Save our Souls – ein SOS ins Weltall

Moviekritik: Gagarine
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Filmplakat / ©Filmcoopi AG

Yuri lebt ohne Eltern und Geschwister in der Cité Gagarine am südlichen Stadtrand von Paris. Die Sozialwohnungen sollen bald abgerissen werden. Während die Siedlung sich langsam leert, kämpft Yuri bis zu Schluss gegen den Abriss. Und findet dabei neue Freunde.

 

(Filmfoto / ©Filmcoopi AG)

 

Der Spielfilm «Gagarine» von Fanny Liatard und Jérémy Trouilh erzählt die Geschichte des Jugendlichen Yuri, der ohne seine Familie in der Sozialsiedlung Gagarine lebt. Eine Geschichte mit realem Hintergrund:

 

Am 12. April 1961 flog Juri Gagarin als erster Mensch ins Weltall. Ein paar Monate später, am 1. Oktober 1961, wurde in der südlichen Banlieu von Paris eine Sozialwohnungs-Siedlung eingeweiht und nach dem sowjetischen Kosmonauten benannt. Fast 60 Jahre später, im Herbst 2019, wurde die Cité Gagarine abgerissen. Sanierungspläne hatten ergeben, dass das baufällige Gebäude nicht mehr zu retten war. Überalterung der sanitären Anlagen, Mängel im Evakuierungssystem und Asbest – zu diesem Schluss kommt ein Expertenkomitee und empfiehlt, die Cité Gagarine, 365 Wohnungen auf 13 Geschossen, abzureissen. Im Film bricht für Yuri eine Welt zusammen. Nachdem er mehrmals vergeblich versucht, seine Mutter telefonisch zu erreichen, entscheidet er sich, dennoch in der Cité zu bleiben.

 

«C’est chez moi.»

 

Während das Gebäude geräumt wird und eine Familie nach der anderen auszieht, verschanzt Yuri sich in seiner Welt. Er schafft es, sein Reich vor den Inspektoren versteckt zu halten, die rund um die Baustelle alles abgeriegelt haben. Beinahe scheint Yuri abzudriften in seine Fantasiewelt, wo er schwerelos im All schwebt und an seiner Weltraumkapsel baut. Doch Diana und Dali gelingt es, mit Morsezeichen und tanzenden Derwischen zu ihm durchzudringen. Und sie finden Fantastisches vor - Yuri, der davon träumt, wie sein Vorbild Gagarin ins Weltall zu fliegen, scheint nur noch einen Plan zu haben – sein Zuhause zu retten. Koste es, was es wolle.

 

(Filmfoto / ©Filmcoopi AG)

 

Auf wunderbar leichte Art und Weise zeigt der Film, welche Bedeutung die Sozialsiedlung aus rotem Backstein für die Bewohner hat. Selbst wenn viele mit gesundheitlichen oder finanziellen Problemen zu kämpfen haben, finden sie in der Gemeinschaft Halt und Geborgenheit.

 

Gagarine forever

 

Anstatt die Siedlung zu sprengen, entschloss man sich Ende 2019 dazu, sie innerhalb von mehreren Monaten abzubauen. Das Pariser Rap-Duo PNL setzten der Cité Gagarine mit einem überdimensionalen Plakat an der Fassade ein letztes Denkmal. Ausserdem wurde von Frühjahr bis Herbst 2019 in temporären Ateliers mit verschiedenen Kunstprojekten an den Ort erinnert. Wo einst der T-förmige Plattenbau gestanden hat, sollen bis zu den Olympischen Spielen 2024 moderne Wohnungen und Büros entstehen.

 

Das dokumentarische Archivmaterial zu Beginn des Films verschmilzt mit den magisch realistischen Sequenzen zu einer faszinierenden Geschichte rund um den Mythos Gagarin. Aus einem ungewohnten Blickwinkel erzählen Liatard und Trouilh vom sozialen Brennpunkt in der Pariser Banlieu.

 

  • Gagarine (FR, 2020)
  • Regie: Fanny Liatard, Jérémy Trouilh
  • Besetzung: Alseni Bathily, Lyna Khoudri, Jamil McCraven
  • Laufzeit: 98 Minuten
  • Kinostart: 9. Dezember


Der Film läuft nur noch wenige Tage! Zum Beispiel im Kosmos, Zürich oder dem Kellerkino in Bern. 

 

Yolanda Gil / Mi, 29. Dez 2021