Loyle Carner und seine Hugo-Tour

Konzertkritik: Loyle Carner in Zürich
Bildquelle: 
Pressebild / ©Jesse Crankson

Text von Thomas Hügli

 

Die letzte Show auf seiner Tour zum Album «Hugo»  sollte es werden im X-Tra in Zürich. Ein denkwürdiger Abend ist es geworden. Der junge Rapper aus London, mit dem ausgefallenen Namen, hat bestimmt dem letzten Zuhörer im Saal gezeigt, warum sich sein Rap entschieden von all den unzählige Sprechgesängen anderer Künstler abhebt. Und dabei geht es nicht mal nur um den Inhalt seiner Texte, sondern vielmehr um das Gesamtarrangement seiner Darbietung, welche er so ganz bescheiden und überzeugend in die Köpfe und Resonanzkörper der auffallend zahlreichen Fans hineinreimt.

 

Unablässig wippen die Arme dem Künstler synchronisiert im Rhythmus mit gestreckten Zeigefinger entgegen und obwohl mein Englisch einem adäquaten Niveau entspricht, kann ich nur streckenweise, vor allem die Refrains, verstehen. Trotzdem entgeht mir der Sinn seiner Gedanken nicht und ich bin begeistert von Loyles Enthusiasmus, seiner innersten, tiefsten Überzeugung von dem, was er da spricht. Um so mehr faszinieren seine Raps, wenn er ganz ohne Beat und Musik seine Lyrics darbietet. Das hat schon fast etwas Magisches, vereint mit Poesie, Wut, Freude und aktuellen Themen, welche die Gesellschaften in dieser Welt bewegen. Einige seiner Texte scheinen sehr bekannt zu sein, ich sehe Leute die tadellos mitrappen können und eine innere, wohlige Zufriedenheit dabei ausstrahlen.

 

Loyle lässt es sich nicht nehmen einige Anekdoten seines Lebens zu präsentieren. «I’am a father now», sagt er mit stolzer Stimme und schwärmt von seinem 2-jährigen Sohn. «I miss him», sagt er mit ruhiger Stimme und kündigt den nächsten Song an, jenen Rap, den er nur ihm gewidmet hat. Die Gefühle, die er für seinen Sohn hegt und welche sein «ganzes Leben verändert haben», lassen sich glaubhaft spüren. Den Namen seines neuen Albums hat er übrigens vom Nummernschild des alten Autos seines Vaters. Mit ihm hat er seinen Frieden gemacht und ihm vergeben. Vielleicht sollten wir alle über unsere Beziehung zu unseren Eltern nachdenken und ihnen vergeben. Sie waren in derselben Lage, in der wir nun sind mit unseren Kindern oder sein werden, mit den Kindern, die wir vielleicht noch haben werden.

 

Eine Playlist seiner letzten Auftritte habe ich mir gegoogelt. Ich wollte mehr über seine Songs erfahren, aber je mehr ich nun darüber nachdenke, ist es nicht so wichtig welchen Song er nun gerade gespielt hat. Viel wichtiger ist, was mich und alle um mich herum bewegt hat, was bleibt von seinen Texten und seiner Musikalität und Genialität.

 

Bäckstage Redaktion / So, 05. Feb 2023