Drei Faktoren, die Rammstein definieren

Konzertkritik: Rammstein im Hallenstadion
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© Universal, Foto von Guido Karp

Rammstein in Zürich. Grösser – lauter – heisser. So hätte das Motto in etwa lauten können. Was durfte man erwarten? Was ist das Geheimnis der Band, die als wichtig für die «Neue Deutsche Härte» gilt?

 

Nun ist Rammstein nicht die beste Band der Welt und das wissen die sechs Musiker sehr genau. Die brachialen Rock-Songs, irgendwo zwischen Industrial und Heavy Metal positioniert, klingen oft sehr ähnlich und monoton, wirken über weite Strecken gar etwas metallisch und mechanisch. Etwas mehr Abwechslung, vielleicht Momente, um Luft zu holen, wie zum Beispiel bei «Ohne dich», hätten dem Set gut getan. Und doch ist die musikalische Identität ein wichtiger Faktor des Konzeptes und damit wurden Rammstein schliesslich zu Weltstars.

Ganz richtig ist das zwar nicht. Zur Kultband wurde Rammstein ebenso durch ihre pyrotechnisch brillanten Liveshows. Das bringt uns zum zweiten Aspekt von Rammstein. Feuer schiesst noch immer aus allen möglichen Öffnungen, die in der Bühne versteckt sind. Die Show ist präzise bis ins kleinste Detail geplant, jede Flamme sticht im passenden Moment in die Luft und sämtliche Pyro-Effekte zünden sekundengenau. Das muss wohl nur schon aus versicherungstechnischen Gründen so sein, ansonsten hätte Sänger Till Lindemann beim kleinsten Schritt, den er von seiner Position abweicht, ein massives und vor allem heisses Problem. Ihm schiessen die Stichflammen ja eh schon nur knapp an den Ohren vorbei. Genau diese über die Jahre perfektionierte Bühneshow funktioniert und ist ein grosser Faktor für den Status von Rammstein.

 

Allerdings schwingen von Beginn weg zwei gegensätzliche Eindrücke mit. Faktor drei ist im Fall von Rammstein dann auch die Kontroverse. Einerseits fühlt man sich in gewissen Momenten an Szenen aus der Zeit des Nationalsozialismus erinnert und fragt sich, wie gewollt dieser Eindruck ist. Andererseits deutet die gehörige Portion Selbstironie, die Rammstein sich erlauben, und die oft überspitzte Inszenierung auf das Gegenteil hin. Nämlich, dass wohl alles eine Show mit sehr viel Kalkül ist. Wenn etwa Keyboarder Christian Lorenz im Goldanzug auf einem Laufband tanzt und sich im Gummiboot über die Köpfe der Zuschauer tragen lässt oder ein Mikrofonständer konstant im Takt wippt und «Pussy» mit grauenhaften Eurodance-Einlagen förmlich verhunzt wird, dann sind es genau diese Dinge, die verraten, dass Rammstein sich selbst nicht bierernst nehmen. 

Die Show hat in Zürich brachial überzeugt. Auch wenn die Musik nicht über sämtliche Zweifel erhaben war, im Ganzen hat sie funktioniert. Grösser – lauter – heisser. So in etwa liesse sich der Abend zusammenfassen. Rammstein beim «züsle» zuzuschauen hat durchaus Spass gemacht und die Halle hat getobt. So verzeiht wohl mancher Konzertbesucher der Band auch den letzten Spruch: «Die Schweiz mögen wir gar sehr. Wir tragen unser Geld hierher», bellt Till als einzigen nicht gesungenen Satz des Abends ins Hallenstadion. Das ist unnötig plakativ und billig, ein Schuss, der nach hinten losging. Aber irgendwie passt dies zur «Nach-uns-die-Sintflut»-Attitüde von Rammstein.

 

 

              

Patrick Holenstein / Di, 13. Dez 2011