Andryy: «Bei Mundartmusik wird mehr auf den Text gehört»

Interview Andryy
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Der Zürcher Songwriter Andryy hat eben seine Debüt-EP «Das isch mini erschti EP, merci fürs Lose» auf den Markt gebracht und zeigt darauf sein Gespür für Mundartsongs. Mal sommerlicher Songwriter-Pop, mal etwas nachdenklicher mit Anliehen bei Americana und Folk. Wir haben mit Andryy über das Texten in der eigenen Sprache, über das eigenhändige Einspielen alles Instrumente, der Platte als Platz, um sich auszuprobieren, und über tierische Störenfriede bei einem Videodreh gesprochen. 

 

Du hast unter dem Namen Allen Finch einige Erfolge gehabt, aber mit englischen Texten. Für die neue EP hast du einen neuen Namen gewählt und auf Mundart gewechselt. Wie kam das?

 

Ich war damals mit der Musik von Allen Finch sehr zufrieden. Gleichzeitig habe ich aber gemerkt, dass ich etwas noch Eigenständigeres suchen möchte. Andererseits ist mir bewusst geworden, dass man mit englischen Texten die Leute weniger erreichen kann als wenn man in Mundart singt. So hast du viel schneller und direkter Reaktionen. Es lacht jemand im Publikum oder es weint jemand, was bei englischen Texten fast nie passiert.

 

Wie hat sich das Texten in Mundart von jenem in Englisch unterschieden?

 

Es ist viel, viel schwieriger. In Englisch hast du deutlich mehr Möglichkeiten, zu reimen. Die wichtigsten Wörter reimen sich besser. In Mundart hat man einen kleineren Wortschatz dafür. Plus kommt noch dazu, dass alles, was man schreibt, stärker unter die Lupe genommen wird. Bei Mundartmusik wird mehr auf den Text gehört. Ich habe das Gefühl, dass die Texte nach der Musik ziemlich an erster Stelle stehen. Es wird einem mehr abverlangt.

 

Deine Texte wirken sehr entspannt und nicht künstlich. Wie lange schleifst du an Lyrics, bis du zufrieden bist?

 

Das variiert sehr stark. Bei den meisten Songs sind es schon mehrere Monate Arbeit. Ich lasse Texte gerne mal wieder liegen. Oft gebe ich anfangs Vollgas und komme erst später darauf zurück, um zu schauen, was davon wirklich cool ist. So sind schnell mehrere Monate bis zu einem Jahr vorbei.

 

Bist du jemand, der Ideen verwerfen kann, wenn sie nicht so zünden, wie du es gerne hättest?

 

Ja, auf jedenfalls. Ich habe viele Ideen, die ich verwerfe. Aber ab einem gewissen Punkt ziehe ich einen Ansatz dann schon durch.

 

 

Die Melodie für «Chopfkino» habe ich mal im Zug aufgenommen.

 

 

Spannend finde ich, dass du bei allen fünf Songs auf der EP in den Lyrics direkt eine Person ansprichst, fast als ob du mit jemandem sprichst.

 

Da hast du durchaus recht. Es hat sich ehrlich gesagt ein wenig so ergeben. Bei den alten Songs war das etwas weniger der Fall. Das hat sehr stark damit zu tun, dass alles Themen und Geschichten aus meinem Leben sind, die ich verarbeiten will. So habe ich aus der Erzählperspektive mit mir selber gesprochen und wahrscheinlich kommt das von dort.

 

Ein wenig wie ein Tagebuch also.

Ja, ein Bisschen ist das so.

 

Wie schreibst du deine Songs? Hast du Bürozeiten, in denen du konzentriert schreibst, oder setzt du dich hin, wenn du eine Idee hast?

 

Ideen sammle ich immer. Ständig werden Ideen oder irgendwelche Sachen mit dem Handy festgehalten oder eingesungen. Wo auch immer. Die Melodie für «Chopfkino» habe ich mal im Zug aufgenommen. Das kann wirklich überall sein. Dann gibt es aber schon Phasen, in denen ich mir sage «So, heute setzt du dich hin». Das ist wichtig. Eigentlich wie mit allem im Leben, man muss sich schon Zeit nehmen. Dann schaue ich die Ideen an und vielleicht lassen sich einige davon sogar kombinieren.

 

Wahrscheinlich passiert das dann in der Phase, wenn es ernst wird.

Genau. Dann ist es auch cool, ein breites Repertoire an Ideen zu haben, die man hervornehmen kann. Dann kommen alle gebrummelten Melodien oder Textchen wieder nach vorne.

 

Andryy - «Chopfkino»

 

 

Aufgefallen ist mir die stilistische Breite. «Wiit Is Blaue» beispielweise ist irgendwo zwischen Americana und Folk. «Ich Liebes Wie Du Mich Veränderisch» ist Songwriter-Pop. Woher kommt diese Breite? Was beeinflusst dich?

 

Das auf jeden Fall. Ich höre quasi alles. Von Hip Hop über Rock und Pop bis Punk oder Country ist wirklich alles dabei. Die EP ist schon so gedacht, dass ich Sachen ausprobieren konnte. Darum sind die Songs sehr individuell gestaltet. Ich hoffe schon, dass sie aus einem Guss kommt. Aber es sind eigentlich fünf einzelne Songs. Für mich stand das Ausprobieren im Fokus. Wie ist das Arbeiten mit Mundart? Was ergibt sich so und was kann man mit den Ideen machen? Mir ist bei diesem Projekt wichtig, etwas Neues zu kreieren, etwas zu schaffen, was es vorher in Mundart noch nicht gegeben hat.

 

Du hast für die EP alle Instrumente selbst gespielt. Gibt dir das mehr Freiheiten oder arbeitest du am liebsten?

 

Es macht mir ehrlich gesagt sehr viel Spass. Ich habe viele Ideen für die verschiedenen Instrumente. Da ist schnell mal eine Bassline im Kopf und dann macht es mir Spass, diese gleich selbst einzuspielen. Heutzutage ist das für einen Künstler schon interessant, weil man viel produziert und am Computer macht und Songstrukturen, gerade im Pop, aktuell minimalistischer sind als auch schon. So ist es cool, wenn man mehr gleich selbst einspielen kann.

 

Und du kannst arbeiten wann du willst und bist zeitlich auf niemanden angewiesen.

 

Genau. Wobei, da hätte ich grundsätzlich nichts dagegen. Es gibt auf der EP schon ein, zwei Instrumente, die andere eingespielt haben, aber das ist definitiv ein Faktor. Dazu muss man die Leute bezahlen und so wird es auch zu einem finanziellen Punkt.

 

Bist du live auch alleine unterwegs und spielst alle Instrumente selbst?

 

Genau. Wen es interessiert, sieht das gut bei einem Youtube-Video zu «Geil». Ich arbeite mit Loops und baue die Tracks aus. So ähnlich wie Ed Sheeran, aber halt mit verschiedenen Instrumenten.

 

Wie lange hast du an der EP gearbeitet?

Das hat in dem Fall sehr lange gedauert. Es waren vom ersten Song bis zum Release zwei Jahre. Das hat aber viel damit zu tun, dass Mundart für mich neu war und viel Zeit verstrichen ist, bis ich mit den Songs zufrieden war. Vor allem am Anfang hat es lange gedauert. Aber wenn man mal das Gefühl für die Sprache hat, wird man schneller.

 

 

Ich fahre auf dem Velo und singe. Da waren zwei Rossbremsen, also die richtig fetten Viecher, und die haben uns die ganze Zeit verfolgt.

 

 

Gibt es zum Titel «Das isch mini erschti EP, merci fürs Lose» eine Geschichte?

 

Wir haben sie im Gespräch schon leicht gestreift. Für mich ist es weniger eine EP als ein Bündel an Songs, die jetzt rauskommen. Ich habe mehr singlebasiert gedacht und dabei viel gelernt. Oft habe ich Songs einfach mal angefangen und immer wieder verändert. Von «Geil» hatten wir um zwanzig Versionen, also viel zu viel. Am Ende habe ich gemerkt, dass ich meist die erste Version genommen habe. So ist es mir mit dem Titel der EP auch ergangen. Ich dachte «Was für ein Scheiss!». Aber irgendwann war es dann doch sympathisch und darum bin ich dabeigeblieben.

 

Es ist ja auch die Wahrheit.

Genau (lacht).

 

Du hast bei Facebook verraten, dass der Dreh zum Clip von «Chopfkino» nicht ganz ohne tierische Probleme verlaufen ist. Was war da los?

 

Wir haben den Clip gedreht und relativ simpel gehalten. Ich fahre auf dem Velo und singe. Da waren zwei Rossbremsen, also die richtig fetten Viecher, und die haben uns die ganze Zeit verfolgt. Der Kameramann sass hinten im Kofferraum eines Autos und die Bremsen sind immer wieder auf das Auto und das Velo gesessen (lacht).

 

Wie aufwändig war der Dreh? Wie lange habt ihr daran gearbeitet?

Dieser Clip war sehr einfach und hat ungefähr drei Stunden gedauert. Ich habe nicht so ein riesiges Budget, darum war mir wichtig, etwas Einfaches zu machen, das aber trotzdem schön ist. Wir hatten ein Zeitfenster von ungefähr 17 Uhr bis 20 Uhr, weil es danach zu dunkel gewesen wäre. Aber wir haben es in der Zeit im Kasten gehabt.

 

Jetzt ist eben die EP erschienen. Was erhoffst du dir für Reaktionen?

Im Moment ist alles mega crazy. Wir wissen alle nicht, wie es nach dem Lockdown (Durch das Corona-Virus, Anm. d. Red.) weitergeht. Es wäre sowieso schon schwierig zu ahnen, wie die Reaktionen sein würden, aber jetzt ist es nochmals anders. Ich hoffe natürlich, dass mehr Leute neue Musik entdecken, weil sie zuhause sein müssen. Viele haben ja mehr Zeit für das Radio- oder Musikhören und können herausfinden, wer welchen Song singt. Aber sonst ist es schwer zu sagen.

 

Vielen Dank für das Gespräch.

 

  • Künstler: Andryy
  • Album: «Das isch mini erschti EP, merci fürs Lose»
  • Website: Andryy

 

 

Bäckstage Redaktion / Mo, 27. Apr 2020