band die Bühne. Es blieben nur noch Oscar am Piano und Lou am Bass zurück. Als die ersten Töne erklangen, wurde das Publikum aufmerksamer und leiser und war bereit, sich auch auf die Ruhe der beiden Musiker einzulassen. Besonders zur Geltung kamen nun die Mikrofonständer, die von Kopf bis Fuss mit einer Efeugirlande eingewickelt waren. Dies verlieh dem Bühnenbild das gewisse Extra und machte die Stimmung noch ein bisschen spezieller. Während dem tosenden Applaus zum Schluss lachte Oscar herzhaft ins Publikum. Die Dankbarkeit über das, was im Papiersaal passierte, brachte er auf der Bühne deutlich zum Ausdruck – sei es mit Worten oder mit Mimik. Dies zeugt von einer Offenheit, die den jungen Mann aus Paris so authentisch macht. «Man nimmt ihm das sofort ab», hörte ich eine Frau neben mir sagen. So simpel, aber genau so war es.

 

Liebe, Dankbarkeit und das Ass im Ärmel

 

Aus dem Schlafzimmer raus, ging es zur Party an den Beach: es ertönten Wellengeräusche aus den Lautsprechern und das Gekreische des Publikums liess erahnen, dass der bevorstehende Song bereits erkannt wurde. Passend zum Wellengeräusch performte Oscar «The Beach», tanzte auf der Bühne umher und die Menge machte es ihm nach – bis in die hintersten Reihen. «Der Saal ist so klein, ich sehe euch auch da hinten», rief Oscar begeistert. «Darf ich runterkommen und mit euch tanzen?», fragte er plötzlich ins Publikum und stand im Nu zwischen den Besucherinnen und Besuchern. So leicht, wie von Wellen getragen, fühlten sich wohl einige an jenem Abend. Auch Oscar war begeistert, die Mädels schmolzen dahin und eine Stunde voller Freude, Musik und Unbeschwertheit war im Nu vorüber. Die Bedroom-Party im Papiersaal neigte sich langsam dem Ende zu aber Oscar Anton und seine Jungs hatten noch ein Ass im Ärmel. «Ich habe für den nächsten Song einen Gast mitgebracht. Der Song heisst «‘nuit d’été’ - ….» - das Kreischen des Publikums liess den Franzosen kurz innehalten. «Oh wow, ihr kennt ihn?», fragte er, und wieder erhielt er Kreische, Pfiffe und Applaus als Antwort. Sein Gast war niemand geringeres als seine jüngere Schwester, Clementine, offensichtlich ein Liebling beim Publikum. Die sympathischen Geschwister brachten die Menge im Papiersaal ein letztes Mal zum Singen, Tanzen und Hüpfen. Auch Clementine bedankte sich mit strahlenden Augen beim Publikum und blickte zum Schluss wohl in ungefähr 200 Augenpaare, die mindestens so fest strahlten, wie ihre eigenen. Merci beaucoup!

 

Wer sich Oscar Anton bisher nur auf Spotify anhört, hört nur die Hälfte von dem, was der Franzose wirklich kann. Er mag taltentiert sein, eine gute Stimme haben und ein sympathisches Auftreten - aber das gesamte Oscar Anton-Package bekommt man erst, wenn man einen seiner Live-Auftritte miterlebt hat. Er macht das, was er liebt, und das spürt man mit jedem einzelnen Beat.

 

Rahel Inauen / Mo, 18. Apr 2022