Jake Isaac: Ich war an vielen dunklen Orten in meinem Leben.

Interview mit Jake Isaac
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Pressebild / © Victor Frankowski

Im Mai 2017 war Jake Isaac für ein Konzert in Zürich. Auf seiner Dezembertour machte der Musiker erneut Halt in der Limmatstadt, genauer genommen im Papiersaal, und widmete uns seine Zeit für ein Interview. Dass der Singer-Songwriter weiss, wie er das Publikum mit seinem Soul-Pop fesselt und wie er mit Natürlichkeit und Ehrlichkeit in den Texten begeistert, hat er uns kurz darauf an seinem Konzert bewiesen (Kritik). Während die Bühne im Papiersaal für den bevorstehenden Gig aufgebaut wurde, sassen wir backstage, sprachen über seine Erfahrungen auf der Tour mit Elton John, Schicksalsschläge und den Glauben. Der Brite erklärte uns zudem, weshalb er gerne in der Schweiz ist und was er über Veganer denkt.

  

Hey Jake, wie geht’s dir? Wie geht es deiner Familie? 

Sehr gut danke. Und dir?

 

Auch gut, danke. Wie ist es für dich, zurück in der Schweiz zu sein? 

Abgefahren. Ich kann mich nicht mehr erinnern, wie viele Tickets wir letztes Mal verkauft haben, aber ich denke, dass es dieses Mal mehr waren.  

Die Location ist auch ein bisschen grösser, oder? 

Vielleicht ein kleines bisschen grösser. Ich habe das Gefühl, dass sich in der Schweiz etwas aufbaut. Ich habe nicht viele Konzerte hier gegeben, aber die, die ich hatte, haben sich publikumsmässig immer weiter ausgedehnt. Ich arbeite zurzeit an neuer Musik und werde sehen, wie sich das entwickelt. Aber ja, es baut sich etwas auf. Und ich möchte hart arbeiten dafür. Nächstes Mal wenn ich hier bin, möchte ich in eine grössere Location. Vielleicht in Bern, Lausanne und Zürich.  

Das wäre genial. Du warst ja letztes Mal auch schon in Lausanne. 

Ja, genau. Wir bauen etwas auf und an diese Orte möchte ich zurückkehren. Es ist schön, hier zu sein und der ganze Schnee ist einfach verrückt. Wenn das hier in England passieren würde, dann wäre der Gig heute Abend gestrichen.  

Wirklich? 

Komm schon, natürlich. 

 

Wenn ich so darüber nachdenke, flippen viele Engländer bereits aus, wenn sie nur schon 2cm Schnee vor der Haustüre haben. Wir in der Schweiz sind uns das gewohnt. Das, was hier in Zürich liegt, ist nicht viel für uns.

 

In England ist das anders. Beginnt es zu schneien, liegt alles andere lahm. Ich liebe es, wieder zurück in der Schweiz zu sein.

 

Gibt es Unterschiede zwischen den Shows vor dem Albumrelease im Mai und denen danach?

 

Ja, die gibt es. Ich habe zum Beispiel bemerkt, dass die Leute mehr von meinen Songs kennen.

 

Also singen sie fleissig mit? 

Yeah, das zeigt mir, dass sie das Album hören. Das ist wunderbar. Auch gestreamt wird häufig und immer öfters, was auch sehr cool ist. Ich denke, das ist der grösste Unterschied. Die Leute kommen tatsächlich an meine Shows, weil sie mich kennen. Klar, da sind auch einige dabei, die einfach mitbekommen haben, dass in der Nähe ein Konzert ist und sie haben Lust darauf. Aber viel mehr entscheiden sich bewusst dazu, an mein Konzert zu kommen, sie wissen, dass wir auftreten und kommen wegen uns und nicht, weil sie von Freunden mitgeschleppt werden.  

Das ist wirklich toll und es freut mich für dich. 

Da draussen ist viel, wofür ich sehr dankbar bin.

 

Dieses Jahr war total verrückt, es war eine Menge los. Nur schon die letzten Monate. Ich war in Dubai, in Hamburg habe ich für Stephanie Heinzmann geschrieben, dann waren wir in Johannisburg, und so weiter.

 

Wie war denn die Tour mit Elton John im Sommer? 

Irre! Es war anstrengend, weil wir in Arenen und Stadien gespielt haben. Gleichzeitig war es aber auch eine grossartige und lehrreiche Erfahrung für mich. Nur schon, wenn ich Elton und seinem Team zugeschaut habe. Wie machen sie die Shows? Was gehört alles dazu? So habe ich auch viel über mich selbst gelernt; als ein Frontmann, als ein Artist, als jemand, der versucht, andere Musiker zu leiten. Auch als jemand, der ein Team leitet – sowohl auf als auch hinter der Bühne. Zudem habe ich gelernt, unter Druck zu arbeiten. Jeden Tag bist du da rausgegangen und hast versucht, vor dem Publikum, das eine Pop-Ikone sehen möchte, zu beeindrucken. Manchmal waren es 8‘000, andere Male waren es 15‘000 oder 30‘000. Du musst versuchen, einen bleibenden Eindruck zu hinterlassen. Jeden Abend. Ich bin dankbar für diese Erfahrung, aber sie war hart. Es hat viel Fingerspitzengefühl gebraucht. Du musst plötzlich in grösseren Dimensionen denken, aber es war gut. Ich meine, für Elton John auftreten zu dürfen ist ein Privileg.

 

Gibt es auch merkbare Veränderungen seit der Tour mit Elton? Ist das Interesse plötzlich noch mehr gestiegen? Erhältst du zum Beispiel mehr Anfragen für Interviews oder Gastauftritte?

 

Nein, ich denke nicht, dass mehr Anfragen reinkamen. Eine Veränderung lässt sich am ehesten in den Sozialen Netzwerken feststellen. Leute, die Facebook abchecken, «gefällt mir» drücken, oder mich anderweitig bewerten. Das ist cool und verleiht dem, was ich versuche zu tun, irgendwie mehr Glaubwürdigkeit.  

Natürlich, das ist schön zu sehen. Ich switche zu einem total anderen Thema: um was geht es in deinen letzten drei Posts auf Instagram, den drei schwarzen Quadraten?

 

(überlegt lange) Das würden wahrscheinlich viele gerne wissen. Ich habe dieses Jahr zwei liebe Menschen verloren und nach dem Tod des zweiten Menschen, brauchte ich einfach Zeit. Zeit, um ein guter Dad zu sein, ein guter Ehemann, denn mit den beiden Toden in unserer Familie wurde es schlagartig dunkel. Es fühlte sich gut an, mal weg von den Sozialen Netzwerken zu sein. Ich fühlte mich irgendwie mehr präsent ohne Nachrichten auf meinem Handy. Natürlich arbeite ich auch an neuer Musik, also hat dieser Break rundum gutgetan. Dieses Jahr war total verrückt, es war eine Menge los. Nur schon die letzten Monate. Ich war in Dubai, in Hamburg habe ich für Stephanie Heinzmann geschrieben, dann waren wir in Johannisburg, und so weiter. Von all dem habe ich auch nichts gepostet und es war klasse im Moment zu leben.

 

Das hört sich gut an aber es tut mir auch leid, das zu hören.

So ist das, es gehört zum Leben dazu. Ich habe zwei Menschen verloren, aber einen gewonnen, nämlich meinen Sohn. Alles ist gut, so ist es nun mal.  

Stark, wenn du das so sehen kannst. Danke für deine Offenheit. Du bist ja quasi in einer Kirche aufgewachsen. Wie beeinflusst dein Glaube deine Musik?

 

Wie es meine Musik beeinflusst? Auf dieselbe Art und Weise, wie es jemanden beeinflusst, wenn er vegan lebt. Wenn du Yoga machst, vegan lebst oder ins Fitnesscenter gehst, wird das ein Teil von dir. Du lebst gesund und machst deine Dinge gesund. Das ist bei mir nicht anders: alles was ich mache, mache ich begleitet von meinem Glauben. Ich denke, der beste Weg, eine vegane Person zu beurteilen ist einfach: du schaust dir diese Person an und siehst, wie gesund sie aussieht. Aber wenn sie total krank aussieht, dann bringt das vegane Leben dieser Person nichts. Aber wenn sie grossartig aussieht und das Leben so liebt, dann ist das beeindruckend. Dasselbe mit meinem Glauben: wenn ich durchgeknallt wäre, so richtig gruselig, dann würdest du auch sagen «Dude, deine Musik ist echt cool, aber du bist einfach nur komisch». Aber bitte, hoffentlich denkt das niemand. Es funktioniert für mich und hoffentlich für andere auch. Die Dinge, wie der Glaube, ist ein Teil von dem, was du bist. Ich versuche die Leute nicht mit meinem Glauben zu beeinflussen, ich bin einfach da, mit meiner Musik. So bin ich und das ist das, was mir auf meinen Weg mitgegeben wurde. Es funktioniert für mich.   

Also, nehme ich an, dass du betest bevor du auf die Bühne gehst? 

100%.

 

Mit deiner Band? 

Ja, sie haben denselben Glauben, gehen in die Kirche und sind alle gut drauf. Weisst du, wenn ich etwas bin, dann bin ich das hundertprozentig. Ich bin nicht perfekt, aber ich versuche, das zu sein, was ich bin. Einmal habe ich zu jemandem gesagt «Wenn du Moslem bist, dann lies den Koran und glaube zu hundert Prozent an das. Wenn du ein Jude bist, lies die Tora und sei ein Jude. Wenn du ein Atheist sein willst, dann mach das.» Und wenn ich ein Christ sein möchte, dann bin ich das und zwar so gut ich kann. Ich gebe mein Bestes dafür, ich glaube und das macht mich zu einem besseren Menschen. Also, beten, bevor wir auf die Bühne gehen, tut mir gut. Andere machen Yoga und ich bete. (lacht)

  

Genügend Platz für Yoga hättest du hier ja auch. (wir lachen) 

Du musst einfach das tun, was für dich richtig ist. Mein Glaube hält mich gesund, gechillt – ja, das bin einfach ich. Ich wüsste nicht, für was ich sonst leben sollte, wenn ich den Glauben nicht hätte. Das ist etwas Persönliches, es würde viele Dinge erschweren für mich, wenn ich das nicht hätte. Ich war an einigen dunklen Orten in meinem Leben. Mit meinem Kopf und meinem Herzen. Aber der Glaube hielt meinen Kopf immer über Wasser. 

 

Da gebe ich dir Recht. Man kann viel lernen, wenn man etwas hat, woran man glaubt. Es hilft sehr.

 

Absolut, speziell in dunklen Zeiten.

 

Genau.

Danke, dass du das gefragt hast.

  

Danke, dass du so ausführlich geantwortet hast. (wir lachen) Nun, zurück zur Band und dem Support Act. Wie wählst du den Support jeweils aus?

 

TYC – These Your Children – kenne ich seit einiger Zeit. Sie hatten zuvor einen anderen Bandnamen, kamen dann mit einem neuen raus. Die Musik, die du heute Abend von ihnen hören wirst, ist sooo gut! 

 

Ich bin ihnen vor einigen Wochen auf Instagram gefolgt. Da haben sie erst kürzlich einen Live-Video gestartet und einige Songs gespielt. Ich war total begeistert und freute mich total, sie live sehen zu können.

 

Ja, sie sind einfach so gut. Sie sind nicht einmal zusammen, sondern Freunde aus der Kindheit. Die beiden sind aus Nottingham und irgendetwas sagt mir, dass die beiden das nächste Ding sind. Die kommen gross raus. Ihre Musik ist so einfach und sie sind grossartige Menschen. Ich habe sie dann einfach gefragt «Hey, wenn ihr Lust habt, kommt mit auf meine Tour».

  

Dann hat das ganze jeweils nichts mit dem Management zu tun? 

Das Management gibt Empfehlungen ab, aber für mich sind dies zwei Freunde, also ist der Fall klar. Ich mag die Musik und ich höre sie auch, wenn ich nicht mit ihnen unterwegs bin. Wenn du eine Minute Zeit hast, solltest du die beiden nachher auch noch interviewen. 

 

Ich bin dankbar für diese Erfahrung, aber sie war hart. Es hat viel Fingerspitzengefühl gebraucht. Du musst plötzlich in grösseren Dimensionen denken, aber es war gut. Ich meine, für Elton John auftreten zu dürfen ist ein Privileg.

 

Das wäre cool, ja, sehr gerne. Um zu einem Ende zu kommen, folgen nun einige Sätze, die du vervollständigen solltest.

 

Oh, gosh, okay.

 

Wenn ich eine Superkraft hätte …

… würde ich Speed wählen.

 

Warum? 

(überlegt) Ganz einfach: weil ich dann einfach viele unartige Dinge in kurzer Zeit machen könnte. (wir lachen) 

 

Ich hab’s doch gewusst. Das kann ich so leider einfach nicht im Interview bringen. (wir lachen)

 

Nein, Quatsch. Aber Speed würde ich wählen.

 

Ich habe Angst vor …

… Dunkelheit.

 

Ich sage niemals nein zu … 

… Cheesecake.

 

Wenn ich einen Affen hätte, … 

… was?! Wenn ich einen Affen hätte?

 

Yeah.  

(Jake ist ganz begeistert) Wenn ich ein Affe hätte, würde ich mich verhalten wie Michael Jackson!  

Und zum Schluss: das Wichtigste, was ich je in meinem Leben gelernt habe … 

… konzentriere dich auf dich. Das ist etwas, was ich kürzlich gelernt habe und das ist für mich das Wichtigste. 

 

Danke für deine ehrlichen Antworten und deine Zeit. 

Oh, nein, das war mir ein Vergnügen, danke dir. Und jetzt gib‘ mir eine Umarmung.

 

Jake Isaac - «Long Road»

 

 

* Mehr Infos zu Jake Isaac liefert seine Website

 

Rahel Inauen / Do, 14. Dez 2017