Ohne viel Worte überzeugte Gianna Nannini

Konzertkritik: Gianna Nannini in Zürich
Bildquelle: 
Bäckstage / ©Sandra Rohrer

Seit Jahrzenten ist Gianna Nannini Italiens Rock-Export #1 und selbst in Zeiten von Måneskin hält die inzwischen 66-jährige Sängerin locker mit; das hat sie in Zürich gezeigt.

 

Pünktlich und ohne Support legte Gianna Nannini los und von der ersten Sekunde an strotzte sie vor Energie. Im bestuhlten Hallenstadion, das von einem sehr gemischten Publikum bevölkert war, dauerte es nicht lange, bis Nannini das Publikum erreichte. Spätestens nach 40 Minuten, bei «I Maschi», standen die Leute auf den Sitzplätzen. Da war Nannini aber gerade erst heissgelaufen.

 

Sechs Personen hatte Gianna Nannini als Band im Rücken und diese begleiteten sie gekonnt durch das Set. Dafür überlies die Sängerin ihnen nach etwa einer Stunde die Bühne komplett, um zu zeigen, wie versiert die Rhythmus- und Klangfraktion ist. Wie die Band, versteht auch Nannini ihren Job. So bewegte sie sich lasziv zu «Amandoti», gab die Rockröhre - inklusive Jonglieren mit dem Mikrophonständer - zu «Bello Impossibile», sie schrie bei «Io» laut «Zurigo» den feiernden Menschen entgegen oder tanzte bei «America» gemeinsam mit Kuhglocken, die als musikalische Überraschung geladen waren. Kurz: Gianna Nannini gab Vollgas.

 

Fotos: Bäckstage / ©Sandra Rohrer (sandrarohrerphotography.com)

 

Eine hochkarätige Verstärkung hatte sich Gianna Nannini für den ersten Song im Zugabenblock eingeladen. Bei «Meravigliosa Creaturo» verstärkten der Schweizer Kultmusiker und Grammy-Preisträger Andreas Vollenweider an seiner Harfe sowie zusätzlich eine Cellistin. Gianna Nannini hatte sich dafür extra einen Frack angezogen und für einen Moment verbreitet sich im Hallenstadion eine etwas ruhigere Stimmung. Dafür drehte sie danach für «Un Estate Italiana», jenem #1-Hit, den sie mit Edoardo Bennato für die Fussball-Weltmeisterschaft 1990 in Italien sang, wieder richtig auf. Der Song stand eigentlich nicht auf der Setlist. Wieso er spontan ins Set fand, ist ungewiss, zeigt aber vielleicht einen Hauch von Ironie, sind doch die Italiener bei der aktuellen WM gar nicht dabei. Vielleicht wollte Nannini auch der Schweiz viel Erfolg wünschen. So oder so zündet der Song auch nach 32 Jahren noch immer.

 

Gianna Nannini sprach den ganzen Abend nicht viel, dafür erzeugte sie Stimmung. Ob das die rockigen Momente waren oder die leisen, wie das Lichtermeer bei «Sei Nell‘ Anima», es wurde klar, dass die Italienerin noch immer genau weiss, wie sie sich inszenieren muss, damit ihre Musik ideal unterstrichen wird. Und nach fünf Zugaben rannte sie noch voller Energie auf der Bühne auf und ab, bedankte sich, deutet an, das Publikum am liebsten zu umarmen, und schien zufrieden, aber nicht erschöpft.

 

Nannini brauchte keine grossen Worte, aber solche sind nicht immer notwenig. Trotzdem war das Konzert magisch und sympathisch und ihre unkomplizierte Art spricht für sie. Ein tolles Konzert der italienischen Rock-Ikone.  

 

Sandra Rohrer / Sa, 03. Dez 2022