Dom Sweden: Mundart finde ich eine geile Sprache

Interview mit Dom Sweden
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Pressebild / ©Captured bei Simeon

Dom Sweden hat vor kurzer Zeit sein Album «Träum mal drüber nah» veröffentlicht und zeigt sich darauf als kreativer Texter und geschickter Komponist. Was steckt hinter Songs wie «Leider geil» oder «Hoffnigsscherbe», wie viel davon sind persönloche Erfahrungen, wo stösst man als junge Musiker an Grenzen und welche Rolle spielte Baschi für das Album? Wir haben mit Dom Sweden gesprochen. 

 

Mir fällt auf, dass deine Songs grösstenteils einen positiven Vibe haben, selbst bei traurigen Themen. Wie gelingt es dir, diese Waage zu halten?

 

Ich würde sagen, das gelingt mir, weil ich ein mega fröhlicher und positiver Mensch bin. Aber in den Songs bearbeite ich schon meine dunkle und sensible, verwundbare Seite und man hört diese beiden Welten aufeinander krachen. Die positiven Melodien, aber auch die melancholischen Texte, die zwar optimistisch sind, aber gleichzeitig nachdenklich. 

 

«Hoffnigsscherbe» ist so ein Song. Du singst vom Verlassenwerden und von damit verbundenen Emotionen.  Wie gelingt es dir, bei solchen Songs den passenden Text bzw. dir richtigen Worte zu finden?

 

Wenn mich etwas stark beschäftigt oder berührt, so wie in diesem Song, dann fliesst es oft einfach. Den Song hatte ich recht schnell geschrieben. Die richtigen Worte zu finden … das ist eine gute Frage. Ich würde schon sagen, dass ich wortgewandt bin, aber auch träumerisch und kreativ. Gerade bei «Hoffningsscherbe» hatte ich das Bild des Schiffes, das im Text eine Rolle spielt, vor dem geistigen Auge. Also habe ich die Farben und das Bild beschrieben, wie ich es gesehen habe. Wenn ich dazu noch die Musik höre, finde ich meistens die Worte, die gut passen.

 

Bist du jemand, der einen Text schreibt und dann nicht mehr viel ändert oder feilst du lange daran?

 

Meistens schreibe ich einen Text und finde ihn gut, weil ich mich in genau diesem Moment stark damit beschäftigt habe. Es gibt aber auch Songs, die ich lange hin und hergeschoben und immer wieder verändert habe. «Traum» ist ein Song, bei dem ich lange nicht an den richtigen Punkt gekommen bin. Erst ganz am Schluss musste ich mir sagen: «Doch, so ist das schon gut».

 

Sagst du dir in solchen Fällen irgendwann, dass es jetzt reicht und sonst kein Ende nimmt?

 

Wenn ich etwas herausgebe, dann stehe ich logischerweise zu 1000% dahinter. Ich bin auch keiner, der sich schnell zufrieden gibt. Lieber lege ich einen Text zur Seite und schaue ihn am Tag darauf nochmals an. Wenn ich krampfhaft versuche, etwas zu erzwingen, komme ich nicht in den richtigen Mood. Ich muss schon in einem losgelösten, kreativen Prozess sein, damit die Kreativität fliesst.

 

Verarbeitest du in deinen Texten eigene Erfahrungen?

 

Immer. Es sind alles persönliche Erfahrungen, über welche ich schreibe.

 

 

Gerade bei Radios ist es oft so, dass einzelne Personen am Drücker sind und darüber entscheiden, ob du auf dem Sender läufst oder nicht.

 

 

Das führt mich zu «Leider geil». Darin singst du von Ablehnung und gutgemeinten, aber ungefragten Ratschlägen. Erlebst du solche Dinge oft?

 

Leider erlebst du das immer wieder. Es gibt Leute, die auf mich zukommen und fragen, ob ich nicht über dieses oder jenes schreiben kann. Gut gemeinte Ratschläge sind immer mega willkommen und diese nehme ich sehr gerne an. Entscheidend ist die Art und Weise, wie man Kritik ausübt. Schubladisiert oder abgestempelt werden und gar nicht die Möglichkeit bekommen, seine eigene Darstellung einzubringen, finde ich nie in Ordnung. Darum geht es im Song vor allem. Das Unterbewusstsein spürt aber mit zunehmendem Erfolg auch, dass mehr Neid da ist. Das merke ich und das beschäftigt mich. Ich bin selbst gar nicht so. Wenn aber plötzlich Leute mit dieser Art von Missgunst kommen, frage ich mich, was ich diesen Menschen getan habe. Wieso gönnt man sich nicht manchmal etwas mehr und freut sich für andere mit, anstatt auf Ablehnung zu gehen? Trotzdem ist bei «Leider geil» wieder eine Kehrtwende drin. So in der Art von: «Ich weiss, du kritisierst mich und findest meine Songs nicht cool, aber hintenrum feierst du sie dann eben doch, singst mit und kommst vielleicht an Konzerte.»

 

Geht dir solche Kritik sehr nahe?

Immer. Ich bin schon eine recht sensible Person und wenn mich jemand kritisiert, löst das in mir einen Prozess des Nachdenkens aus und ich frage mich, ob es wirklich so ist, wie diese Person sagt. Dann frage ich mich, ob ich alles richtig gemacht habe oder ob ich gewisse Dinge nochmals überdenken sollte. Kritik löst schon etwas in mir aus, auch wenn sie nur halbherzig gesagt wurde.

 

Kürzlich hast du 20‘000 monatliche Hörerinnen und Hörer bei Spotify gefeiert. Das unterstreicht quasi die Message von «Leider geil». Was bekommst du aus der Community an Reaktionen?

 

Ich habe bisher auf Social Media nicht eine Hate Message bekommen. Auch bei Konzerten ist jeweils viel Goodwill da. Die Liebe und Freude, die ich von den Menschen erfahren darf, und die Nähe, die ich bekomme, gibt mir einen Kick, um immer voll weiterzumachen. Ich bin genau auf jenem Weg, auf dem ich mich wohl fühle. Ich mache das, wovon mein Herz mir sagt, dass es richtig ist. Die Zahlen, die du angesprochen hast, bestätigen für mich, dass ich einfach dranbleiben muss.

 

Du hast kurz Social Media angesprochen. Wie wichtig ist dieser Aspekt für dich?

 

Es ist Fluch und Segen zugleich. Es ist mega wichtig, um mit den Fans zu kommunizieren und Nähe zu zeigen, um Standpunkte und Emotionen rüberzubringen. Andererseits ist es ein Fluch, weil es ein Müssen ist. Ich muss posten. Ich muss Stories auf TikTok und Instagram machen. Die Sozialen Medien müssen aktuell sein. Das ist schon ein Druck für mich. Es gibt selten einen Tag, an dem ich denke: «Heute machst du nichts», sondern eher: «Heute muss ich noch etwas posten». Man muss im Algorithmus bleiben.

 

Was sind für dich die grössten Herausforderungen als Musiker in der Schweiz?

 

Ich glaube, das Gehört werden, das Akzeptiert werden. Gerade bei Radios ist es oft so, dass einzelne Personen am Drücker sind und darüber entscheiden, ob du auf dem Sender läufst oder nicht. Bei Newcomern, die man nicht so kennt, ist das Feedback oft, dass noch abgewartet wird, bis man bekannter ist. Oder es heisst, dass nur Hits gespielt werden. Schreib mal einen Hit und was genau ist überhaupt ein Hit. Das ist schwierig. Aber mit «Oh mein Gott» sind wir tatsächlich in die Airplay Charts Top 100 der Schweiz gekommen und einige Radiosender haben den Song gespielt. Andere, die zuvor meinten, dass sie nur Hits spielen würden, habe uns trotzdem nicht gespielt. Das ist schon enttäuschend. Ich frage mich in solchen Momenten, was ich noch liefern muss, damit es diesen Personen gut genug gefällt. Man fragt sich dann: «Werde ich in diesem Kuchen je akzeptiert?» Das ist mega schwierig und dieser Punkt beschäftigt mich schon.

 

Dom Sweden - «Nora»

 

Dein Album heisst «Träum mal drüber nah», auch «Hoffnigsscherbe» ist ein schönes Bild. Solche sprachlichen Feinheiten scheinen ein Markenzeichen von dir zu sein. Wie wichtig ist dir die Sprache?

 

Unglaublich wichtig. Darauf lege ich grossen Wert. Schön, dass es dir auffällt. Immer, wenn ich auf Songtexte angesprochen werde, ist das ein riesiges Kompliment für mich, denn ich gebe mir sehr grosse Mühe, dass ich die Bilder in den Texten möglichst authentisch rüberbringe. Vielleicht ist dir aufgefallen, dass ich oft Anglizismen verwende. Ich bin zweisprachig aufgewachsen und das Englische nagt schon auch an mir. Ich finde das Spiel zwischen Mundart und Englisch cool.

 

Wann hast du entschieden, dass du in Mundart singen willst?

Ich habe immer Englisch gesungen und erst mit Dom Sweden im Jahr 2020, als ich die Single «Nora» veröffentlicht habe, habe ich Texte nur in Mundart geschrieben. Lustigerweise habe ich schon früher neben meinen englischen Sachen auch Raptexte in Mundart getextet. So hat sich das langsam entwickelt. Mundart hat mich nie losgelassen und ich finde es eine geile Sprache. Also fand ich, dass «Nora» raus muss und so ist Dom Sweden entstanden. Das hat so gut gepasst, dass ich dabeigeblieben bin.

 

Wie ist dein Künstlername entstanden? Hast du einen Bezug zu Schweden?

 

Null. (lacht) Das Dom kommt von Dominic, meinem richtigen Namen. Seit der Lehre haben meine engsten Kolleginnen und Kollegen aus meinem Nachnamen Wetzel die Abhandlung zu Sweden gemacht. Damals war «Fast & Furious» voll der Hype. Dort spielt Vin Diesel den Dom Toretto und darauf wurde in meinem Fall Dom Sweden. Irgendwann sagte ich mir: «Wenn ich mal einen Künstlernamen brauche, wird es Dom Sweden». Und es verbindet die beiden Optionen aus Mundart und Englisch.

 

Wie lange hast du am Album gearbeitet?

Schon lange. Es hat Song darauf, «1000 Kilometer« beispielweise, die ganz am Anfang entstanden sind. Also 2021 oder so. Aber auch ganz aktuelle Songs wie «Ich + Ich», der von 2023 ist. Es war ein Prozess, die richtigen Songs für die EP zu finden. Das dauerte etwa zwei Jahre. Ich musste mich dabei künstlerisch entwickeln und meine Richtung sowie mich selbst finden. Also in der ganzen Musik, den Sounds und wie meine Songs schlussendlich daherkommen sollen. Am Anfang war dieser Prozess deutlich stärker als er heute ist, wo die Veränderungen nur noch sehr klein sind, und da musste ich als Musiker einfach durch.

 

 

Im Studio kann es aber schon passieren, dass ich in Sessions gehe und mit Produzenten arbeite, aber noch gar nichts in den Händen habe.

 

 

Wenn du sagst, dass Dom Sweden so 2021 zum Laufen kam. Hat damals die Pandemie eine Rolle gespielt, dass du das Projekt gestartet hast?

 

Die Pandemie hat in dem Sinn eine Rolle gespielt, weil ich die erste Single im April herausgebracht habe, als die Pandemie richtig losgegangen ist. Ich dachte mir: «Mist, jetzt kann ich keine Konzerte spielen». Aber es war eine gute Gelegenheit, ganz viel Musik zu machen und den Song «Nora» sehr vielen Leuten in der Branche zu schicken. Von niemanden bekam ich Feedback – ausser von Baschi, der mich angerufen hat. Er meinte, dass er den Song cool findet und hat mich zum Mittagessen eingeladen. Er hat mich darauf ins Studio eingeladen. Ich habe oft dort geschlafen und mit Phil und Baschi gemeinsam geschrieben und mich weiterentwickelt.

 

Hattest du Songs schon fast fertig als du ins Studio bist oder hast du erst im Studio angefangen zu schreiben?

 

Ich würde sagen: beides. Wobei ich ergänzen möchte, dass die EP nicht alleine von Baschi und Phil produziert wurde. «1000 Kilometer» und ein Teil von «Hoffnigsscherbe» sind in seinem Studio entstanden, die weiteren Songs dann mit anderen Produzenten. Bei Baschi war es so, dass ich ins Studio mitgebracht habe, was ich schon hatte und die beiden sagten, was sie gut finden. Daran haben wir gearbeitet und die Songs weiterentwickelt. Im Studio kann es aber schon passieren, dass ich in Sessions gehe und mit Produzenten arbeite, aber noch gar nichts in den Händen habe. Dann sage ich, wozu ich Lust hätte und wie ich mir einen Song vorstelle. In diese Richtung arbeiten wir, spielen Akkorde und probieren. So entwickelt sich ein Bild und ich schreibe den Song direkt vor Ort.

 

Die Produktion der EP entstand aber mit drei unterschiedlichen Produzenten bzw. Teams. Wie angesprochen, Baschi und Phil. Dann Benji Schmid, der mit mir «Hawaii» geschrieben hat. Die restlichen Songs sind mit Alex Mullarkey entstanden. Er ist Teil eines internationalen Produzenten-Duos, das Neal & Alex heisst. Er produziert die grössten Hip Hop Acts in Deutschland wie RAF Camora oder UFO361. Alex ist ein Dorf neben mit aufgewachsen und so hatten wir schon Kontakt, bevor er gross wurde. Lustigerweise produziert er jetzt an meinen Songs mit. Wenn ich dann die Millionen-Hits sehe, die er mit den anderen Acts hat, denke ich manchmal: «Schon cool, dass er an mich glaubt und die Songs mit mir vorwärtsbringt».

 

In dem Fall hast du schon auch Hip Hop als Einfluss?

 

Ja, voll. Früher hatte ich eine Rock- bzw. Metalband, heute höre ich auch viel Pop und Hip Hop. Irgendwie mischen sich die Stile, was ich sehr cool finde. Ich probiere, Mundart zu modernisieren, mit Hip Hop zu mischen und auf ein freshes Niveau zu heben, wenn du so willst.

 

Was ist jetzt, wo das Album auf dem Markt ist, als nächstes geplant?

 

Im Oktober spiele ich die letzten Konzerte für dieses Jahr. 2024 möchten wir so viel wie möglich spielen und hoffentlich auch an die grösseren Festivals kommen. Im Frühling möchte ich eine neue EP rausbringen. Das habe ich bisher noch niemandem verraten. Geplant ist, die ruhigere Zeit bis und um Weihnachten herum zu nutzen, um neue Musik zu schreiben und im Frühling nochmals nachzudoppeln.

 

 

* Dieser Artikel ist Teil einer Text-Partnerschaft mit den Lokalzeitungen von zuerich24.ch

 

Patrick Holenstein / Do, 26. Okt 2023