Schlamm, Regen, Sonne und ein bombastisches Line-Up

Festivalkritik: ZURICH OPENAIR

Die erste Ausgabe des ZURICH OPENAIRS 2010 fiel buchstäblich ins Wasser. Die Besucher standen knietief im Schlamm. Das Gelände brauchte danach eine längere Erholungsphase, so dass das Festival letztes Jahr nicht stattfinden konnte. Umso erfreulicher, dass die Veranstalter für dieses Jahr wieder grünes Licht gaben. Im Vorfeld konnte man nur hoffen, dass das Wetter deutlich besser sein würde und auch die Organisatoren aus den Fehlern der ersten Ausgabe gelernt haben. Eine zweite solche Schlammschlacht wäre sehr unglücklich.

 

Donnerstag: Ärger mit dem Plastikgeld

 

Am Donnerstagnachmittag zeigte sich das Wetter von seiner schönsten Seite. Die britischen The Vaccines eröffneten das Zurich Openair und präsentierten ein powervolles Set mit Songs aus ihren beiden Alben. Kurz nach Beginn des Festivals zeigte sich eine erste Schwachstelle: Essen und Trinken mussten mit Plastikjetons bezahlt werden. Für die Besucher bedeutete das, erst einmal an einem der Money-Ständen anzustehen und Geld zu wechseln. Die Schlangen waren extrem lang - viele verpassten deswegen das Konzert von Lykke Li oder The Shins. Im Laufe der Festivaltage verringerte sich die Anstehproblematik. Bei den Bars und an den Food-Ständen kam man anschliessend meist ohne grössere Wartezeiten zu seinem Getränk oder Essen. Die Jetons wurden jedoch oft kritisiert. Pro Person durften nur jeweils 8 Jetons zurückgewechselt werden. Stimmen wurden laut, dass die Veranstalter damit Mehrgewinn generieren wollten. Auch das Jazzfestival Montreux hat über Jahre hinweg mit diesem System gearbeitet, dies jedoch vor einiger Zeit wieder abgeschafft. Mal schauen, wie das an der kommenden Ausgabe des Zurich Openairs sein wird.

 

 

The Killers live on stage

 

Als Headliner spielten am Abend The Killers aus Las Vegas nach einer längeren Bühnenabstinenz ein durchaus überzeugendes Konzert. (Unsere Konzertkritik zu The Killers) Die Festivalcrowd zog anschliessend weiter in die verschiedenen Dance- und Clubzelte. Zum Beispiel in den Dance Circus. Dort begeisterte der amerikanische Überflieger Skrillex die Massen mit seinem Dubstep und einer gelungenen Show. Draussen setzte Regen ein. Flux Pavillon konnte deshalb sein Set nicht spielen. Er gesellte sich zur grossen Begeisterung des Publikums kurzerhand zu Skrillex auf die Bühne. Zusammen legten sie rund eine Stunde auf. Wer es rockiger mochte, suchte das Abart-Zelt auf. Zur Überraschung vieler meldete sich - zumindest für die Festivaltage - der vor zwei Jahren geschlossene Club Rohstofflager zurück. Sie warteten mit einem aufwändig konzipierten Zeltbau auf.

 

Freitag: Hartnäckiger Regen und ebensolche Festival-Besucher

 

Dass Elektro auch ohne weiteres als Live-Band funktioniert, bewiesen Soulwax am Freitagnachmittag. Im Anschluss bespielte der charismatische Sänger Paul Smith mit seiner Band Maxïmo Park Rümlang eine solide Setlist. Bei strömendem Regen sorgten die Briten White Lies für eine melancholische Stimmung. Das nasse Wetter hielt sich hartnäckig - und genau diese Eigenschaft bewiesen auch die Zuhörer. Völlig durchnässt hielten sie während The Prodigy durch. Das Publikum feierte ausgelassen zu den Songs der Big-Beat-Legenden. Mit Out Of Space spielten sie zwar einer ihrer grossen Hits nicht, jedoch wurde dies anschliessend durch 2 Many DJ‘s nachgeholt. Die belgischen Brüder, die zuvor mit Soulwax auf der Bühne standen, remixten querbeet Songs. Das Duo konnte die bereits überaus gute Stimmung noch weiter aufheizen. Den Abschluss des zweiten Festivaltages bildeten die Chemical Brothers - keine leiblichen Brüder, dafür aber echte Break-Beat-Legenden. Wer die Chemical Brothers schon live gesehen hat, weiss, dass sie in erster Linie durch die Visuals begeistern. Bei diesem DJ-Set fehlte die Show und auch ihre grossen Hits haben sie nicht gespielt. Somit boten sie leider einen eher enttäuschenden Abschluss dieses musikalisch gesehenen qualitativ hochstehenden Tages. 

 

Samstag: Regen und ein abgebrochenes Konzert

 

Der dritte Festivaltag wurde schon früh durch die Berner Goodbye Fairbanks gestartet. Trotz Party bis in die frühen Morgenstunden versammelten sich zahlreiche Besucher vor der White Stage. Am Nachmittag standen die Indie-Legenden Tocotronic aus Hamburg auf der Bühne. Sie beehrten nach zwei Jahren endlich wieder einmal die Schweiz. Gleich danach trat auf der grossen Bühne, der Blue Stage, die deutsch-schweizer Band BOY auf. Das Duo gehört zu den positiven Überraschungen des vergangenen Jahres. Die Zürcher Sängerin Valeska Steiner war sichtlich begeistert von ihrem Heimspiel. Wenn schon die Sonne nicht schien, so strahlte immerhin die Sängerin wie ein Marienkäfer vor Begeisterung – und das Publikum strahlte mit ihr. 

 

Oftmals wurde während der Festivaltage die fehlende Lautstärke bemängelt. Bei der schottischen Post-Rock-Band Mogwai war diese für einmal definitiv nicht auf 100DB beschränkt. Leider mussten sie das Konzert nach rund einer Stunde wegen strömenden Regens abbrechen. Mehr Glück hatten die Briten Bloc Party. Sie konnten trotz Regen durchspielen und präsentierten Songs ab ihrem einen Tag zuvor erschienenen neuen Album «Four».

 

Kraftwerk wollen 3D-Auftritt noch ausbauen

 

Als Highlight des Abends spielten die Elektro-Pioniere und Legenden Kraftwerk. Mit einer imposanten 3D-Show begeisterten sie das mit weissen 3D-Brillen ausgestattete Publikum. Nur ihren grossen Hit «Das Model» spielten sie leider nicht. Das langjährige Kraftwerk-Mitglied Fritz Hilpert erklärte uns nach dem Konzert, dass bereits in den 80er-Jahren Pläne für eine 3D-Show bestanden. Damals war aber die Technik noch nicht so weit. «Dieses Jahr haben wir die Show für mehrere Auftritte im New Yorker Museum of Modern Art vorbereitet und wollten sie den Leuten in Europa nicht vorenthalten.» Den 3D konzipierten Auftritt wollen sie weiter ausbauen und hoffen, bald wieder in der Schweiz zu spielen.

 

Den Abschluss des Abends bildeten die Bloody Beetroots, die die Menge völlig zum Ausflippen brachten. Was den Chemical Brothers tags zuvor nicht wirklich gelingen wollte, holten die Italiener nach. Sie bewiesen eindrucksvoll, dass man auch mit einem DJ-Set für ordentlich Stimmung sorgen kann.

 

An zwei Tagen hat sich die Blue-Stage im Sonnenschein gezeigt.

 

Der Sonntag war in Deutscher Hand

 

Am Sonntagnachmittag spielte Bäckstage-Liebling Clueso mit seiner Band auf der Hauptbühne und sorgte für richtig gute Stimmung. Natürlich durfte auch der Song «Chicago» nicht fehlen. Im Anschluss kamen die nerdigen Hipster-Elektro-Popper von Hot Chip. Das Publikum schwang dazu noch ein letztes Mal das bereits etwas müde gewordene Tanzbein. Dann bewegte sich die Menge einträchtig Richtung Hauptbühne. Als Abschluss des Openairs servierten die Organisatoren einen gewaltigen Leckerbissen: Die Fantastischen Vier gaben ein Unplugged Konzert. Dabei handelte es sich um den einzigen öffentlichen Auftritt der deutschen Oldschool-Hip-Hop-Pioniere. Mit einem gelungenen Set brachten sie das erschöpfte Publikum noch ein letztes Mal zum Party machen.

 

Fazit: Das Festival hat sich verbessert

   

Das ZURICH OPENAIR hat definitiv dazu gelernt. Obwohl es sogar noch mehr Niederschlag gab als in der Ausgabe davor, blieb das Gelände bis zum Schluss gut begehbar. Zu verdanken war das den grosszügig ausgelegten Holzböden. Auch die Soundanlagen waren qualitativ hochstehend. Die Musik war auch in den hinteren Reihen gut hörbar. Das ZURICH OPENAIR hat bewiesen, dass es schon jetzt mit den Grossen der Schweizer Festival-Szene mithalten kann.

Hansjürg Stämpfli / Di, 28. Aug 2012