Stress: Eine Show unter Freunden

Konzertkritik: Stress am 12.1. im Kaufleuten
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Facebook / Stress

Der Clubsaal im Zürcher Kaufleuten ist um 20 Uhr gut gefüllt, aber die Show ist nicht ausverkauft. Die vorderen Reihen lassen diese Tatsache aber fast von Beginn an vergessen. Sie hüpfen und singen während des kompletten Konzertes als gäbe es kein Morgen. Das Publikum ist interessanterweise bunt gemischt. Wer hauptsächliche junge Hip-Hop-Fans erwartet hatte, wird sich ein wenig die Augen gerieben haben: Da standen tatsächlich so einige ältere Semester, gar in den vorderen Reihen. 

 

Den Anfang macht M.A.M. War er lange hauptsächlich als Back up Rapper von Stress bekannt, konnte der Genfer letztes Jahr auf sich als Solo-Künstler aufmerksam machen. Zusammen mit dem britischen Superproduzenten Mark Ronson (Adele, Amy Winehouse) produzierte M.A.M. letzten Frühling einen Song, der im Rahmen einer Kampagne der Olympischen Spiele den ganzen Sommer über im TV zu hören war.

 

Bastian, die kleine Arsch, ist an die Music Awards!

 

 

M.A.M. überzeugt mit starker Bühnenpräsenz und wird vom Publikum frenetisch gefeiert. Der Rapper präsentiert Songs ab seinem neuen Album «Comme Les Jeunes» wie auch Songs des Projekts «Noël’s Room», das er gemeinsam mit Stress, Noah, Bastian und Karolyn aufgenommen hat. 25 Minuten später verlässt der 30-Jährige die Bühne und die fleissigen Helfer bauen in Windeseile um. Sie schleppen Unmengen weisser Frottiertücher und Wasserflaschen auf die Bühne.

 

Dann ist es soweit. Über der Bühne hängt eine Videoleinwand, auf der nun ein einminütiger Countdown eingeblendet ist. Und schon erklingt Stress‘ Stimme «Zuuuurriii, wie geht’s? Kann isch ‚eure ‚ände sehen?» Zusammen mit M.A.M. und Karolyn legt er mit «Au Poste» los. Das Trio hat eine unglaubliche Energie, die ansteckend ist. In gewohnter Manier sorgt Stress für beste Unterhaltung - musikalisch wie auch in den kurzen Pausen zwischen den Songs. «Gestern waren wir in Lusern und wir ‚aben so schlimm Party gemacht. Können wir ‚eute ein wenig mehr machen?» fragt der symphatische Rapper, was vom Publikum mit johlendem Applaus bejaht wird. 

 

Nebst Songs ab seinem neuen Album «Rennaisance II» präsentiert er viele Stücke ab «Noël’s Room». Den Anfang macht «Animal Life». Der Einzige des Projekt-Ensembles, der an diesem Abend mit Abwesenheit glänzt, ist Mädchenschwarm Bastian Baker. Stress entschuldigt seinen Kumpel liebevoll mit den Worten: «Bastian, die kleine Arsch ist ‚eute in die Music Awards!» Aber «À mes côtés» zum Beispiel funktioniert auch ohne Bastian perfekt.

 

Stress hat keine Berührungsängste - er klettert in die erste Reihe.

 

Dass sich die Musiker untereinander bestens verstehen, ist offensichtlich. An diesem Konzert fühlt man sich wie in einer grossen Familienrunde. So erscheint es nur konsequent, dass das gesamte Kaufleuten auf Stress‘ Aufforderung hin «Happy Birthday» für «F», der an den Konzerten jeweils filmt – und zwar immer «dann, wenn du dir wünschst, nischt gefilmt zu werden!», hinschmettert. Stress freut sich und meint: «Ist ganz nett bis jetzt, gell? Aber Sie wissen, nett ist die kleine Bruder vom Arschloch. Wir wollen‘s nicht nett, sondern böse!» Und dann mit Blick auf den Balkon: «Ey meine Freunde in die VIP-Section. ‚Abt ihr es gemütlisch auf eure Stühle? In die nächste drei Minute, es wäre gut, wenn Sie die Arsch bewegen!» Dass lassen sich die Leute auf dem Balkon nicht zweimal sagen. Zum Dank für das grosse Engagement verteilen Stress und Co. übrigens immer wieder Wasserfläschchen an das durstige und verschwitzte Publikum.

 

Ein nächstes Higlight: Als Noah Veraguth von «Pegasus» auf die Bühne kommt. Gemeinsam performen sie «Starship». Noah ist froh, muss er nur für einige Songs auf die Bühne - denn da oben ist es - O-Ton Stress - wirklich «‘üere ‚eiss».

 

Natürlich darf auch «Rester soi-même» nicht fehlen. Das Video dazu hat Stress im Kaufleuten gedreht, bei dem er sich nochmals speziell für die jahrelange Unterstützung bedankt. Bei der Coverversion «I Follow Rivers» von Lykke Li lässt Stress seine Fans singen. Zur Unterstützung steigt er gar selbst in die erste Reihe. Für die Zugabe hat er sich «All my Life» (Noël’s Room) und seine Hitsingle «Elle» aufgehoben, wofür ihm nochmals Noah unterstützend zur Seite steht. Wie immer beendet Stress sein Konzert mit «Ma Musique Meurt».

 

Das Publikum ist zwar verschwitzt, aber glücklicherweise noch am Leben. Zufrieden und schweissgebadet sind auch Stress und seine Mitmusiker. Während rund 90 Minuten haben alle alles gegeben. Das Heimspiel ist auf ganzer Linie geglückt.

Linda von Euw / So, 13. Jan 2013