The Decemberists und die singende Insel

Konzertkritik: The Decemberists im Kaufleuten
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Bäckstage / © Patrick Holenstein

Mitten im Set schickt Sänger und Galionsfigur der Decemberists, Colin Meloy, den Gitarristen mit einem klaren Auftrag ins Publikum. Er soll eine Insel bauen. Willkürlich pickt sich Chris Funk nun Menschen in allen Altersklassen und beider Geschlechter aus der Menge, wieselt immer wieder eifrig um die Menschengruppe herm, um einen Abstand im Publikum zu erreichen. «Twenty People» ruft Colin dazwischen und langsam bildet sich ein kleines Grüppchen innerhalb des sehr gut gefüllten Kaufleuten. Ein letztes Mal geht Chris um die Gruppe herum, begutachtet konzentriert sein Werk und nickt zufrieden. Dann geht er zurück auf die Bühne. Jetzt wird gesungen. Einmal die «singende Insel» und einmal die Besucher rundherum. Es geht um den Song «The Island» und Colin freut sich diebisch, dass die Schweizer mitmachen. Dann fügt er hinzu. «Die Insel ist die Schweiz und alles andere ist die europäische Union». Naja, so einfach kann es sein, wenn Amerikaner ihr politisches Verständnis symbolisieren und man fragt sich, was The Decemberists an dieser Stelle zwei Tage zuvor in Berlin getan haben. 

 

 

So witzig der Moment ist, er steht für das Auftreten der Band. The Decemberists, die beliebte Folkband aus Portland, die sich zwischenzeitlich auch gerne mal im Blues suhlt, steht das erste Mal auf einer Zürcher Bühne und sie machen eine gute Falle. Eröffnet hat das Konzert Colin Meloy. Schick geschalt und mit dem adrett gestutztem Hipsterbart füllt er den Raum sofort mit der unverkennbar warmen Stimme, lässt schon zu Beginn die ersten Menschen schwärmen. Im Himmel schliessen sich Augen, lassen sich die ersten Konzertbesucher von den fragilen Klängen treiben. Erst nach ein paar Minuten gesellen sich die weiteren Mitglieder der Truppe auf die Bühne und steigen ein. Schnell wird klar, dass The Decemberists musikalisch gross auffahren. Besonders die Rhythmussäulen fallen auf. Neben dem engagierten Schlagzeuger sind zeitweise bis zu zwei weitere Trommeln im Einsatz. Jeder Musiker weiss genau, was getan werden muss und keiner stellt sich ins Zentrum. Immer wieder suhlt sich die Band genüsslich in langen Instrumentalpassagen und erfüllt auf einen Zuruf aus dem Publikum gar den Wunsch und spielt «The Crane Wife» in voller Länge, also alle drei Teile. Musikalisch ist das grosses Kino. Von der Mundharmonika bei «Down By The Water» bis zum letzten Akkord der Zugabe mit «The Mariner’s Revenge Song»

 

Was von den sieben Musikern in Erinnerung bleibt, ist die schwelgerischer Mischung aus Folk und Blues und der Schalk, den die Band durchaus besitzt. So gibt Sänger Colin Meloy im Konzert seine Gitarre ins Publikum, damit darauf herumgeschrammelt  werde. Das hat dann nicht soo gut geklappt, dafür bringt er das Publikum bei einem Kanonspielchen zum Singen und beweist, wie stimmungsvoll das Zürcher Publikum sein kann. Wenn man sich im Laufe des Konzertes umschaut, sind die Menschen am Geniessen. Man hängt der Band an den Saiten bzw. Lippen und schließt gern mal die Augen, um in der Musik aufzugehen und verklärte Blicke sind im Grunde die schönste Bestätigung für eine Band, die sich laut eigener Aussage schon viel früher nach Zürich hätte begeben sollen. 

 

Verträumter Folk und bodenständiger Blues. Die muntere Folktruppe aus Portland hat beim ersten Auftritt in Zürich gezeigt, weshalb ihre lebensfrohe Musik weltweit geliebt wird. Hoffentlich kommen die Amerikaner bald in die Schweiz zurück.

Patrick Holenstein / So, 01. Mär 2015