Starten wohl bald durch: Half Moon Run im Plaza Zürich

Konzertkritik: Half Moon Run
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Facebook: Half Moon Run

Die Kanadier Half Moon Run bewiesen in diesem Jahr bereits auf ihrem Debutalbum Dark Eyes, dass man seinem Stil absolut treu bleiben und trotzdem eine grosse Spannbreite an verschiedenen Songs und Stilen präsentieren kann. Egal, ob es ein poppiges Lied wie «Judgement» ist, ein bluesiges Liebesgeständnis wie in «Need it» oder eine Elektro-Hymne à la «Full Circle», all das beherrschen die blutjungen Musiker perfekt.

Harmonieren auf betörende Weise


Das Zusammenspiel auf der Bühne funktioniert genau so reibungslos. Jeder Ton sitzt und die Chorgesänge harmonieren auf betörende Weise. Doch diese Perfektion wird der Band im Verlaufe des Konzertes ein wenig zum Verhängnis. Obwohl die Stimmung im Publikum sehr gut ist und alle Songs, vor allem ihre beiden Hits «Full Circle» und «Call me in the Afternoon», die sie etwa in der Mitte des Sets platzierten, frenetisch gefeiert werden, springt der Funke zwischen Band und Publikum nicht wirklich über. Und das, obwohl die Stimme des Sängers Devon Portielje alleine schon für unzählige Gänsehautmomente sorgt und zeitweise sogar an einen frühen Jeff Buckley erinnert. Erst als sie beim gewaltigen und düsteren Rocksong «She wants to know» etwas aus diesen festen Mustern ausbrechen und sich die klaren, strukturierten Soundwände plötzlich auflösen, sphärisch vor sich hinwummern und der Gitarrist mit überraschenden Verzierungen dazwischen funkt, spürt man ganz deutlich diese treibende Kraft und enorme Spielfreude, die von der Band ausgeht.

Stimmig, harmonisch, abwechslungsreich und kurzweilig


Wahrscheinlich kommt das daher, dass die Band noch nicht lange gemeinsame Sache macht und es ihre erste Headliner-Tour in Europa ist. Die Erfahrung, um auf der Bühne Neues zu wagen und kreativ riskante Sachen auszuprobieren, fehlt noch. Das ist aber nicht weiter tragisch, denn das Konzert ist von Anfang bis zum Schluss ein richtiger Genuss, stimmig, harmonisch, abwechslungsreich und kurzweilig. Die Jungs zeigen musikalische Topleistungen, ganz zu schweigen von ihrem grandiosen Songwriting und diesen verdammt eingängigen Stücken, die einen nicht mehr loslassen wollen. Live entwickeln sie ausserdem eine sehr rockige Note, die wohltuend und spannend wirkt. Sie haben ein riesiges Talent, unheimlich viel Charme und diese feine, selbstironische Arroganz, die man von hippen, aber noch nicht so bekannten Indiebands kennt und liebt.

 

Half Moon Run ist eine junge, aufstrebende Band mit viel, ganz viel Potential, die live zu überzeugen vermag und vermutlich bald richtig gross durchstarten wird - wenn sie nicht schon dabei ist.

Natascha Evers / So, 03. Nov 2013