Harte Probe für eine Freundschaft

Moviekritik: Little Birds

Mit Little Birds läuft am ZFF ein liebevolles Coming-Of-Age-Movie, das nicht zuletzt dank einer eigentlich simplen Geschichte, die viele Fragen über Freundschaft aufwirft, überzeugen kann.


Die Little Birds und der symbolische Graben zwischen ihnen.


Lily und Alison sind das, was man als beste Freundinnen bezeichnen kann. In einer kleinen Stadt, irgendwo im kalifornischen Nirgendwo, schlagen sie die Tage tot und träumen von einem besseren Leben. Besonders Lily hat das Leben mit ihrer alleinerziehenden Mutter satt. Eines Tages lernt sie den Skater Jesse kennen, der auf der Durchreise ist und sie nach Los Angeles einlädt. Erst zögert sie, wenig später beschliesst sie ihm zu folgen. Alison ist vom Plan wenig begeistert, aber viel zu loyal, um ihre Freundin im Stich zu lassen. Schnell wird ein Auto „ausgeliehen“ und schon sind die beiden jungen Frauen weg. Der Trip fäng harmlos an, stellt die Freundschaft allerdings schnell auf eine harte Probe.

 

„Es ist nicht hier!“

Auf die Frage “Was ist an L.A. so toll?” gibt es für Lily nur eine richtige Antwort: “Es ist nicht hier!” Zum Teil schwingt in dieser Aussage Trotz mit, andererseits aber auch echte Resignation und seelisches Leiden. Lily (verkörpert von der talentierten Juno Temple, die unter anderem in Atonement zu sehen war) verletzt sich selbst, romantisiert Selbstmordphantasien und scheint generell nicht viel vom Leben zu halten. Sie verschliesst sich sofort, wenn es jemand gut mit ihr meint. Nähe lässt sie einzig von Alison zu. Alison (gespielt von Kay Panabaker, die zum Cast von Fame gehörte) ist in vielen Punkten das pure Gegenteil. Sie ist weit weniger hedonistisch, denkt bevor sie handelt und fühlt sich in der Kleinstadtidylle eigentlich ziemlich wohl. Die Gegensätze zwischen den Freundinnen sind es, die der Geschichte ihren Reiz geben.

 

Wer nicht fliegt, fährt Fahrrad.

Der Film spielt aber auch mit philosophischen Fragen. Bis zu welchen Punkt darf eine Freundschaft gehen? Wo ist Schluss? Was muss man sich gefallen lassen? Wirklich neu sind diese Fragen natürlich nicht. Aber diesen Anspruch erhebt der Film zu keinem Zeitpunkt. Der amerikanische Regisseur Elgin James will mit seinem ersten Spielfilm einzig eine glaubhafte und sehr ehrliche Geschichte erzählen. Dies gelingt ihm, weil sämtliche Figuren nie wie Klischees wirken, sondern eher wie Menschen, die einem so überall auf der Welt begegnen könnten. Lily und Alison scheinen nicht altklug, sondern handeln oft unüberlegt und darum plausibel. Auch wenn man gelegentlich nur den Kopf schütteln kann, wirkt kein Storytwist unglaubwürdig.

 

Plädoyer für Freundschaft


Dazu kommen fein komponierte Bilder von der kalifornischen Einöde und dem diese kontrastierenden Los Angeles sowie ein Soundtrack voller sensibler, ruhiger und passender Songs. Wenn beispielsweise Tift Merritt zum Schluss die „Little Birds“ mit dem gleichnamigen Song in die Credits entlässt, wirkt ihre Stimme tröstend und ermutigend zugleich. Das passt wiederum zu den kleinen Gesten im Film. So wird ein Plastikring, mit dem normalerweise Six-Packs gebündelt werden, zu einem wertvollen Armreif, weil sich Alison und Lily dadurch verbunden fühlen. Der Film ist ein packendes Plädoyer für Freundschaft, für die Wertschätzung der eigenen Lebensumstände und was fast noch wichtiger ist, für das eigene Selbstbewusstsein.

 

  • Little Birds (USA 2011)
  • Regie: Elgin James
  • Darsteller: Juno Temple (Lily), Kay Panabaker (Alison), Kate Bosworth (Bonnie), Leslie Mann (Margaret)
  • Filmlänge: 96min
  • Kinostart: voraussichtlich im Sommer 2012

 

 

Bildquelle: Zurich Film Fesival Official Pressebilder

Patrick Holenstein / Do, 10. Nov 2011