Benjamin von Stuckrad-Barre & Martin Suter in Zürich

Lesung zu Alle sind so ernst geworden
Bildquelle: 
Pressebild / © Holger Martens

Benjamin von Stuckrad-Barre und Martin Suter sind in der Literaturszene als jeweilig feste Grössen bekannt. Der eine durch seine im Diogenes-Verlag erschienenen Werke wie «Small World» oder die «Allmen»-Krimiserie, der andere für allerlei Eskapaden und popliterarische Texte und Bücher (Buchtipp: «Panikherz»).

 

Beide leben oder hatten über mehrere Jahre in Zürich gelebt und sind eine Zeit lang sogar für die selbe Zeitschrift tätig gewesen (dazu später mehr), fanden bis vor kurzem aber nicht in Form einer schriftlichen Kollaboration zueinander. Mit «Alle sind so ernst geworden» (Diogenes) liegt nun ihr erstes gemeinsames Werk vor, welches im Rahmen einer Lesereise auch im Zürcher Volkshaus vorgestellt wurde. 

 

Aufgrund der kürzlich in der Schweiz verabschiedeten 3G-Regelung ist man beim Einlass auf alles gefasst. Trotz Schlange bis zum Stauffacher verläuft das Prozedere aber äusserst human, die Stimmung der Anwesenden gilt der Vorfreude auf den Abend.  

 

Auch die Hauptakteure passen sich an und betreten eine halbe Stunde nach geplantem Start den gut gefüllten Saal unter einem Mash-Up von Clubmusik (eine Frauenstimme wiederholt die Worte «Alle sind so ernst geworden» in Endlosschlaufe) und «Good Vibrations» der Beach Boys. 

 

Es folgt ein wilder Mix aus geteilten Erlebnissen, Werbeunterbrechungen von Martin Suter (ungewohnt tech-savvy) für seine Website und freundschaftliche Sticheleien, an keiner Stelle erschleicht einem das Gefühl, Teil eines durchstrukturierten Ablaufs zu sein.

 

Als roter Faden fungieren die gemeinsamen vorgetragenen Texte aus dem Buch,  - ursprünglich als Podcast für Suters Website aufgenommen - welche die beiden Herren immer wieder zum «eigentlichen» Teil der Lesung zurückholen. «Eigentlich» darum, da kurzerhand ein Leserbrief einer vergangenen Veranstaltung von Stuckrad-Barre vorgetragen wird, welcher die Vorstellung als «jenseits von jeglicher Intelligenz» abstempelt und deren Verfasserin gar Schadenersatz von den beiden zurückverlangt. Unter amüsierten Gelächter wird auch die Antwort spitzbübisch von Martin Suter vorgelesen, in welcher die beiden gekonnt Stellung nehmen und sogar Kulanz bezüglich der Forderung walten lassen. Diese Vorgehensweise solle man heute aber unterlassen, witzeln die beiden ins Publikum.

 

Für seine Raucherpause lädt Benjamin von Stuckrad-Barre spontan alle Willigen dazu ein, ihm nach draussen zu folgen. Die Gruppe verläuft sich in den Irrungen des Volkshauses und ihr Anführer muss schliesslich feststellen, dass er seine heiss geliebten Menthol-Zigaretten drinnen vergessen hat. Zigaretten werden somit geteilt, Bücher signiert, Selfies geschossen und locker geplaudert. Von Stuckrad-Barre zeigt sich sichtlich interessiert und aufgeschlossen und lässt sich auf so manches Schwätzchen ein. In der Zwischenzeit nutzt Martin Suter die Zeit für ein paar Autogramme und verweist erneut auf seine Website. 

 

Je mehr Zeit verstreicht, desto flüssiger agieren die beiden und mischen gekonnt Lesungstexte mit Anekdoten zu Roger Köppel (von Stuckrad-Barre: «In meiner Zeit bei der Weltwoche war der noch nicht so drauf» - Suter: «Weisst du, der hat das damals gut versteckt») und intimen Details des Gegenübers. Man könnte ihnen noch lange so zuhören, haben die «verlorenen Söhne» von Zürich doch endlich mal in ihre Wahlstadt zurückgefunden. 

 

Zum Schluss wird das «leidige Zugabe-Gehabe» als «Folklore» betitelt und somit einfach weggelassen. Gemeinsam entscheiden sich die Autoren, mit ihrem Text «Geldscheine» aufzuhören, da dieser nur in Zürich in all seinen Nuancen verstanden werde. Hauptakteur darin ist eine Tausendernote, deren Sinn und Unsinn die beiden gekonnt auseinandernehmen. Mehr sei an dieser Stelle nicht verraten …

 

Wie eine orangene Badehose, eine Tausendernote und Anekdoten zu Roger Köppel ein Lesungsabend in einen gemütlichen Umtrunk verwandelten.

 

David Schaufelberger / Do, 23. Sep 2021