Der missratene Pate

Moviekritik: A Most Violent Year
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Im Verleih von Ascot Elite

Die Mafia hat New York 1981 fest in ihren Händen. Kein Geschäftsmann schafft es -  trotz eiserner Moral und Ethik – auf der rechtschaffenden Seite des Gesetzes zu bleiben. Keiner, ausser Abel Morales (Oscar Isaac, «Drive», «Inside Llewin Davis»). Der Bezin-Zwischenhändler hat sich in kurzer Zeit zu einem der angesehensten Geschäftsmänner in seiner Branche hochgearbeitet. Und wo viel Erfolg ist, dort gibt es auch viele Neider. So werden Morales Oel-Lieferungen häufig überfallen. Von der Polizei ist keine Hilfe zu erwarten, schlimmer noch, die Ordnungshüter, angeführt duch Poliezeichef Lawrence (David Oyelowo «Interstellar»), ermitteln gegen Morales mit dem Verdacht auf Korruption und Steuerbetrug. In dieser schwierigen Zeit steht Abel vor allem seine Frau Anna (Jessica Chastain, «Interstellar», «Zero Dark Thirty»), die die Buchhaltung der Firma betreut, zur Seite. Aber als auch sie anfängt die Bilanzen neu zu schreiben und Kisten voller Dokumente vor der Polizei versteckt, weiss Abel langsam auch nicht mehr, wo ihm sein «korrekter» Kompass genau hinführt.

 

 

 

Als Filmemacher J.C. Chandor uns vor 4 Jahren sein Debut mit «Margin Call» präsentierte, sahen viele sein Talent, doch keiner wusste genau, wie viel davon Anfängerglück war. Nach dem letztjährigen Erfolg mit «All is lost», in welchem er Robert Redford als einsamen Segler im Meer aussetzte, war jedoch klar, dass J. C. Chandor gekommen ist, um zu bleiben. Das Drehbuch schrieb Chandor bei «A Most Violent Year» wie bei allen seinen Filmen selbst. Die Energie und Leidenschaft, Gelerntes umzusetzen und Gesehenes neu zu interpretieren, zieht sich wie ein roter Faden durch den ganzen Film. Die Einflüsse der grossen Gangsterfilme wie «Der Pate» oder «Goodfellas» (oder auch eine kurze Anlehung an «Casablanca» zum Schluss des Films) sind in jeder Minute spürbar und verhelfen und verhindern gleichzeitig den kommerziellen Erfolg des Films. Zum einen schöpft der Film aus seiner dichten Atmosphäre und einer ruhigen, sich langsam zuspitzenden Story, wirkt aber dadurch im Vergleich zu seinen heutigen Konkurrenten eher «altbacken». Altbacken hätte der Film wohl eher noch durch seine primäre Besetzung - bestehend aus Javier Bardem und Charlize Theron - gewirkt. Mit Isaac und Chastain wirkt der Film aufgrund der jüngeren Charaktere authentischer. Ein Enddreissiger sucht im schlimmsten Verbrecherjahr von New Yorks Geschichte eher noch nach einer idealen Lösung. Bardem wäre deutlich zu alt gewesen, um die Glaubwürdigkeit von Abels Charakter aufrecht halten zu können. Seine Wandelkunst verblüfft erneut und die völlige Ingoranz dieses Werks an der diesjährigen Oscarverleihung überrascht stark.  

 

 

 

Vielleicht liegt es aber auch an einem schlechten alten Omen. So wurde «Drive», in welchem Isaacs als Carey Mulligans Knastmann mit Namen Standard sein Debüt gab, anno dazumal ebenfalls völlig von der Academy ignoriert. In «A Most Violent Year» bezieht sich Chandor aber ganz deutlich auf «Drive» und taufte die LKW-Firma, die das Benzin transportiert auf den Namen «Standard». Anspielungen, und verspielte Details wie diese, gibt es einige und die werden alle an dieser Stelle nicht verraten.

 

 

 

Ein Film der sich Zeit lässt und für den es sich auch lohnt, Zeit zu nehmen. Brilliante Darsteller, eine bittersüsse Story und eine grosse Verbeugung vor den Gangsterfilmen der 80er. Und Casablanca. 

 

 

  • A Most Violent Year (2014)
  • Regie & Drehbuch: J.C. Chandor
  • Besetzung: Oscar Isaacs, Jessica Chastain, David Oyelowo, Alessandro Nivola
  • Dauer: 125 Minuten
  • Kinostart: 9. April 2015

 

Bilder: Im Verleih von Ascot Elite

Tanja Lipak / Di, 07. Apr 2015