Die Evolution frisst ihre Kinder

Movie-Kritik: Ex Machina
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© Universal Pictures International Switzerland.

Der 26-jährige Caleb (Domhnall Gleeson) glaubt es kaum: Bei einer firmeninternen Lotterie gewinnt er eine Woche Urlaub mit dem CEO, den kaum einer der Angestellten je gesehen hat. Firmenoberhaupt Nathan (Oscar Isaac) lebt zurückgezogen irgendwo in der Wildnis, und so wird Caleb per Hubschrauber über ewiges Eis und üppig bewachsene Hügelketten geflogen. Endlos scheinende, unberührte Weiten, die allesamt Nathan gehören - der Besitz von wildwuchernder Natur als letzte Zuflucht in der heutigen, technologisierten Welt. Von aussen kaum zu sehen, ist Nathans Bleibe im Innern eine wahre Designhöhle: Viel Glas trifft auf kühlen Stein, an der Wand hängt Pollock. Die etwas dick aufgetragene Nonchalance seines Gastgebers verunsichert Caleb, und bald ist klar, was der eigentliche Grund für seinen Besuch ist: Ava (Alicia Vikander) ist ein sorgfältig verwahrter Roboter, ausgestattet mit künstlicher Intelligenz und einem menschlichen Gesicht, schön wie die Morgenröte. 

 

Die künstliche Intelligenz Ava. 

 

Innerhalb einer Woche soll Caleb in der Interaktion mit Ava beurteilen, ob ihr künstliches Bewusstsein Mängel aufweist. Nathan beobachtet alles per Überwachungskamera und führt abends betont joviale Gespräche mit dem kaum jüngeren Gast. Schnell ist klar: Der Firmenchef ist hochintelligent, und damit auch furchteinflössend unberechenbar. Gleichzeitig geniesst Caleb die Gespräche mit Ava zunehmend und beginnt zu vergessen, dass ihm da kein Mensch gegenüber sitzt. Dabei muss er sich stets fragen, ob Avas Emotionen tatsächlich echt sein können oder nur imitiert sind. Caleb, zusehends misstrauischer, weiss bald nicht mehr, wem er vertrauen kann. Als ihm Ava schliesslich rät, dem undurchsichtigen CEO nicht zu vertrauen, verschafft er sich Zugang zu dessen Computer - und findet erschreckende Videoaufnahmen von Avas Vorgängerversionen. Damit ist für Caleb klar: Er muss Ava retten, bevor sie zugunsten der nächsten Version ausgeschaltet wird. Doch der Fluchtplan scheitert und die Situation eskaliert: Es kommt zum dramatischen Kampf zwischen Mensch und Maschine - und nur einer der Protagonisten kann schlussendlich das Anwesen verlassen. 

 

Was passiert mit den Daten im Netz? 

 

Regisseur Alex Garland («28 Days later», «Dredd») ist ein grandioses Kammerspiel über die nicht allzu weit entfernte Zukunft gelungen. «Ex Machina» zeigt den Faktor Menschlichkeit und die daraus entstehende Verletzbarkeit gegenüber einer künstlichen Intelligenz authentisch, ohne in überzeichnete Science Fiction-Klischees zu verfallen. Dass der kühl kalkulierende Firmenchef die Daten seiner Suchmaschine «Blue Book», welche 94% aller Suchabfragen im Internet abdeckt, als Software für die künstliche Intelligenz seiner Roboter verwendet, ist ironischer Seitenhieb und mahnender Zeigefinger zugleich: Es ist kein Geheimnis, dass kaum einer noch den Überblick über die riesigen Datenmengen hat, die tagtäglich online kursieren. Dass es da draussen tatsächlich den einen oder anderen Nathan gibt, der fragwürdige Experimente mit der stetig wachsenden Big Data anstellt, ist so gut wie sicher. 

 

Caleb und sein Boss im Eis. Vielleicht die Festung der Einsamkeit?

 

Oscar Isaac spielt den hochintelligenten Nathan brilliant und mit leisem Humor, während Domhnall Gleeson überaus glaubwürdig ist als ahnungsloser Spielball Caleb, der sich mittels Rasierklinge versichern muss, dass er noch ein Mensch ist - und am Ende eine fatale Entscheidung trifft. Alles in Allem ist «Ex Machina» ein absolut sehenswerter Film für alle, die sich schon einmal gefragt haben, ob sie vielleicht doch durch die Handykamera beobachtet werden.

 

Brillantes Kammerspiel ohne überzeichnete Science Fiction-Klischees, das zum Nachdenken über Mensch und Technologie anregt. 

  • Ex Machina (UK 2015)
  • Regie & Drehbuch: Alex Garland
  • Darsteller: Alicia Vikander, Domhnall Gleeson, Oscar Isaac
  • Laufzeit: 108 Minuten
  • Kinostart: 23. April 2015

 

Bilder: © Universal Pictures International Switzerland. All Rights Reserved.

Tamara Schuler / Mi, 22. Apr 2015