Wenn man sich seinen Ängsten stellen muss

DVD-Kritik: Rust and Bone
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Im Verleih von Ascot Elite

Stéphanie (Marion Cotillard, «The Dark Knight Rises») ist eine attraktive und intelligente Frau. Sie mag es, dass die Männer ihr nachsehen, ihre langen, schlanken Beine betrachten und ihr nur deswegen einen Drink spendieren. Tagsüber trainiert sie Orkas in einem Marineland. Mitten in einer Show stürzt plötzlich ein Teil der Manege ein, Stéphanie fällt ins Wasser, wird bewusstlos. Als sie wieder aufwacht, fehlen ihr beide Unterschenkel. Die hübsche Frau fällt in eine Depression, will nicht mehr raus an die frische Luft und niemanden mehr sehen. Vorerst. 

 

Ali (Matthias Schoenaerts, «Waste Land») dagegen fängt endlich wieder an mit seiner Leidenschaft: dem Kämpfen. Jahrelang hatte er geboxt und versucht nun illegal so mehr Geld zu verdienen. Ein gutes Gefühl, denn Ali kam arbeitslos nach Antibes und zog mit seinem Sohn bei seiner Schwester ein. Irgendwie beschämend für einen ca. 30jährigen Mann, aber Ali scheint nicht wirklich Schamgefühl zu besitzen. So kämpft er meistens tagsüber und arbeitet nachts bei einer Sicherheitsfirma.

 

Alte Gewohnheiten

 

Eines Tages ruft Stéphanie Ali an. Die beiden kennen sich flüchtig, denn Ali war Türsteher einer Disco, die Stéphanie besuchte. Als sie von einem Mann angegriffen wurde, ging er dazwischen und brachte sie heil nach Hause. Dies war jedoch vor ihrem Arbeitsunfall. Trotz Stéphanies Handicap entwickelt sich zwischen den beiden eine spezielle Liebesgeschichte. Ali ist es egal, dass sie nicht mehr laufen kann und behandelt sie wie eine normale Frau, was ihr mehr als gut tut. Dennoch ist eine richtige Beziehung für Ali fremd und als er von seiner Schwester rausgeschmissen wird, lässt er alles zurück und verschwindet. Denn das tat er auch schon früher jedes Mal, wenn es brenzlig wurde. Warum jetzt mit alten Gewohnheiten aufhören?

 

«Der Geschmack von Rost und Knochen» ist ein sehr besonderer Film. Die Geschichte, natürlich ein Drama mit dem Unfall von Stéphanie und mit Ali, der sein Leben einfach nicht in den Griff bekommt. Jedoch ist es vor allem der Charakter Ali, der den Unfall in den Hintergrund stellt und schon fast plakativ in den Mittelpunkt gedrängt wird. Er gibt den Zuschauern das Gefühl, dass Stéphanie trotz ihres Unfalles ein normales Leben führen kann. Nur er, der all seine Körperteile noch hat, schafft es einfach nicht. In seinen Kämpfen geht er dann auch so unachtsam mit seinem Körper um, dass er im Gegensatz zu Stéphanie Verletzungen regelrecht provoziert.

 

Preisregen für den Film

 

Beeindruckend am Film generell ist, dass Regisseur Jacques Audiard («Ein Prophet») Stéphanies fehlende Beine nach dem Unfall so real darstellen konnte, dass man sich unwillkürlich fragt, ob Marion Cotillard tatsächlich beide Unterschenkel fehlen. Was natürlich nicht der Fall ist. «Der Geschmack von Rost und Knochen» erhielt in diesem Jahr zwei Golden Globe-Nominierungen in den Kategorien Bester fremdsprachiger Film und Beste Hauptdarstellerin – Drama. Ausserdem bekam der Film den César für das beste adaptierte Drehbuch, den besten Nachwuchsdarsteller (Matthias Schoenaerts), die beste Filmmusik und den besten Schnitt.

 

Ein Film, der aufrüttelt, teilweise schockiert mit seiner Ehrlichkeit und gerade deswegen zum Nachdenken einlädt.

 

  • Rust And Bone (Frankreich 2012)
  • Regie: Jacques Audiard
  • Darsteller: Marion Cotillard, Matthias Schoenaerts, Armand Verdure
  • Laufzeit: 122 Minuten
  • Verkaufsstart: Im Handel erhältlich
Selina Berner / Mo, 25. Nov 2013