Caroline Chevin wieder auf der Bühne

Konzertkritik: Caroline Chevin in Bern
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Bäckstage / © Sandra Rohrer

Caroline Chevin ist wieder zurück auf der Bühne. Nach fünfjähriger Pause, durch einen schweren Schicksalsschlag und einer Auszeit in Neuseeland, hat sie sich entschieden, mit ihrem Sohn wieder in die Schweiz zu kommen. Und sie macht wieder Musik.

 

Das La Cappella in Bern war gut besucht, aber nicht ganz voll. Auf dem Balkon boten fast alle Stühle noch Platz zum Sitzen. Caroline schlich sich ganz leise auf die Bühne und platzierte ihren Gitarrenkoffer offen am Rand der Bühne. Sie sagte zur Begrüssung: «Hoi zämä, ich hab mal meinen Gitarrenständer gleich zu Hause vergessen.» Das sei aber kein Cabaret, sondern ein Konzert und solle besser werden.

 

Mit den Gedanken woanders

 

Schön gesagt, zu schön gesagt. Der ganze Abend klang und wirkte jedoch schon ein wenig wie ein Cabaret und man glaubte zu merken, dass Caroline noch nicht angekommen ist, mit denn Gedanken auch nicht ganz auf der Bühne stand, sondern ganz woanders war. Aber zuerst zum Konzert.

 

Der erste Song, den sie spielen wollte, klappte irgendwie nicht so richtig. Also entschied sich Caroline spontan für ein Cover als Opener. Man merkte ihr an, das sie extrem nervös war. Als zweiter Song folgt bereits ein neuer, «What You Love». Dazu erzählte Caroline, dass sie mit dem Song sagen will, man soll nur das machen, was man wirklich liebt und sich nicht irgendwo reindrücken lassen.

 

Zuerst spielte Caroline, in einer viel zu engen Lederjacke und rotem Kleid, die ersten paar Songs ganz alleine und mit Gitarre. Danach wurde sie von einem jungen Musiker am Klavier begleitet. Irgendwann zog sie die Jacke aus und meinte: «Ich bin so nervös.» Irgendwann fand Caroline, dass die Zuschauer klatschen und mitsingen sollten. Es folgte «In A World Full of Lies». Die Zuschauer machten sehr gut mit, zierten sich aber noch ein wenig beim Singen und Caroline riet: «Ihr fühlt euch viel besser, wenn ihr jetzt aus voller Brust mitsingt.»

 

Fotos: Bäckstage / © Sandra Rohrer (sandrarohrerphotography.com)

 

Als sie den Song «Home» ankündigte und von ihren Wurzeln in Weggis, wo sie aufgewachsen ist, erzählte und daraufhin sagte: «Man muss weit weg gehen, um wieder nach Hause zu finden», bemerkte sie, dass der Song noch gar nicht für diese Stelle geplant gewesen wäre. Anstatt die Setlist umzustellen, meinte sie, dass die Einleitung auch für den kommenden Song, «Fly With Me», passen würde. Geschrieben hat sie den Song für ihren vierjährigen Sohn.

 

Als sie Caroline nach einer kurzen Pause für ein zweites Set wieder auf die Bühne trat, erzählt sie von Neuseeland. Fünf Jahre habe sie in Neuseeland gelebt und zum Schluss noch einen Road Trip mit dem Sohn durch das Land gemacht. Dazu würde es den Song «Enjoy The Ride» geben, der auch gleich Titel des für den 27. März 2020 angekündigten Albums sein wird. Am Konzert konnte man sich eine Postkarte mitnehmen, ausfüllen und dann flattert irgendwann das Album unterschrieben in den Briefkasten. Eine schöne Idee.

 

Plötzlich war die Bühnenpräsenz da

 

Bei «Rise» schnippten ein paar Zuschauer mit den Fingern und eine schöne Atmosphäre breitete sich aus. Bisher hatte man irgendwie das Gefühl, Caroline würde nicht recht anwesend sein. Bis zur neuen Single «50/50», die gerade erschienen ist. Plötzlich zeigte Caroline endlich, was in ihr steckt. Plötzlich war jene Bühnenpräsenz da, die man kannte, bevor Caroline nach Neuseeland reiste. Das Lampenfieber schien wie weggeblasen. Genau so soll ein Konzert sein. Die Leute klatschen voller Freude im Takt mit.

 

Aber danach folgt ein Rückschlag. Für ein Cover nutzte sie ihr Handy als Texthilfe. Als Sängerin sollte man sich doch immerhin so gut vorbereiten, das man denn Text kann oder sonst denn Song gleich sein lassen. Das geht gar nicht. Und ist der Wurm erst einmal drin, bleibt er auch. Bei «Back In The Days» vergass sie zwischenzeitlich, dass sie Gitarre spielen sollte und hatte dazu ihren Capo hinter der Bühne gelassen. Denn musste ihr Kollege holen gehen. Aber trotzdem war die Bühnenpräsenz noch immer super.

 

Sie spielt danach noch zwei Zugaben und mit «Strong Enough» war nach zwei Stunden endlich Schluss.

 

Caroline Chevin hat noch sehr viel Potenzial zur Steigerung als Sängerin. Am Anfang war diese leichte Unsicherheit, dieses Bisschen Vergesslichkeit noch süss. Irgendwie hat sie sich durch ihr ganzes Set gekämpft und war nur körperlich anwesend. Schade, denn sie kann das viel besser, wie sie bei früheren Konzerten bewiesen hat.

 

Sandra Rohrer / Do, 14. Nov 2019