«Aladdin findet seine Wunderlampe in den Schweizer Bergen»
Bäckstage traf Adam Green Anfang Jahr anlässlich seiner Vernissage mit Filmkulissen in Basel an der Museumsnacht der Fondation Beyeler. Zu diesem Zeitpunkt war das neue Album «Aladdin» noch nicht auf dem Markt und auch seine Tour noch ungewiss. Adam sprach über den gleichnamigen Film «Aladdin», den Dreh in den Schweizer Bergen, seine demütigenden Erfahrungen mit Kickstarter, die Entstehung seines eigenen «Szenetreffs» und seine erfüllende Rolle als Familienvater.
(Anmerkung der Redaktion: Die Roadshow fand dann doch statt, hier findet ihr den Bericht darüber.)
Hallo Adam, wie geht es dir? Wie war dein Tag?
Gut, gut (grinst). Sehr beschäftig. Aber ich mache den ganzen Tag coole Dinge wie Interviews geben, für die Show heute Abend proben und eben meine Vernissage vorbereiten. Es ist schon verrückt, wie viel wir mitbringen konnten. Die ausgestellte Filmkulisse musste zuvor sorgfältig verpackt werden, ehe sie die grosse Reise über den Atlantik antrat. In Antwerpen traf sie vor etwa einer Woche ein und heute Abend geht’s los. Das ist cool.
Das heisst, du hast selbst Hand angelegt und das Ganze aufgebaut?
Ja, das stimmt. Wir haben nicht einen solch grossen Raum erwartet, wie wir ihn hier haben, und deshalb mussten wir mit kleinen Tricks die Kulisse ein wenig ausweiten, so dass sie den ganzen Raum zu füllen vermag.
Wo habt ihr denn die Kulissen während des Drehs von «Aladdin» aufgestellt? Wo habt ihr eigentlich gedreht?
In einer Lagerhalle in Brooklyn. Und in der Lagerhalle war es seeehr heiss. Es war ein taffer Dreh. Das Lager war schlecht isoliert und uns war die ganze Zeit über heiss. Die Kulisse nun in einem Museum zu sehen, gibt ihr eine ganz neue Bedeutung, ich kann sie viel mehr einfach geniessen. Es ist zugleich meine erste Ausstellung in einem institutionalisierten Museum. Es ist eine sehr grosse Ehre für mich, meine erste Erfahrungen in einem Museum dieses Kalibers sammeln zu dürfen. Angelika Bühler ist das Ganze zu verdanken. Sie sah Bilder meiner Kulissen in New York und hat mich daraufhin nach Basel eingeladen. Generell scheinen sich die Schweizer äusserst für meine Werke zu Interessieren. In 2014 hatte ich ja eine kleine Ausstellung in der Galerie von Oskar Weiss an der Langstrasse. Oskar hat «Aladdin» auch co-produziert und wir haben eine kleine Sequenz in den Schweizer Bergen gedreht. Die einzigen Aussenaufnahmen des ganzen Films spielen in der Schweiz. Der Film spielt in einer Pappkartonwelt und wir mussten dann auch die Pappkartons in die reale Welt, sprich in die Alpen mitnehmen. Deshalb entstand ein kleiner Teil der Kulissen auch in Zürich an der Langstrasse. Prostituierte guckten neugierig durch die Fenster, was wir denn da so Geheimnisvolles machen. Das war schon sehr lustig. Auch als wir die Pappkarton mit zur Gondel nahmen. Aladdin findet die Wunderlampe in einer Hölle in den Schweizer Bergen. Als er in die Hölle fällt, ist er wieder im der Pappwelt, aber er hatte trotzdem ein schönes Intermezzo in der wahren Welt (lacht).
Was diente dir eigentlich als Inspiration für die Pappwelt?
Die Schweiz, New York und South Park (lacht).
Wir trafen uns im Sommer 2014 an der besagten Ausstellung an der Landstrasse. Was hast du seither gemacht?
Es ist erschreckend wie lange die Entstehung des Films dauerte. Im Ernst. Zuerst machte ich einen Kickstarter-Eintrag, um ein wenig Geld zu sammeln, die Lagerhalle mieten zu können. Wir mussten 500 Requisiten bauen und 40 Räume. Die Vorbereitungen vor dem Dreh dauerten circa 4 Monate und der Dreh selber dauerte ein klein wenig länger als einen Monat. Nach den Aufnahmen verbrachte ich eine sehr, sehr viel Zeit damit, den Film zu schneiden. Ich musste noch sehr viel lernen als ich den Film machte, da ich keine grossen Erfahrungen drin hatte und ich mich mit dem Schnitt völlig übernahmen. Die Special Effects waren dann noch die dritte grosse Etappe, nachdem wir mit dem Schnitt fertig waren. Dies lag auch daran, dass wir keine grosse Crew hatten. Zuerst wollten Dima Dubson, der Kameramann, und ich den Film schneiden, doch uns lag zu viel an jeder einzelnen Szene, wir konnten uns zu wenig davon distanzieren, weshalb wir dann doch noch einen neutralen Cutter engagierten.
Wie waren deine Erfahrungen mit Kickstarter?
Es war okay. Ich schätzte es sehr, dass mich Menschen damit unterstützten und mithalfen den Film zu realisieren. Ihnen verdanke ich alles. Trotzdem muss ich eingestehen, dass eine Kickstarter-Erfahrung dann doch anders ist, als man glaubt. Du schreibst den Kolleginnen deiner Mutter Nachrichten um Mitternacht, bettelst sie an um einen Beitrag. Es ist ein Full-Time Job. Die Sammelaktion dauert vielleicht nur 30 Tage aber mir kam es vor als wäre ich Monate daran gewesen. Es sind 30 Tage Kickstarter-Boot-Camp. Leute denken, man beschreibt seine Idee, sein Projekt und die Menschen unterstützen dich dann, doch so funktioniert Kickstarter gar nicht. Du musst bei den Menschen trotzdem anklopfen, sie permanent von deiner Idee überzeugen, betteln. Für mich war es eine demütigende und erniedrigende Erfahrung. Auf der anderen Seite bot sich mir die Chance, meine Filmidee zu verbreiten und ich fand freiwillige Helfer, die mich bei der Produktion des Films unterstützten. Die meisten davon studieren an einer Kunstschule, sind selbst Musiker oder Menschen, denen es einfach langweilig war (lacht). Wir hatten quasi unseren eigenen kleinen «Szenentreff» um diese Lagerhalle herum.
Adam sang an der Museumsnacht in seinen Filmkulissen.
Was faszinierte dich an «Aladdin»? Warum diese Geschichte?
Ich wollte dem Mythos von Aladdin in einem modernen Kontext interpretieren. Wir leben heute mit Massenproduktionen. Die Menschen wünschen sich viel, sie bekommen viel, kaufen sich viel. Meine Idee der Wunderlampe war es, sie als 3D-Drucker vorzustellen, womit sich alle Dinge des Internets in die analoge Welt reindrucken lassen. Und die Welt füllt sich dann mit all dem Kram, den die Menschen wollen, aber für den es auf der Welt eigentlich keinen Platz gibt. Ich merkte, wie sehr die Wünsche der Menschen mit ihrem Ego verbunden sind, und all der Besitz dient letztlich dem Aufbau des eigenen Egos, doch wo soll das denn alles enden? Meine Ziel war nicht unbedingt eine Kritik an der Konsumgesellschafts, nur eben der Wunsch den Menschen einen Spiegel hinzuhalten.
Worauf bist du am meisten stolz?
Die Stets sind sicherlich eine Sache, auf die ich stolz sein kann. Aber ich denke was mich am meisten stolz macht, ist es einen Langspielfilm geschaffen zu haben, den es so kein zweites Mal gibt. Es werden irrsinnig viele Filme gedreht aber mein Film sticht aus der Masse heraus, weil er so einzigartig ist. Darauf bin ich stolz.
Heute Abend wird ein Teil des Films an der Museumsnacht in der Fondation Beyeler gezeigt. Was bereitet dir die grösste Sorgen, falls du Sorgen hast?
Der Film ist noch nicht fertig-fertig. Es gibt noch ein zwei Dinge die getan werden müssen, von dem her sehen die Menschen keine fixfertige Version. Dies erleichtert mich zum einen auf der anderen Seite bin ich ein wenig nervös, ob alles mit der Technik lupenrein funktionieren wird. Ich hoffe, es kommt keine zweiminütige Störrmeldung oder so etwas (lacht).
Die Technik funktionierte am Abend einwandfrei.
Wo siehst du die Linie zwischen Kunst, Unterhaltung und Spass? Ich nehme an, du hattest viel Spass mit «Aladdin».
Ich denke, die drei Sphären überschneiden sich sicher. Unterhaltung nimmt einen grossen Teil in der Kunst ein. Für mich ist die Kunst eher wie eine Kraft und weniger ein Objekt. Die Menschen kreieren zwar Kunstwerke, aber sie sind von der Kraft der Kunst besessen, nicht von dem Objekt. Der Künstler schafft Kunst indem er die Objekte resp. die Beziehung zwischen verschiedenen Formen und Farben zueinander neuinterpretiert. Bei der Unterhaltung gibt es eine Zweispaltung. Die einen finden, dass Unterhaltung Nichts mit Kunst zu tun haben sollte, die anderen sehen es als Sinn der Kunst, auch zu unterhalten. Jeder hat ein Gespür dafür wie tiefgründig etwas ist, wenn sie es betrachten. Wie sehr der Künstler von der Kraft der Kunst besessen war, als er oder sie es kreiert hat. Und die Betrachter resp. deren Masse bestimmt dann, was Kunst ist und was nicht. Was am Internet nun interessant ist, ist die Tatsache, dass Menschen die Kunst, die ihnen gefällt, machen können. Sie sind nicht auf die Meinung anderer, auf die «Massenenmeinung» was Kunst schlussendlich ist, angewiesen. «The wrong Ferrari» zum Beispiel, mein erster Film, wurde 300‘000 Mal im Internet heruntergeladen. Es fand also durch das Internet schliesslich sein Publikum. Der Film brauchte keine Filmkritiker, die ihm Wert zusprachen. Er funktionierte selbständig im Internet. Und genau dasselbe möchte ich mit «Aladdin» machen. Ich will auf Tour gehen und den Film in einer Art Roadshow am selben Abend zeigen. Dann bin ich nicht auf Filmverleiher und dergleichen angewiesen.
Dein neues Album «Aladdin» ist der dazugehörige Filmsoundtrack. Hast du zuerst den Film geschrieben und dann die Musik dazu? Wie bist du vorgegangen?
Ich habe beides parallel gemacht. Beide waren zu dem Zeitpunkt gleich nebulös. Ich wusste nicht, wohin der Film mich führen würde, als ich die Songs dazu schrieb. Es war eine etappenmässige Arbeit. Je mehr Klarheit ich über den Film und die darin erzählte Geschichte hatte, desto leichter fiel es mir die dazugehörige Musik zu machen. Aber um ehrlich zu sein, wusste ich beim Schreiben häufig nicht, ob dies ein Zitat im Film oder eine Strophe im Lied werden wird. Häufig musste es für beides herhalten (lacht). Wobei ich das Album schon als mein nächstes Musikalbum anging und nicht als den perfekten Soundtrack für meinen Film. Beide Werke mussten für sich ein Ganzes bilden.
Und was ist dein Lieblingslied auf dem neuen Album?
Mit gefällt die erste Singleauskopplung «Never Lift a Finger» sehr gut. Es geht um die dysfunktionale Beziehung zwischen der Prinzessin und Aladdin. In meinen Kopf zirkulierten viele Erinnerungen an eine vergangene Beziehung als ich das Lied schrieb. Ich durchlebte viele negative Erfahrungen beim Schreiben ein zweites Mal (seufzt und hält inne) … aber dies half mir auch ein wenig, davon loszulassen. Und das Ende einer Psycho-Beziehung, schlechten Beziehung, zu akzeptieren. Ich denke viel über Vergangenes nach und ich denke, dass viele Menschen immer noch von der Vergangenheit gefesselt sind und darüber nachdenken, warum sie jenes oder dieses nicht gesagt haben. Es ist irgendwie tragisch-komisch.
Hast du das Gefühl, durch den Songtext Ungesagtes endlich losgelassen zu haben resp. dies endlich gesagt zu haben?
Ja, ich denke schon. Es ist schwer. Wenn ich Musik schreibe - und das klingt nun vielleicht ein wenig albern – dann gehe ich es in einer anderen Dimension an. Ich versuche durch die Musik einen Konflikt zu lösen/klären, der sich in einem symbolischen Traumuniversum abspielt und weniger in der realen Welt. Es basiert schon alles auf realen Erfahrungen, aber es handelt sich mehr um eine Klärung zwischen dem einen «Es» und «Ich», eine Art Selbstreflexionstrip in einer anderen Dimension. Ich versuche träumerisch ans Schreiben zu gehen.
Musst du zum Schreiben in einer bestimmten Gefühlslage sein oder kannst du jederzeit künstlerisch tätig werden?
Nein, ich muss schon in der Stimmung dafür sein. Ich habe es schon auch so probiert, aber es hat nicht wirklich funktioniert. Ich laufe gerne dazu, ich brauche einen natürlichen Rhythmus, der mich vorantreibt, wortwörtlich. Aber häufig kommen die Ideen auch einfach von selbst und dann muss man sie nur noch richtig einfangen können. Und zu wieder anderen Zeiten schreibst du etwas auf und weisst noch gar nicht, wie sich das alles zu einem Lied bilden soll. Und am nächsten Morgen liest du es und fragst dich, wie du so was schreiben konntest, da du kaum wach warst als du dir die Notizen gemacht hast (lacht).
Wie machst du es mit dem Text und der Melodie, auch beides zugleich?
Ja, dies muss alles zur selben Zeit entstehen. Die Melodie ist grundsätzlich dazu da, die Texte zum Fliegen zu bringen. Und wenn du Sachen zusammen mit jemanden anderem schriebst, wie ich es zu Zeiten von Moldy Peaches (Folkband, gemeinsam mit Kimya Dawson, Anm. d. Red.) oder mit Binki Shapiro gemacht habe, und ihnen deine Entwürfe zeigst, dann diskutiert man darüber, wo welcher Textteil eingebaut werden soll, aber wenn ich allein schreibe, gehe ich da anders vor. Ich singe etwas und habe darauf die richtige Melodie und dann dichte ich einfach zu dieser Melodie weiter und es fügt sich zusammen. Ich muss dann mit niemanden debattieren (lacht). Ich kann selbst bestimmen, dass es dann hinkommt, wo es hingehört (lacht).
Stichwort «wo was hingehört». Du bist seit kurzem Vater geworden. Herzliche Gratulation! Wie fühlt es sich an?
Oh, ja, herzlichen Dank, es ist wirklich sehr cool (lacht). Ich fühle mich sehr wohl als Vater. Es ist fast schon ein wenig wie Zeitreisen. Okay das hört sich wieder komisch an, aber man bewegt sich im Leben in alle Himmelsrichtungen und wenn da diese neue kleine Person kommt, ist sie Teil von dir und du erlebst alles doppelt. Es ist wirklich sehr toll. Und du bist deinem Kind so nahe, das hätte ich nicht erwartet in der Form. Ich freue mich sehr über meine Tochter (grinst).
Wir verlosen zwei Exemplare von Adam Greens aktuellem Album «Aladdin». So geht es:
Deine Chance: schreibt eine Mail mit Name und dem Betreff «Wunderlampe» an chance@baeckstage.ch. Einsendeschluss ist der 6. Juni 2016.