Sean Penn kreuzt Robert Smith mit Ozzy Osbourne

Moviekritik: This Must Be The Place
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Zurichfilmfestival.org

„Es gibt viele Wege zu sterben. Der schlimmste ist, weiterzuleben.“ Dies sagt Cheyenne im neuen Film von Paolo Sorrentino und bringt damit den Ausgangspunkt zynisch auf den Punkt. Was sich daraus entwickelt, ist ein unterhaltsamer Roadtrip voller Ironie, Witz und einem brillanten Sean Penn.

 

Penn trägt den Film eigentlich alleine. Er spielt Cheyenne, einen alternden Rockstar, der sich einst mit Leuten wie Mick Jagger oder Talking-Heads-Mastermind David Byrne die Bühne teilte und sich im Rampenlicht sonnte. Heute lebt er zurückgezogen mit Frau Jane, die als Feuerwehrfrau Häuser aufbricht, auf einem riesigen Anwesen mit leerem Pool, der gleichzeitig als Sinnbild für die Leere in seinem Leben dient. Die Karriere hat er längst beendet, weil sich Jahre zuvor zwei Fans das Leben genommen haben. Cheyenne fühlt sich dafür verantwortlich. „Ich machte depressive Musik für depressive Kids“, betont er und ergänzt resigniert, dass er jetzt einmal die Woche einen Besuch auf dem Friedhof machen würde, um seine Schuldgefühle zu beruhigen. Als dann noch sein Vater stirbt und er auf der Beerdigung erfährt, dass einer von dessen KZ-Peinigern noch immer unter falschem Namen in den USA lebt, beschliesst Cheyenne, den Ex-Nazi zu finden und zur Rede zu stellen.


 


Ein Lippenstift fährt kraftlos über raue Lippen. Mehr gequält als begeistert beschmiert jemand Fingernägel mit Lack. Gekonnt wird Kajal aufgetragen, in aller Ruhe die Haut geschminkt und die schwarzen Haare in gewollt zerzauste Unordnung gebracht. Der erste Auftritt von Sean Penn in der Rolle als Rockstar-Wrack sorgt für Staunen und einige herzliche Lacher - Mut zur Hässlichkeit nennt man das wohl. Wobei Penn seine Figur mit so viel Sorgfalt und Perfektion spielt, dass der glasige Blick, jedes Wort, das er mit tuntiger Fistelstimme spricht, und der betont bedrückt wirkende Gang – trotz der Tragik - für sehr viel Spass sorgen. Die Rolle von Cheyenne wurde Sean Penn wortwörtlich auf den Leib geschrieben. Penn hat nämlich den italienischen Regisseur Paolo Sorrentino wegen einer Zusammenarbeit kontaktiert, und daraus entstand dieser Film.

 

Über Sean Penn freut man sich als Zuschauer

 

In der Figur des alternden Rockstars findet man problemlos Anlehnungen an reale Rockstars. Die Frisur ist offensichtlich vom The-Cure-Kopf Robert Smith ausgeliehen, der Gang bei Ozzy Osbourne abgeschaut, und der Kleidungsstil erinnert an die halbe Glam-Rock-Ära, also an Leute wie T.Rex-Frontmann Marc Bolan. 
Der erste englischsprachige Film von Paolo Sorrentino, der mit der preisgekrönten Politsatire ‚Il Divo‘ bereits Erfolge feiern konnte, ist ein herrliches Filmvergnügen. Der Wortwitz ist bissig, die schrulligen Eigenheiten der Figuren sind zum Schiessen und die Storywendungen nicht selten bizarr. Neben Sean Penn, der mit der Darstellung von Cheyenne eine weitere Glanzleistung abliefert, freut man sich als Zuschauer über Nebenrollen und Gastauftritte von Charakterköpfen wie Frances McDormand, Harry Dean Stanton, Judd Hirsch und David Byrne (der sich selbst spielt).


‚This Must Be The Place‘ nähert sich den Figuren mit viel Ironie und bitterbösem Sarkasmus, vermeidet aber, sie der Lächerlichkeit preiszugeben. Über die vielen schrägen Macken und Eigenheiten der Figuren baut man als Zuschauer sofort eine emotionale Bindung auf, und nach zwei Stunden lässt man Cheyenne nur ungern wieder los. Vielleicht liegt hier das grosse Geheimnis dieses Films, der durchaus das Potential zum Kultstreifen hat.


  • This Must Be The Place (IT/FR/IE 2011)
  • Regie: Paolo Sorrentino
  • Darsteller: Sean Penn, Frances McDormand, Judd Hirsch
  • Laufzeit: 118min
  • Kinostart: 10. November 2011
Patrick Holenstein / So, 05. Feb 2012