Stu Larsen und der «Lovesong» für Passenger

Konzertkritik: Stu Larsen im Papiersaal
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loadsofmusic.com / © Shirley-Jane Michael

Gleich beim Merchandise-Stand im Zürcher Papiersaal hängen diverse Posters, die zeigen, welche Künstler in den letzten Jahren dort aufgetreten sind. Eines, aus dem Jahr 2012, zeigt Passenger und sein damaliger Support-Act Stu Larsen. Am 24. Oktober 2017 trat Stu Larsen erneut im Papiersaal auf. Dieses Mal jedoch nicht als Opener. Den Support-Job, übernahm an diesem Abend ein anderer Musiker, nämlich Tim Hart, Mitglied der australischen Folk-Rock Band «Boy & Bear».

 

100% Australien

 

Zum Zeitpunkt der Türöffnung schien es ganz und gar nicht so, als würde sich eine grosse Menschenmenge im Papiersaal einfinden. Einige Zeit später, als Tim Hart die Bühne betrat, stellte man fest, dass doch einige Leute den Weg ins Sihl-City in Zürich gefunden haben. Neugierig begab sich Alt und Jung um die Bühne und lauschte dem Gesang des australischen Sängers. «Wow, ihr seid so still zu meinen Songs, danke», sagte Tim nach dem ersten Song ins Publikum und stimmte unter Geklatsche den nächsten Titel an. Der Applaus wurde nach jedem Lied lauter und die Freude darüber war dem Mann mit Schiebermütze anzusehen. Seine Stimme gleicht seinem Charakter: Tim scheint die Ruhe in Person zu sein. Gelassen sang er die Folk-Songs ins Mikrofon, genoss den Applaus des Publikums und bedankte sich bei den Leuten für das heutige Dasein. «Zurich, you are wonderful. Enjoy Mister Larsen.» Mit diesen Worten verliess er nach einer halben Stunde unter Pfiffen und Applaus die Bühne.

 

Das Licht im Papiersaal wurde wieder heller und der Betrieb an der Bar reger. Einige Leute aus den hinteren Reihen bahnten sich einen Weg weiter nach vorne. Der Saal war zu jenem Zeitpunkt noch besser gefüllt als zuvor und man nahm im helleren Raum das ausgeglichene Verhältnis von Weibchen und Männchen das erste Mal richtig wahr.

 

Kurz nach 21.00 Uhr betrat endlich der Grund, weshalb alle da waren, die Bühne: Stu Larsen. Hut, Skinny Jeans, Vagabond-Schuhe – wie man ihn kennt. Er eröffnete sein Konzert mit «Seaforth Mackenzie». Mit Gitarre in der Hand und einer Mundharmonika um den Hals begleitete er das Lied gekonnt und stellte danach «Ferry to Dublin» vor. «Das ist ein Liebeslied. Es gibt das Gerücht, dass ich es für Passenger geschrieben habe. Ja, das hat mich tatsächlich mal jemand an einer Show gefragt», schmunzelt er und ein Lachen geht durch den Papiersaal. «Das habe ich natürlich nicht, aber damals hiess es das einfach», fuhr er fort und die ersten Chords erklangen. «Hat jemand während den letzten Minuten tatsächlich an Passenger gedacht?», fragte er nach der Performance ins Publikum. Wieder ein Lachen. Das Publikum wurde allmählich locker, genoss die angenehme Atmosphäre, die sich im Papiersaal breit gemacht hatte und widmete sämtliche Aufmerksamkeit der Goldmähne auf der Bühne.

 

Mikrofon aus – Publikum an

 

Stu performte darauf zwei Stücke seines Debütalbums «Vagabond». Man stellte fest, dass diese Lieder dem Publikum durchaus vertraut sind. Vor allem bei «Some Kind of Gypsy» erklang ein wunderbarer Gesang im Zürcher Papiersaal. Stu bat das Publikum beim Refrain um Hilfe. So war der gesamte Papiersaal kurzerhand für den Background-Gesang verantwortlich und Stu sang seine Parts dazu. Plötzlich schaltete er das Mikrofon und den Verstärker der Gitarre aus und machte aus dem letzten Teil des Stückes eine spontane Unplugged-Session. Das Mitsingen funktionierte hervorragend und die Augen im Publikum leuchteten.

 

Mitgeleuchtet hat fast während dem ganzen Konzert die grosse Discokugel auf dem Boden im hinteren Teil der Bühne. Sie verteilte die farbigen Lichter an der Decke und den Wänden und verlieh dem Konzertsaal einen besonderen Hauch von Magie. 

 

Lovesongs für Gitarren 

 

«Den nächsten Song widme ich meiner Gitarre», erzählte Stu. Hinter mir hörte ich Geflüster: «So cool, der hat einfach zu jedem Song eine Geschichte zu erzählen.» «Ja, der Wahnsinn», entgegnete eine Männerstimme. Stu fuhr fort: «Jemand hat mir mal gesagt, dass ich meinen Gitarren einen Namen geben sollte. Mir fiel aber nie einer ein, also habe ich begonnen, die Gitarren nach den Städten, in denen ich sie gekauft habe, zu benennen.» Passend dazu handelte das darauffolgende Lied «Chicago Song» von seiner Liebe zur Gitarre «Chicago». Dem «Chicago Song» folgten zwei seiner bekanntesten Stücke, «San Francisco» und «Thirteen Sad Farewells». Das Publikum sang lautstark mit und drückte so die grenzenlose Begeisterung über Stu’s heutigen Auftritt aus.

 

Ein weiterer Moment der Begeisterung erfolgte, als er Tim erneut auf die Bühne bat und auch gleich noch Tim’s Bruder Jon mit rauf kam. Wie Tim, ist auch Jon Teil von «Boy & Bear». Die drei Herrenstimmen performten Stu’s Song «The Mile», coverten Ray LaMontagne’s «Jolene» und berieselten unter dem Discokugel-Sternenhimmel das Publikum.

 

Die Brüder liessen Stu nach einigen Minuten alleine auf der Bühne zurück und der Abend neigte sich langsam dem Ende zu. Bald sollte also die Magie im Raum verschwinden und die Leute wieder vom Alltag eingenommen werden? Das Publikum genoss die letzten Minuten und liess sich von Stu mitziehen. Er versucht, den Leuten seine Texte ans Herz zu legen und mit den Geschichten aus seinem Leben zu berühren. Berührt hatte er an jenem Abend wahrscheinlich viele Menschenseelen, denn der tosende Applaus nach seinem letzten Lied «This Train» wollte nicht mehr aufhören. Das Publikum verfiel in ein rhythmisches Zugabe-Klatschen und Stu betrat nach wenigen Sekunden erneut die Bühne, schnallte ein letztes Mal seine Mundharmonika um den Hals und machte den letzten Song seines Albums «Vagabond» auch gleich zum letzten Song des Abends. 

 

Byebye, Mister Larsen, see you soon.

 

Mit seinem Vagabond-Look, seiner Art und Weise mit dem Publikum in Kontakt zu kommen und sich auszudrücken, wirkt der Australier sympathisch und man nimmt ihm seine ehrliche Art sofort ab. Wer langsamen, gefühlsvollen und doch abwechslungsreichen Folk mag, ist bei Stu an der richtigen Adresse.

 

 

Rahel Inauen / Fr, 27. Okt 2017