Kein Groll gegen die Stones

Konzertkritik: Bill Wyman & The Rhythm Kings
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Patrick Holenstein / Bäckstage.ch

«Das letzte Mal war ich mit einer anderen Band hier», kokettiert ein bestens aufgelegter Bill Wyman als er die Bühne betritt. Ob er damit die Rolling Stones meint, lässt er im Schummrigen, aber als wolle er den Kreis schliessen, endet das Set zwei Stunden später mit der Stones-Nummer «Honky Tonk Woman». Der 76-jährige ehemalige Bassist der Rolling Stones macht von Anfang an klar, dass der Abend für ihn im Zeichen des Spasses steht.

Mitgebracht hat Wyman seine Rhythm Kings, zu denen so illustere Leute gehören wie Gitarrist Albert Lee (hat unter anderem mit Joe Cocker gearbeitet), Organist Georgie Fame (hat beispielsweise mit Eric Clapton und Van Morrison gearbeitet) oder Keyboarder Geraint Watkins, der nicht nur der «englische Lieblingskeyboarder von Bob Dylan» sein soll, sondern auch mit Leuten wie Mark Knopfler und Sting auf der Bühne stand. Insgesamt bevölkern im Neuen Theater Spirgarten acht Leute die Bühne, acht Leute, durch deren Adern kein Blut fliesst, sondern reinster Rhythm `n Blues.

 


Zwei Stunden lang treiben sie die Zuschauer von Bluesstandard zu herrlicher Improvisation und streuen immer wieder Klassiker in das Set ein. Etwa Ray Charles’ «Hit The Road Jack». Bill Wyman steht meist nur ruhig neben dem Schlagzeug und zupft stoisch, aber gekonnt an seinem Bass. Er fühlt sich ganz offensichtlich wohl im Kreise seiner Freunde, drängt sich nicht nach vorn. Und die zeigen ihr ganzes Können mit einer Leichtigkeit, die sofort auf das Publikum abfärbt.

 

Mary Wilson covert Norah Jones


Aber die Ansagen lässt sich Bill Wyman nicht nehmen. So kündigt er voller Freude die ehemalige Supremes-Sängerin Mary Wilson an und überlässt ihr das Mikrofon. Schon mit dem ersten Song bringt sie viel Motown-Feeling in den Saal und als sie «Stop! In The Name Of Love» anstimmt, ist das Publikum begeistert. Später jammert sie, dass die Musik früher besser gewesen sei. Man ist versucht ihr vehement zu widersprechen, wäre es nicht nur ein Spässchen. Denn kaum, dass sie den Spruch los lässt, meint sie, einen tollen Song würde es aber heute geben. Sie stimmt «Don’t Know Why» von Norah Jones an.

 


Das Herz des Abends sind aber die Musiker. Jeder einzelne von Ihnen ein Meister in seinem Metier. Das ist spürbar. Wenn die beiden Saxofonisten herumalbern, dabei aber jeden Ton treffen oder Albert Lee bei seinen Soli für offene Münder sorgt. In diesem Abend steckt ganz viel Blues und es ist wunderbar, diesen Menschen zuzusehen, für die Musik wohl reine Lebenskraft bedeutet. Als zum Schluss die gesamte Truppe den von Marvin Gaye mitgeschriebenen und von Mick Jagger und David Bowie bekannt gemachten Hit «Dancing In The Streets» performt, ist endgültig klar, dass kein Groll bei Bill Wyman vorhanden ist und die Musik im Vordergrund steht. Dafür gibt es Standing Ovations und dies absolut zu recht. So geht ein Abend mit viel Blues und vielen liebgewonnenen Songs von Bob Dylan über Howling Wolf oder den Supremes zu Ende und er wird wohl bei vielen noch lange nachklingen. Jedenfalls meinte ein Zuschauer aus Zürich zum Schluss: «Das war ja der Hammer!»

Patrick Holenstein / Di, 16. Okt 2012