«Schlammgallen» heisst von nun an «Sonngallen»

Festivalbericht: Openair St. Gallen 2018
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Pressebild / © Manuel Lopez

Wenn man die letzten Wochen durch die Gassen von St. Gallen ging, hat man gemerkt, die Openair-Stimmung baut sich langsam aber sicher auf. Das «Oh mein Gott, i cha nüme warte, i freu mi so ufs Openair» hat man doch auch ab und an vom Nachbartisch im Restaurant oder auf der Parkbank nebenan sagen hören. Für ein ausverkauftes Festival hat es dann aber doch nicht ganz gereicht. Obwohl das Wetter vielversprechend war, hat sich das Kontingent der 4-Tagespässe nicht so rasch verkleinert wie in den Jahren zuvor. Gemerkt hat man das schon beim traditionellen «Anstehen». Der Warteraum war zugänglich für alle und eine richtige Warteschlange gab es nicht. Pünktlich zur Türöffnung wurde schon einiges an Bier getrunken und der Regen hat sich gemeldet. Gestört hat das niemanden. Kaum ins Gelände geströmt, ging es razzfazz und man blickte über ein Meer aus Zelten, Pavillons und ausgelassenen Feiergästen. Der Regen sorgte dafür, dass die überdachten Bars und Bühnen schnell gefüllt waren. 

 

Die neue Sternenbühne, die rund 1/3 vergrössert wurde, macht sich mit ihren ersten Gästen aus Deutschland beliebt. Feine Sahne Fischfilet überzeugten mit sozialkritischem Punk und brachten die Zuschauer zum Tanzen. Mit etwas sanfteren Klängen folgte dann Portugal.The Man. Die Jungs aus Alaska sind seit gefühlten Ewigkeiten im Geschäft und endlich ein Festival-Act. Ein gelungener Openair-Donnerstag. Schluss mit lustig war aber noch lange nicht. Die Euphorie hatte sich durchgesetzt und die Meute zum Trinken, Tanzen und Lachen gebracht - bis in die frühen Morgenstunden. 

 

Lewis Capaldi und die Frauenherzen 

 

Ein Mitstreiter unter den nächtlichen Aufenthaltsorten war neu das Winston-Zelt. Dieses hat das altbekannte und äusserst beliebte Chesterfield-Zelt abgelöst mit der berühmten Silent Party.Die gemütlichen Sitzecken und die Bars haben es aber schnell in die Herzen der Festivalgänger geschafft und das neue Zelt wurde zu einem beliebten Aufenthaltsort.

 

Nach einer ersten langen Nacht brach dann auch schon der neue Morgen an. Noch nicht ganz gut gelaunt und etwas verschlafen wagten sich jedoch viele schon ans erste Konterbier. Die gute Laune liess nicht lange auf sich warten. Ein kleines Wunder machte sich über dem Sittertobel breit. Die Sonne strahlte, Schlamm war keiner da und keine Wolke am Himmel zu sehen. Passend zum guten Wetter gab‘s dann, wie gewohnt, auch gute Freitagsmusik. Den Nachmittag eingeheizt hat Crimer mit seinem 90er-New Wave, gefolgt von Bands wie den Industrial Legenden Nine Inch Nails, Editors, Nothing But Thieves oder auch Lewis Capaldi, den einige als Support von Sam Smith noch bestens in Erinnerung hatten. Sie alle überzeugten die Besucher. Obwohl sich das Menschenmeer während des Auftritts von Nine Inch Nails deutlich verkleinert hat, hat man viel Gutes über das Konzert gehört. Es sei halt eine Band, die man mögen müsse. Lewis Capaldi brachte mit Hits wie «Lost On You» die Frauenherzen zum Schmelzen und die Editors haben einfach nur gute Stimmung verbreitet. Es war alle für etwas da.

 

Fast so geblendet wie die Sonne am Samstag, haben auch die Haare der Finnischen Sängerin Alma. Sie hat mit ihren Hits wie «Chasing Hights» oder «Dye My Hair» fast jeden überzeugt. Auch Elektropop funktioniert also im Sittertobel. Das hat die Schottische Band Chrvches ebenfalls bewiesen. Wenn auch nicht immer ganz live. Trotzdem konnte man sich in den vordersten Reihen kaum halten. Man könnte sagen, die gefühlten 30 Grad, wurden einfach weggetanzt. 

 

Stepfather Fred aus dem Allgäu 

 

Neben den bekannten Künstlern, die die Bühne bestückt haben, hat es auch eine ganz spezielle Band ins Tobel geschafft. Bepackt mit eigener Bühne und ganzer Ausrüstung haben sich Stepfather Fred aus dem Allgäu an der Security vorbeigeschmuggelt, mitten im Gelände die eigene Bühne aufgebaut und einmal richtig abgerockt. Den vielen Zuschauern gefallen hat es, aber nach zwei Songs wurde die Aktion abgebrochen. Irgendwie schade. Vielleicht sieht man sie ja im kommenden Jahr «legal» auf einer Bühne wieder. 

 

Der Openair-Samstag ist jeweils Headliner-Tag. Depeche Mode sollte es dieses Jahr werden. Die Nation war gespalten. Jüngere wünschten sich was Knalligeres. «Ein DJ wäre cool», hat es oft geheissen. Die älteren Festivalgänger hingegen freuten sich. Der Headliner vor zwei Jahren, Radiohead, machte sich mehrheitlich schlecht und diese Erfahrung prägte die Gäste.

 

Das Fazit war aber ganz in Ordnung. Viele hatten nur Gutes über Depeche zu sagen und die Jüngeren meinten, es sei eigentlich ganz cool gewesen. Ein gelungener Abend also. Und der DJ blieb ja auch nicht fern. Kungs brachte das Tobel dann nochmals richtig zum Tanzen. Viele bekannte Lieder wurden auf dem kleinen DJ-Pult, das der französische DJ mitbrachte, gespielt. Ein souveräner Auftritt, aber ob das eine Kunst ist, wenn viele der gespielten Hits nicht die eigenen sind? Lassen wir das mal offen.

 

So neigte sich das Festival langsam dem Ende zu. Auch der Sonntag strahlte nochmals in voller Pracht und mit ihm auch die Schweizer Bands Hecht und Lo & Leduc. Die restliche noch vorhandene Energie wurde zusammengekratzt, der Wehmut um das fast fertige Openair noch einmal weggesteckt und alle sangen zusammen «079 hätt sie gseit», immerhin der erfolgreichste Schweizer Hit. Die Beatsteaks und The Killers sorgten dann für einen etwas rockigeren Abschluss und schon war Schluss. 

 

Gut war es, das Openair St. Gallen 2018. Und wer es noch nicht mitbekommen hat: Headliner 2019 sind Die Ärzte. 

 

Seraina Thuma / Mi, 04. Jul 2018