The Pretty Reckless überzeugen im Komplex Klub

Konzertkritik: The Pretty Reckless in Zürich
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Bäckstage.ch / © Patrick Holenstein

Ein gelber Ballon fällt zuerst auf. Jemand hält ihn in der Hand, schwenkt ihn hin und her und hat ihn zuvor mit der Band des Abends beschriftet. The Pretty Reckless geben ihr erstes Zürcher Konzert und der Komplex Klub ist voll. Aber wieso?

 

Man fragt sich das ehrlich. Spielt dabei eine Rolle, dass Frontfrau Taylor Momsen in der Teenie-Soap «Gossip Girl» schon ein bisschen das schwarze Schaf der Fernsehfamilie gespielt hat? Oder schwingt mit, dass die zwanzigjährige Taylor ihren eigenen Kopf hat, das Schauspielern an den Nagel hängt und als zierlichen junge Frau kernigen Rock spielt? Wenn man sich im proppenvollen Komplex Klub umschaut, fällt auf, dass viele junge Frauen ans Konzert gekommen sind. Für einen Moment huscht die Frage durch den Kopf, ob Taylor Momsen und The Pretty Reckless vielleicht ein wenig das Pendant zu Justin Bieber sind, ein Hafen für junge Frauen, die mit Justin nichts anfangen können und die etwas rebellieren wollen. Wer würde da besser Ikone passen als Taylor Momsen? Wer wieso gekommen ist, sei mal dahingestellt. Aber dem Publikum muss ein Lob ausgesprochen werden, denn es trägt Taylor und ihre Band von Anfang an und verhält sich völlig friedlich. Auch als die Band nach nur knapp einer Stunde die Bühne verlässt, motzt niemand. Eine junge Frau meint sogar, dass ihr eine Stunde guter Musik lieber sei, als ein künstlich gestrecktes Set. Da könnte man jetzt herrlich drüber streiten, denn etwa «Zombie» bleiben The Pretty Reckless schuldig und angekündigt waren sie für eineinhalb Stunden. 

 

 

Aber was soll’s. Machen wir mal die Gegenprobe. Wie funktioniert denn eine Band, an deren Spitze eine junge Skandalnudel steht? Die rauchige Stimme von Taylor passt bestens zum schnörkellosen Sound, denn die Band produziert. Etwa Schlagzeuger Jamie Perkins haut wie ein Berserker in die Felle, kann aber auch etwas sanfter sein Schlagzeug behandeln. Gitarrist Ben Phillips darf sich gelegentlich in kurzen, aber packenden Soli versuchen und der Bass von Mark Damon springt munter dazu. Aber am Ende bleibt der Stil der Band klassischer Rock. Kann man hören und funktioniert live, ist, mal abgesehen von zwei, drei bekannteren Songs, jedoch ziemlich austauschbar. Taylor nennt ja Einflüsse wie The Who oder AC/DC als wichtig für die Band und wenn man will, hört man an er einen oder anderen Songpassage die Einflüsse durchaus. Was Taylor nicht macht, sie spielt die Sexkarte nicht aus. Sie trägt ein schwarzes Kleid mit einem goldenen Kreuz und sie gibt die Frontfrau mit Stil, singt mit der Menge und hier kommt wohl ihre Erfahrung als Schauspielerin zum Zug. Witzig ist, dass sie ihr Gesicht ständig etwas schüchtern hinter ihrer blonden Mähne versteckt und erst gegen Ende auch mal direkt in die Menge schaut. 

 

Ja, man muss wirklich sagen, dass Taylor Momsen weiss, wie man sich als Frontfrau zu verhalten hat. Auch wenn wahrscheinlich der Klub nicht ganz so gefüllt wäre, wenn nicht die hübsche Amerikanerin an der Front stehen würde. Aber auch das spielt keine Rolle, denn im Endeffekt ist es PR und Marketing, um das Produkt, die Musik, zu verkaufen und das funktioniert. So lässt sich Momsen feiern und tanzt entspannt im Stroboskop-Licht und bei Krachern wie «Make Me Wanna Die» singt das Publikum für The Pretty Reckless und da ist dieses gegenseitiges Verständnis, dass Taylor weiss, was sie tut und die vorwiegend weiblichen Zuschauer genau das wollen. Eine Win-Win-Situation also. Die Stimmung im Komplex Klub kocht jedenfalls, sogar als die Band einen unveröffentlichten Song spielt, und das ist ein sehr gutes Zeichen. Das Konzert von The Pretty Reckless ist äusserst solide und mit der zweiten Platte entfernen sie sich auch immer mehr vom Image, dass die Band durch Taylor Momsen hat, denn auch wenn auf Covers und in Videos gerne mit nackten Tatsachen gelockt wird, live steht die Musik im Zentrum. Und das ist gut so. 

 

Patrick Holenstein / Do, 06. Mär 2014