Die Scorpions eröffneten Start in Town 2019

Festivalkritik: Scorpions am Stars in Town
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© Marcel Kaul / kaulphotographs.com

Der Herrenacker in Schaffhausen war brechend voll, schliesslich sind zumindest die Scorpions seit ein paar Jahren auf «Abschiedstour» und vielleicht würde dies der letzte Aufritt in der Schweiz werden. Natürlich ist das mit einem Augenzwinkern zu sehen, spielte unterbewusst aber vielleicht schon mit. Vorher standen jedoch eh noch Joey Tempest und seine Jungs von Europe auf der Bühne. 

 

Die schwedische Hardrockband eröffnete mit «Walk The Earth» und starte einen vierzehn Songs dauernden Countdown zum weltbekannten Highlight. Erstaunlich ist, dass einige Leute vom Staff am Festival und sicherlich nicht wenige Besucher neben den beiden Hits keinen weiteren Song kannten. So geht es vielen, Europe stehen für «The Final Countdown» und «Carrie», beides veritable Klassiker. Langweilig sind Europe aber darüber hinaus überhaupt nicht.

 

Europe starteten pünktlich und erlösten die wartenden Menschen mit knackigem Rock. Die Schweden, alle Mitte 50, sorgten für eine hervorragende Stimmung. Zwar sind von der Urbesetzung inzwischen nur noch John Norum und Joey Tempest dabei, aber die sind längst fundiert unterstützt mit Bass, Keyboard und Drums, die einen fetten Sound aufbauten. Zum Sound passte das stilvoll inszenierte Bühnenlicht, das beim ersten grossen Höhepunkt, der bereits erwähnten Ballade «Carrie», für die richtige Stimmung sorgte. Ein Lob an den Lichttechniker. Amüsant am Rande: Im Netz finden sich Quellen, die behaupten, «Carrie» sei von Michael Bolton geschrieben worden. Stimmt natürlich nicht, der Song stammt von Joey Tempest und Mic Michaeli.

 

Das Wetter spielte trotz anders verlautender Prognosen den ganzen Abend lang mit und so feierten Europe das Ende ihres Gigs mit «The Final Countdown» und ein paar tausend Backgroundstimmen vor der Bühne. Der Abend war lanciert. 

 

Fotos: Scorpions © Marcel Kaul (kaulphotographs.com) / Europe © Sandra Rohrer (sandrarohrerphotography.com)

 

 

Seit weit über 50 Jahren stehen die Scorpions auf der Bühne und zählen zu den erfolgreichsten deutschen Bands überhaupt. Sonnenbrillen sind bei Sänger Klaus Meine und Bandkollege Rudolf Schenker eh schon ewig Standard, was sie unnötig cool erscheinen lässt und eine Distanz aufbaut. Dagegen entschuldigte sich Klaus Meine gleich zu Beginn für seine Stimme. Sie sei nicht optimal. Wenn man bedenkt, dass der Sänger 1981 an den Stimmbändern operiert wurde und lange benötige, um überhaupt wieder singen zu können, klingt er jedoch ziemlich gut und zumindest bei «Wind Of Change» konnte er kurz durchatmen, weil alle auf dem Platz mitsangen. Der Song wird oft in Verbindung mit dem Fall der Berliner Mauer gebracht. Tatsächlich wollte Klaus Meine aber den Wandel im Ostblock und das Ende des Kalten Krieges generell thematisieren, was natürlich im historischen Kontext dann schon auch mit den Ereignissen in Berlin zu tun hat. Der Song gilt allgemein als Hymne der Wende, auch wenn er erst 1991 als Single erschien. 

 

Die Scorpions sind aber natürlich viel mehr als dieser eine Song. In der Karriere haben sie Klassiker wie «Send Me An Angel», «Rock Me Like A Hurricane», «Still Loving You» oder «The Zoo» geschaffen, die in Schaffhausen gewohnt zündeten. Die Bühne bestand aus einem Podest, das sich über die volle Breite der Bühne zog und auf dem mittig das Schlagzeug platziert war. Daneben konnten sich die Saitenmänner und Klaus Meine beliebig bewegen, neben das Schlagzeug stehen oder in Form von Schatten auf dem grossen Screen erscheinen. 

 

Neben Klaus Meine ist Rudolf Schenker an der Gitarre der bekannteste Name bei den Scorpions. Der Gitarrist ist international bekannt und hat mit der «Windmühle», seinem Gitarrenspiel mit drehenden Arm, ein Markenzeichen gepflegt. Seine Soli sind fester Bestandteil eines Scorpions-Konzertes. Ein fünfminütiges Schlagzeugsolo wurde allerdings nicht nur gefeiert, sondern im Anschluss an das Konzert sogar von ein paar Besuchern als «unnötig» kommentiert. Aber bei einer Rockband gehören Soli einfach dazu. 

 

Dafür kuschelten sich bei den Balladen Paare zusammen und «Here I Am» sorgte als Abschluss für eine Runde Setlist. Klaus Meine verabschiedete sich mit den Worten «Kommt gut nach Hause», ein Wiedersehen hat er nicht in Aussicht gestellt, aber die Maschinerie Scorpions läuft rund und auch nach über fünf Jahrzehnten noch bemerkenswert solide. 

 

Eindrücklich ist teilweise schon das Alter der Band. Wenn man mit 71 Jahren noch soviel Gas geben kann, muss man körperlich fit sein, auch wenn die Deutschen in gewissen Momenten etwas hüftsteif wirkten, aber wer ist das nicht in dem Alter. Den Scorpions hat man jedoch ihr Alter nicht angemerkt und genau dies machte diesen Abend zu einem eindrücklichen und tollen, rockigen Gesamtpaket. 

 

Europe und die Scorpions bildeten einen super Start in die Stars in Town-Woche. Das Festival feiert ja dieses Jahr 10-jähriges Jubiläum.

 

Sandra Rohrer / Do, 08. Aug 2019