Xela Wie: «Ich mache immer das, worauf ich Lust habe»

Interview mit Xela Wie
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Pressebild / ©Xela Wie

Sein Sound entwickelt er sehr bewusst ständig weiter, Genres kennt Xela Wie sowieso nicht und seine Texte gehen oft tief, sind persönlich und haben Rückgrat. Wir haben dem deutschen Musiker ein paar Fragen gestellt und dabei die neue Single «Avril», aber auch die Arbeit als Künstler, Sprache als Werkzeug sowie die Finanzierung des kommenden Albums thematisiert.

 

Für dein kommendes Album hast du eine Crowdfunding-Kampagne gemacht und das Ziel erreicht. Wie hast du die Kampagne erlebt?

 

Das war schon eine wahnsinnig intensive Zeit. Kurz vor Start des Crowdfundings hatte ich auf einmal große Zweifel, ob das die richtige Entscheidung war, begleitet von der Frage, wie ich mit einem eventuellen Scheitern umgehen soll. Das Crowdfunding hat dann einen super Start gehabt und in den ersten paar Tagen war ich komplett überwältigt von dem Support, den ich erfahren durfte. Dann ist der Ukraine-Krieg ausgebrochen und für mich hat sich die Frage gestellt, wie ich damit umgehen soll, weil auch auf einmal überall Spenden für die Ukraine gesammelt wurden – und ich zu diesem Zeitpunkt schon auf tausenden Euros saß. Es gab die ernsthafte Überlegung, das ganze Projekt komplett abzublasen. Ich habe dann aber eine Lösung gefunden, die sich für mich gut angefühlt hat und mir war am Ende des Crowdfundings möglich, einen großen Teil der gesammelten Summe an die Mission Lifeline zu spenden. Insgesamt war es eine Achterbahnfahrt und auch viel Arbeit, die jetzt noch weitergeht, weil ich gerade dabei bin die ganzen Pakete zu packen und zu verschicken.

 

Wie weit bist du mit der Arbeit am Album?

 

Ich glaube wir sind so bei 7-8 mehr oder weniger fertigen Songs. Das Problem ist, dass ich andauernd Dinge nochmal ändern möchte oder unzufrieden bin, das zieht es gerade etwas in die Länge, deshalb fällt es mir schwer zu sagen an welchem Punkt wir gerade sind. Auf jeden Fall arbeite ich so oft es geht im Studio mit Phil, meinem Produzenten, an den neuen Songs.

 

«Wenn ich einmal zum silbenzählenden Nerd werde, auf der Suche nach einer guten Reimkette, dann lass ich nicht locker.»

 

Deine Texte sind ein teilweise hart und traurig, aber schon ein deutliches Markenzeichen. Etwa beim Song «Maniac», wo du über Selbstzweifel und Manische Depression singst. Wie gehst du an so ein Thema heran?

 

Oft schreibe ich in den Phasen, in denen es mir besser geht über die Phasen, in denen es mir nicht so gut geht. Bei Songs wie «Maniac» gibt es nicht, wie bei anderen Songs, den Punkt wo ich sage: «Okay heute schreibe ich mal über das Thema». Da merke ich eher beim Schreiben, dass da was ist, was noch in mir arbeitet, was raus muss. Das ist dann für mich eine kathartische Erfahrung, wenn man so will. Ich stelle mir oft beim Schreiben die Frage, was sind die Dinge, die ich einem Gespräch niemandem erzählen würde, was ist mir unangenehm, vielleicht sogar peinlich. Darüber muss ich dann Songs schreiben.

 

Wie wichtig ist dir die Sprache? Bist du jemand, der lange nach richtigen Worten sucht und allenfalls auch mal Zeilen verwirft?

 

Permanent. Bei «Maniac» nicht, den habe ich echt so runtergeschrieben, ich glaube das merkt man auch. Aber wenn ich einmal zum silbenzählenden Nerd werde, auf der Suche nach einer guten Reimkette, dann lass ich nicht locker. Sprachästhetik ist auch wichtig, es gibt Wörter, die transportieren alleine über die Phonetik einen Vibe und andere die killen alles.

 

Etwas entspannter ist deine neue Single «Avril», wo du die Sängerin Avril LaVigne quasi als Rettungsanker nutzt, um Herzschmerz zu entfliehen. Wieso fiel die Wahl auf Avril LaVigne?

 

Ich war in Berlin bei einer Session, in die ich reinging, ohne einen Plan zu haben über was ich schreiben möchte. Als ich mich dann mit Phil (Sunday), dem Produzenten und Co-Writer des Songs, unterhalten habe, erzählte ich ihm davon, dass ich geträumt hatte ich sei mit Avril auf einem Konzert gewesen, komplett unabhängig von der Session. Und er meinte sofort: Alter, lass darüber einen Song machen. Dann war auch sofort klar, dass es Pop Punk sein muss und es ging relativ flott.

 

Der Clip dazu ist eine kleine Ode an die frühen 2000er mit MTV und einer Aufbruchsstimmung ins neue Jahrtausend. Wie hast du selbst diese Zeit erlebt?

 

Das war einfach die Zeit, in der ich musikalisch geprägt wurde. Ich höre zwar auch viel neue Musik, aber damals habe ich angefangen Musik zu machen und mir viel abzuschauen bei meinen Lieblingsbands. Außerdem war die Zeit in Retrospektive um einiges unbeschwerter als heute, zumindest subjektiv. Ich glaube aber, das geht vielen so, deshalb war das Ziel ein Stück weit diese Unbeschwertheit auch über das visuelle rüberzubringen.

 

Xela Wie - «Avril»

 

Dazu passt dein offener Stilmix. Ich habe ein Zitat von dir gelesen, das lautet «Genre is dead». Wie konsequent gilt dieser Slogan für dich bzw. deine Musik?

 

Also erstmal glaube ich, dass der Claim nicht nur für mich gilt, sondern immer mehr auch allgemein. Schau dir alleine mal die Spotify Playlisten an, immer mehr gehen nicht mehr nach Genre, sondern einfach nach Vibe und Mood. Dann ist es so, dass sich auch die Jugend heute nicht mehr über ein bestimmtes Genre definiert, wo du am besten noch an der Kleidung ablesen kannst, ob jemand Metal oder Hip Hop hört. Für mich persönlich bedeutet «Genre is Dead» aber auch: Hab keine Erwartungen, wenn du meinen nächsten Song hörst, ich mache immer das, worauf ich Lust habe. Das war von Anfang an so und ich will mir das auch unbedingt beibehalten, so bleibt es immer aufregend und spannend für mich selbst aber auch für die Zuhörer:innen.

 

Um nochmals auf die Texte zu kommen. Immer wieder liest man, dass Texten hart sein kann. Wie empfindest du es, einen Text zu schreiben?

 

Es gibt Tage, das gehe ich ins Studio und schreibe vor Ort einen kompletten Song. Dann gibt es Songs, die liegen Monate rum, werden zehn Mal geändert und erscheinen dann doch nicht. Also es kann hart sein, kann aber auch manchmal echt einfach sein.

 

 

«Oft schreibe ich in den Phasen, in denen es mir besser geht über die Phasen, in denen es mir nicht so gut geht.»

 

 

Wie gehst du an Songs für ein Album heran? Schreibst du bewusst für dieses Album und folgst einem Roten Faden, auch bei den Lyrics, oder hast du eine Art Schublade, wo Songideen gesammelt sind und warten, bis ihre Zeit gekommen ist?

 

Ich will ein richtiges Album machen, was auf der einen Seite abwechslungsreich ist aber auch von vorne bis hinten durchzuhören ist. In den Sessions für das Album ist zum Beispiel auch der Song «Gaslight» entstanden, da war mir sofort klar, dass das eher eine Single ist, die unabhängig vom Album kommen muss. Ich habe mir auch viele Alben angehört, die ich selber feiere und was alle gemeinsam haben ist, dass sie nie eine bloße Ansammlung von Singles sind, sondern Gesamtkunstwerke. Deshalb ist es mir wichtig im Songwriting auch mal auszubrechen und Dinge zu tun, die du niemals machen würdest, wenn dein einziges Ziel ist einen Song zu schreiben, der auf Spotify funktioniert. Songs, die auch vielleicht erst nach mehrmaligem Hören zünden.

 

Du nutzt den Hashtag #xelafamilia. Wer gehört für dich in diese Familie?

 

Alle die mit meiner Musik connecten können, egal ob sie das lautstark tun, indem sie mich auf Social Media supporten oder zu meinen Konzerten kommen oder ich vielleicht noch nie von ihnen gehört habe, weil sie meine Musik im stillen Kämmerlein feiern und damit was verbinden können. Ich glaube, dass die Connection zu der Community, auch wenn sie noch etwas kleiner ist, vielleicht auch gerade deshalb, einzigartig ist. Und man muss auch ganz klar sagen, ohne die Community wäre es mir gar nicht möglich, so Musik zu machen wie ich es gerade tue. Und wie viel Power sie hat, das hat man am Crowdfunding gesehen.

 

Wenn man sich mit deiner Musik beschäftigt, fällt irgendwann der Name auf. Du selbst hat mal gesagt, es sei dein Zweitname Alex, einfach rückwärts. Je nach Aussprache könnte es aber auch das französische «C’est la vie» meinen, also «So ist das Leben», was dann irgendwie wieder auf deine Texte passt. Du singst über Themen, die das Leben vorgibt, und versuchst diese anzunehmen und etwas Gutes daraus zu ziehen, ohne Schuldzuweisungen. Oder täuscht dieser Eindruck?

 

Das trifft es ziemlich gut, mir ist es wichtig die Musik zu einem vulnerablen Ort für mich zu machen, an dem ich in der Lage sein darf alles zu sagen, was ich sonst niemals sagen würde. Und da gehört es dazu, dass ich auch zu meinen Fehlern und Schwächen stehe. Ich habe auch selber keine Lust, den ganzen Tag Musik zu hören, in der mir analog zu dem, was ich eh schon auf Social Media sehe, nur erzählt wird wie geil alles gerade ist, damit ich mich danach scheiße fühle, weil mein Leben gerade Chaos ist und ich nichts gebacken kriege. Das motiviert mich auch nicht. Hoffnung ist trotzdem sehr wichtig. Es muss immer die Möglichkeit geben, dass es besser wird, deshalb hoffe ich, dass du das auch in den düsteren Songs von mir finden kannst.

 

Wie geht das Jahr 2022 für dich weiter? Planst du Konzerte oder steht das Album komplett im Fokus?

 

Das Album ist im Fokus, aber es gibt trotzdem ein paar Festivaldates im Sommer. Am besten schaut ihr mal bei mir auf Instagram vorbei, da erfahrt ihr immer alles, was ihr wissen müsst.

 

(Das Interview wurde schriftlich geführt.)

 

 

Bäckstage Redaktion / Fr, 08. Jul 2022