«Darling, lass uns einen Film drehen»

Erlebnisbericht: Kultmoviegang-Screening
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Kultmoviegang

Seit einer Weile bekomme ich von Kollegen diesen einen skeptischen Blick - inklusive obligater hochgezogener Braue - wenn ich verkünde, mir einen schlechten Film im Kino anschauen zu gehen. Viele denken ich würde wieder einen «normalen» Film einfach subjektiv zerreissen. Wenn ich dann verkünde, dass es sich um einen «hochoffiziell» schlechten Film handelt und genau dies eben der Clou an der Sache sei, werden sie hellhörig. Die Detailangaben, welche ich dann erzähle, gehen in etwa so: Diese besonderen Kinoabende werden von der «Kultmoviegang» organisiert. Der Kopf der Truppe, Ronny Kupferschmid, ist besessen von trashiger Filmkultur. Ziel der regelmässigen Veranstaltung ist es, mit einem Bier in der Hand und den Kumpels nebendan den gezeigten Film in voller Länge zu zerreissen. Verhaltensauffälligkeiten, die beim gewöhnlichen Kinobesuch eher störend wahrgenommen werden, wie lautes Popcorn-mampfen, lautstarke Kommentare in den Saal brüllen, Plüschtiere und andere Utensilien im Saal herumwerfen - während der Vorstellung versteht sich – sind Teil der Sache und werden gefordert. Ein 4D-Kinoerlebnis sozusagen.

 

Die Zuschauer, zum Teil noch mit Vogelschnäbeln. 

 

In einer Zeit, in der Selbstoptimierung sowie Perfektionswahn als erstrebenswerte Werte betrachtet werden, gilt es fast als Akt der Rebellion, dem Misslungenen, Gescheiterten und Erfolglosem Zeit und Aufmerksamkeit zu schenken. Gefeiert werden die Desaster anderer Filmfreaks, wie zuletzt James Nguyens «Birdemic 2». Der US-Amerikaner ist ein wahrer Filmfan, gründete moviehead.com und versucht sich alle paar Jahre als Regisseur. Der studierte Informatiker und Philosoph hat sich das Filmemachen als Autodidakt selbst beigebracht und erlangt insbesondere aufgrund des ersten «Birdemic» Teils grosse Aufmerksamkeit. Der Film war so schlecht, dass ihn alle sehen wollten, selbst der Tagesanzeiger berichtete darüber. Die Kultmoviegang-Vorstellung der Fortsetzung «Birdemic 2» füllte Ende März entsprechend den Kinosaal in Bern. Es wurde viel gelacht und gespasst. Am Merchandising Stand vor dem Saal wurden originale Film-Shirts und andere Utensilien gegen kleine Spenden verschenkt. Alle Besucher trugen – freiwillig – Vogelschnäbel aus Papier vor dem Gesicht. An der Bar wurde ein «Birdemic» Shot ausgeschenkt und im Saal bewarf sich das Publikum während der Aufführung mit Plüschvögeln. Dem inneren Kind wurde reichlich Zeit eingeräumt.

 

Auch im Barbereich sind «Die Vögel» klar zu erkennen. 

 

Um darum geht es irgendwie schlussendlich auch. Loslassen, sich amüsieren, die gemeinsame Passion für Film und deren Misserfolg zu feiern. Sich und den gezeigten Film nicht zu ernst zu nehmen. Und den grossen Respekt vor der Filmkunst vielleicht ein wenig zu verlieren. Beim Nachhausegehen innehalten und sagen «Darling, lass und einen Film drehen».

 

Die nächste Kultmoviegang Vorstellung mit dem Screening von «Hard Ticket to Hawaii» findet am 19. Mai in Bern statt. Bäckstage verlost ab Anfang Mai Tickets.

 

Tanja Lipak / Do, 28. Apr 2016