Emmaus - die Geschichte von vier Freunden und einer Frau

Buchkritik: Emmaus
Emmaus
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Ein namenloser Erzähler berichtet über sein Leben und das seiner drei Freunde Bobby, Luca und Santo. Mit ihren sechzehn, siebzehn Jahren stehen die vier in einem Leben, das sie bis anhin nie hinterfragt haben. Sie wachsen bei ihren Eltern in katholischen, kleinbürgerlichen, fast schon spiessigen Verhältnissen auf, gehen zur Schule, spielen mit ihrer eigenen Band zur Messe in der Kirche und helfen regelmässig in einem Männerkrankenhaus aus. Nie haben sie über das «Warum» nachgedacht - warum sie diese selbstlosen Taten tun. Sie bekommen diese Lebensweise vorgelebt. Es ist normal.

 

Stolz und schön, doch beim zweiten Hinschauen einsam und alleingelassen

 

Mit der hübschen, verführerischen Andre zeigt sich im gleichen Atemzug das Leben der Reichen: Stolz und schön, doch beim zweiten Hinschauen einsam und alleingelassen. Einer nach dem anderen verfällt Andres Zauber und findet sich zwischen zwei Welten wieder. Welches Tun und Handeln ist nun richtig? Soll man etwas Neues wagen oder doch besser auf dem alten, bekannten Weg weitergehen? In einer fast kindlichen Unschuld und Unerfahrenheit fängt der Erzähler an zu hinterfragen. Unbeholfen hin- und hergerissen zwischen Schuldgefühlen, der eigenen Sexualität und dem Glauben.

 

Erst ist Andre für die vier Jungs nur eine wunderschöne Erscheinung aus der Ferne. Man sieht, beobachtet, redet über sie und träumt von ihr. Dies im vollen Bewusstsein darüber, dass Andre von ihrer Existenz weder weiss noch je einen von den Vieren wahrgenommen hat. Jeder versucht sich auf seine eigene Art und Weise Andre zu nähern, womit die vier langsam aber stetig einen Keil zwischen ihre Freundschaft treiben. Schleichend entfernen sie sich immer weiter voneinander. Auf unterschiedliche Weise kommen Leid und Tod über die Freunde. Das Leben entgleitet ihnen und jeder findet sich am Schluss vor einem Scherbenhaufen wieder. Erst versucht der Erzähler noch alles zusammenzuhalten - die aufgehäuften Scherben wieder zusammenzufügen. Doch bei so vielen Scherben fällt das Zusammensetzen schwer.

 

Unbeholfen hin- und hergerissen zwischen Schuldgefühlen, der eigenen Sexualität und dem Glauben

 

Alessandro Baricco‘s «Emmaus» ist eine kurze, spannende Erzählung, die einen in seinen Bann zieht und den Schluss nicht erahnen lässt. Die Sätze sind teilweise kurz und knapp verfasst und das Erzählte hat nicht immer auf Anhieb Sinn. Alessandro Baricco hat einen sehr eigenen, aber durchwegs interessanten Schreibstil. Der Leser wird sicherlich nicht enttäuscht und an der einen oder anderen Stelle sogar überrascht sein. Die Zeiten der Geschehnisse lassen sich von Anfang bis zum Schluss nur erahnen. Wie viel Zeit zwischen den Ereignissen liegt, ist nur vage angedeutet.

 

Die Geschichte wird im Jetzt erzählt mit ein paar Schilderungen aus der Vergangenheit. Das Jahr und das exakte Alter der vier Freunde ist nicht klar definiert und auch den Schluss lässt der Autor teilweise offen. So kann sich jeder Leser selbst ein bisschen kreative Freiheit erlauben und die Geschichte so zu Ende schreiben, wie er es für richtig hält. Die Chance sollte man nutzen.

 

  • Buch: Emmaus
  • Autor: Alessandro Baricco
  • Verlag: Carl Hanser Verlag
  • ISBN: 978-3-446-23824-4
  • Italienische Originalausgabe: Veröffentlicht 2009
  • Deutsche Ausgabe: Veröffentlicht Februar 2013
Carla Maria Cavazzutti / Do, 21. Mär 2013