Rockstars auf und neben der Rennbahn

Movie-Kritik: Rush
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Im Verleih von Ascot Elite

Die 70er Jahre waren wild, sexy und groovy. Nicht gerade die Eigenschaften mit denen wir heutzutage Rennfahrer wie Michael Schuhmacher oder Lewis Hamilton verbinden. Generell geniesst die Formel 1 in der heutigen umweltbewussten, nach CO2-Reduktionen schreienden Gesellschaft wenig Hochachtung. Vor einigen Jahrzehnten sah das Ganze noch komplett anders aus: Da waren die risikofreudigen Rennfahrer eine Art Rockstars der Fahrzeug-Industrie. Und genau diese Atmosphäre und Gesinnung vermag der renommierte Filmemacher Ron Howard («A beautiful Mind») während gut zwei Stunden zurück in die hiesigen Kinosäle zu bringen. Kein leichter Akt, wenn der zentrale Konflikt - oder zumindest die daraus resultierende Folge - auch den grössten Formel 1 Verächtern bekannt ist: Nikki Laudas schwerer Verbrennungs-Unfall 1976.

 

Nikki Lauda (Bild 1) und James Hunt (Bild 2) wie sie sich am liebsten Sehen. Der eine auf der Rennstrecke, der anderere mit schönen Frauen umgeben. (Mit Maus über Bild fahren)

 

Wie schafft es Howard also aus einer allseits bekannten Tragödie um zwei Adrenalinjunkies, die sich beide per se nicht als die grössten Sympathieträger eignen, einen eigenständigen, dem gesellschaftlichen Wandel entgegengesetzten Film zu machen, der alle Herzen im Sturm zu erobern vermag? Er holte sich einen verdammt guten Drehbuchautor. Peter Morgan («The last King of Scottland») konzentrierte sich beim Portraitieren der beiden Erzfeinde auf ihre verwunderlichen Gemeinsamkeiten statt auf ihre Unterschiede zu setzten. Als Zuschauer hören wir abwechselnd beide Protagonisten als Off-Erzähler und entdecken dadurch mehr und mehr Berührungspunkte zwischen den beiden Fahrern, die sich auf der Leinwand vor uns, mehr und mehr in einen unerbittlichen Konkurrenzkampf verstricken. Diese bitterböse Ironie ist es schliesslich, die uns für die beiden Wettstreiter mitfiebern lässt, auch wenn die Formel 1 für die meisten von uns keine Faszination ausübt. Was verbindet die Beiden? Die Angst vor der Fahrt, der Kollision und dem Tod. Das Zerwürfnis mit der eigenen Familie, die konservative Lebenswege für den jeweiligen Sohnemann im Sinn hatte. Der Wunsch als Rennfahrer ernst genommen zu werden.  

 

Nikki Lauda ist der Rockstar auf der Rennstrecke

 

Zum einen wäre da der lockere Strahlemann vom Hocker, James Hunt, gespielt von «Thor»-Star Chris Hemsworth, der in James Bond Manier keine Verführung und keinen Drink auslässt. Im Gegensatz zu 007 gerät Hunt aber schnell in Gefahr, ein Leben der Oberflächlichkeit und des schnellen Rausches zu führen, wodurch er beinah zu einer traurigen Figur verkommt und unser Mitleid weckt. Daniel Brühls («Die Gräfin») Nikki Lauda erhält seine Sympathiepunkte währenddessen erst auf den zweiten Blick. Hinter dem besserwisserischen, ernsten und angespannten Österreicher (hat er sein Arnie-English beim Terminator selbst geübt? Es klingt jedenfalls fantastisch!) steckt ein ehrgeiziger, gutmütiger junger Mann, der mit einem cleveren Köpfchen gesegnet wurde. Beide Darsteller verleihen ihren stark gezeichneten Charakteren einen eigenwilligen Charme und tragen den Kampf um die Gunst des Kinopublikums mit einem Unentschieden aus. Denn auf der Rennstrecke ist klar Nikki Lauda der Rockstar mit seinem Ingenieurwissen und seinen Kenntnissen der Strecke. Hunt, der seit der Formel 3 mit Übelkeiten vor dem Rennen kämpfen muss, gibt vor allem fernab der Rennbahn auf Partys den Rockstar.

 

Bild 1: Die beiden Rivalen vor dem Rennen und Nikki Lauda (Bild 2) bereit für den Kampf auf vier Rädern. 

 

Immer wieder kommt eine gewisse «The boat that rocked»-Groovyness hervor und schützt uns davor in eine sentimentale oder pathosüberladene Szene zu gleiten. Oder zumindest fast. Die Szenen mit Brühl im Krankenhaus sind hart an der Grenze, werden aber aufgrund der Tatsache, dass es sich um einen realen Unfall handelt, gerettet respektive legitimiert. Der Film bieten ausserdem die obligaten Actionszenen aus den vielen unterschiedlichen Wettkämpfen, die derart rasant sind, dass sie uns die Resultate der historischen Rennen für kurze Zeit vergessen lassen. Kurz: Rush ist ein durch und durch empfehlenswerter, unkonventioneller Rennsportfilm, der sich mit der Zeit zu einem äusserst gelungenen und unglaublich witzigen Buddy-Movie entwickelt.

 

  • Rush (USA / Deutschland 2013)
  • Regie: Ron Howard
  • Drehbuch: Peter Morgan
  • Darsteller: Daniel Brühl, Chris Hemsworth, Olivia Wilde, Alexandra Maria Lara, Pierfrancesco Favino
  • Laufzeit: ca. 123 Minuten
  • Kinostart: 10. Oktober 2013

 

Tanja Lipak / Do, 10. Okt 2013