Flinke Zungen gerissener Linguisten

CD-Kritik: Cunnin Lynguists - Strange Journey
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Plattencover

Hip-Hop is dead. As dead as Rock’n’Roll, Punk, Funk, RnB, Jazz… allerdings ist nichts so tot wie Pop. Music is dead, so scheint es zumindest. Die Kids bestimmen den Markt und gewisse Schemata sind für Plattenfirmen dermassen lukrativ, dass es kaum Spielraum für Experimente gibt. Nur noch wenig wird ausprobiert in der kommerziellen Musikindustrie, die Majors setzen auf Stereotypen. 

 

Natürlich ist alles eine Frage der individuellen Auslegung und des Geschmacks, aber Miley Cyrus, Katy Perry, Justin Bieber usw. sind das nicht, die sind höchstens austauschbar. Künstler wie Lorde oder Kendrick Lamar hingegen sind echter, versuchen mit ihrer Musik, die jeweiligen Genres zu reanimieren. Nur damit das passieren kann, muss ein Umdenken stattfinden bei den Hörern, mindestens bei denen, die denken. Glücklicherweise ist man heutzutage nicht mehr angewiesen auf MTV, Viva und Co. sonst bekäme man wirklich das Gefühl, alle oder die meisten biochemischen Vorgänge innerhalb der Musik seien zum Erliegen gekommen. Es gibt so viel Einzigartiges, Experimentelles und Originelles zu entdecken im Kosmos unseres geliebten Netzes. Da leben alle Genres noch, einfach im Untergrund. Inzwischen kann jeder, der fähig ist Aufnahmen zu machen, seine Musik auf Portalen wie Soundcloud online stellen, auf YouTube promoten und mit der gesamten Welt teilen. Dies hilft vor allem den unbekannteren Interpreten, doch auch immer mehr bekanntere Künstler nutzen diese Kanäle; eine Antibewegung zum kommerziellen Vertrieb, könnte man sagen. 

 

Die Cunnin Lynguists, bestehend aus den MC‘s Natti und Deacon The Villain sowie Beatproduzent KNO, veröffentlichten ihr neues Album vorerst nur auf Bandcamp, wo es bis zum 1. April kostenlos bzw. zu einem selbst festzulegenden Preis heruntergeladen werden kann. Das Rap-Trio hat das Subgenre Alternative-Hip Hop entscheidend mitgeprägt. Evident ihr Sound: Samples aus Psychedelic, Rock, Jazz, Klassik- und Acoustic-Music, harmonisch übereinander gemischt, mit satten Beats unterlegt und lyrischen und teilweise auch melodischen Raps perfektioniert. Für den CL-Neuling werden sich die Stücke sehr außergewöhnlich anhören, ein Kenner fühlt sich sofort an Szeneklassiker wie „Will Rap For Food“ oder „Southern Underground“ erinnert. «Beyond The Sun» ist ein sehr typischer Song für die Jungs aus Lexington, Kentucky und Atlanta, Georgia. Sphärisch, fast episch, der Beat mit erstklassiger Wortakrobatik von den beiden MC‘s und Rap-Star J-Live. In «Dying Breed», ebenfalls ein charakteristischer Song für die Linguisten, stimmen Deacon und Natti im Chorus auch mal voluminösere Töne an, setzen gesangliche Akzente insgesamt aber nur sehr dosiert ein, schließlich geht es um Rap-Music. «In The City» feat. Zion I Rapper Zumbi und «The Format» feat. Masta Ace & Mr. SOS, wahre Perlen des Albums, alles im gewohnten Stil, was nichts Schlechtes bedeuten muss, allerdings auch nichts Neues. Wer seit Jahren innovative Musik produziert, könnte wohl nur mit monotoneren Scheiben auffallen und das käme etwas paradox - hör ich da Coldplay und Downtempo? 

 

«Strange Journey Vol. 3» ist kein Meisterwerk, insofern so etwas noch existieren sollte, zu sehr hat man die Eingebung, alles schon in anderen Varianten gehört zu haben. Dennoch ein Goldstück beattechnischer Schmiedekunst und lyrischer Sprachgewalt. Rap-Begeisterte sollten definitiv reinhören, immerhin kommt man legal an eine kostenlose Kopie.

 

 

Alexander Schenker / So, 30. Mär 2014