Casper und der lang lebende Tod

Konzertkritik: Casper in der Samsung Hall
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Archivbild: © Seraina Thuma

Dass Casper in der Schweiz eine beachtliche Fangemeinde hat, wird schon draussen vor der Halle sichtbar. Autos mit den verschiedensten Schweizer Kennzeichen durchkurven die Gegend. Drinnen stehen Schulter an Schulter vorwiegend jüngere Zuschauer um die 20 Jahre. Sie erwarten gespannt den Auftakt seiner «Lang lebe der Tod»-Tour. 

 

Ein überdimensional grosses, weisses Tuch mit schwarzem Stacheldraht darauf verdeckt die Bühne. Dann stürzt es zu Boden. Dahinter sind die Konturen von Casper auf einem Podest auszumachen. Im Vordergrund beginnen grelle Flutlichter, die Bühne zu entlarven. Der Song «Alles ist erleuchtet» macht den Anfang. Es heisst darin «Wo Licht am hellsten leuchtet, werden Schatten immer länger.» Schnell wird klar: Hier wird nicht gekünstelt, nichts wird verborgen. Die Sprache ist hart und direkt. Und die heisere, kratzige Stimme gibt den emotionsgeladenen Texten eine zusätzliche Tiefe. 

 

Ganz in schwarz gekleidet und mit Cap auf dem Kopf, hüpft der Rapper während der ganzen Show über die Bühne. Rastlos. Und das, obwohl er befürchtet sich eine Erkältung eingefangen zu haben. Der 35-jährige Künstler ist bekannt für seine energievollen Auftritte, er ist mit Leib und Seele dabei. Als würde er sein Inneres nach aussen kehren - verpackt in eine poetische Sprache. Es lohnt sich bei den Texten genau hinzuhören. Der Inhalt ist oft komplexer als es zunächst den Anschein machen würde. Casper lässt auch gerne verschiedene Genres zusammenfliessen. Der Titelsong «Lang lebe der Tod» beginnt mit härteren, rockigen Elementen, die von einer sanften Melodie umschwebt werden. «Bist du auch so verliebt?» fragt der tätowierte Sänger unverhohlen. Er kritisiert mit diesem Song die unbändige Lust des Menschen nach Unterhaltung und Spektakel. Nach immer mehr und immer heftiger. Nach dem lügenden Leben.

 

Sensibler Künstler in den tiefsten Abgründen des Mensch-Seins 

 

Beim Song «Sirenen» steht Casper auf einer hängenden Plattform, auf der Leinwand ein Strudel aus feurigem Rot. Bei diesem Stück schwingt beklemmende Enge und Angst mit. Es wirkt, als würde er um sein Leben schreien. In solchen Momenten bangt man um seine ohnehin schon lädierte Stimme. Ob er selbst auch Angst hat? Es ist anzunehmen. Denn was macht das mit einem sensiblen Menschen, der vom Nobody zum gefeierten Rapper ins Rampenlicht katapultiert wird?  

 

Gegen Ende singt er das Stück «Blut sehen» und begibt sich in die Mitte seines Publikums. Er zeigt sich nahbar, echt. Im nächsten Moment fordert er die Menge auf, den Mittelfinger zu zeigen. Der Bass wummert währenddessen. Man spürt sein eigenes Fleisch erzittern.

 

Die Fans mussten Geduld haben und lange auf das neue Album warten. Zunächst war die Tour auf den Frühling geplant, bis Casper sie verschob, auf den Herbst. Er sei noch nicht zufrieden mit der neuen Platte, er brauche Zeit. Das Resultat: ein düsteres, aber ehrliches Album eines sensiblen Künstlers, der in die tiefsten Abgründe des Mensch-Seins blickt und dort alles schamlos durchleuchtet. 

 

Ein starkes Konzert von einem ehrlichen Künstler. Wer harte Töne gepaart mit sensiblen Texten mag, der ist beim Rapper Casper an der richtigen Adresse. 

 

Katja Nosswitz / So, 05. Nov 2017