Zwischen Kirschen und getarntem Sex

Winter Sounds '13: King Pepe
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Pressebild / © Lisa Gertsch

Die Ruhe vor dem Sturm: Hände werden gecremt, Smartphones bearbeitet und das Tagesgeschehen bei einem Bier besprochen. Auf den Sofas lümmeln Menschen verschiedener Altersklassen, während auf der Leinwand über der Bühne Aloan, Peter Kernell oder Carrousell Werbung für ihre Gigs von nächster Woche machen, dazu scheinen die Flaschen an der Decke über der Bar im Takt der Hintergrundmusik zu tanzen. Es riecht angenehm nach den Frühlingssträuchern, die die Bar säumen und ein leicht herber Duft von Bier schwebt in der Luft. «Wir haben die Tickets gewonnen», erklärt ein Paar ihrem neuen Bekannten an einem der Stehtische. «Ich auch», retourniert der Herr. «Und wenn es mir nicht gefällt, gehe ich die Champions League schauen.» Nach zwanzig Minuten werden alle drei verschwunden sein. Die Stimmung jedoch ist gelöst und passt bestens zum Auftakt der Winter Sounds.

 

Der Sturm, es ist definitiv ein Hoch, trägt an diesem Abend den Namen Pepe und er baut sich langsam auf. Nur mit einer leisen Trompete, geblasen von seiner Majestät Pepe selbst, startet der Ausflug in die Zwanziger-Jahre. Schliesst man die Augen, wähnt man sich mitten in einem Nachtclub jener Zeit. Die Femme Fatale schält sich geheimnisvoll aus der Menge, während sich die imaginären Bosse der Unterwelt zuprosten und die Kellner in Ehrfurcht zwischen Bar und Lounge wieseln. In die Realität zurück holt Pepe, der gerade Kaugummi und Feuer besingt. Pepe singt überhaupt gerne von Alltäglichkeiten, erzählt von vordergründig Banalem und erzeugt mit den cleveren und geschmeidigen Texten doch eine Aura, als würde er seine Staatsgeheimnisse preisgeben. Dabei unterstützen ihn Le Rex. 

 

«Gschichtsbüecher my Ass»

 

Le Rex sind eine fünfköpfige Jazztruppe. Auch wenn Pepe sie zum Schluss liebevoll als «Beste Quasijazzband der Welt“ bezeichnet, sind sie doch der rote Faden des Abends. Absolut stilsicher und versiert bewegen sich die Musiker auf zurückhaltende Art und Weise durch das stündige Set. Was keinesfalls heissen soll, dass die Musiker teilnahmslos auf der Bühne für etwas Inventar sorgen. Die fünfköpfige Truppe weiss genau, wie wichtig es ist, in den richtige Momenten Gas zu geben, etwa bei den virtuosen Soli oder den schnelleren Songs. Überhaupt baut Pepe sein Set dramaturgisch geschickt auf, startet mit einigen gemütlich swingenden Stücken, steigert dann langsam sowohl das Tempo als auch die rhythmische Abwechslung und führt so die Zuschauer behände an seine Musik heran, bevor der königliche Jazzsturm seine volle Kraft entfaltet. Spätestens bei «Gschichtsbüecher my Ass», das durch geschickte Nutzung der Historie auf das Thema Sex kommt, ist die Stimmung nämlich ausgelassen. Nicht kochend, aber begeistert, Pepe und Le Rex sind in ihrem Element und die Zuschauer hören den «Schnapsideen», wie Pepe seine Songs einst selbst genannt hat, aufmerksam zu und goutieren die Leistung der Band mit frenetischem Applaus. Was Pepe mit «Schnapsideen» meint, wird vielleicht bei «I u mi Fründ der Supermario» am deutlichsten. Die fiepsende und piepsende Hommage an die vielleicht bekannteste Gamefigur amüsiert, ein älterer Herr klöppelt gar mit einem leeren Cognacglas im Takt auf der metallischen Bar. Der Blick im Raum verrät, es wird im Takt gewippt, dem Pepe zugehört, wie er in «Chrischi» das Leben mit einer Kirsche vergleich. 

 

Am ersten Konzert der Premierenausgabe der Winter Sounds stimmt ziemlich alles. Der Soundmix ist klar und deutlich, das Publikum ist angenehm konzentriert und die Band ist in einer blendenden Verfassung. Pepe zeigt sich als charismatischer Geschichtenerzähler, weckt Assoziationen zu Mani Matter, denn wäre dieser nämlich in den Roaring Twenties zum Helden geworden, er hätte wohl genauso geklungen, wie King Pepe an diesem kalten Februarabend. 

Patrick Holenstein / Do, 14. Feb 2013