Phönix aus dem Scherbenhaufen

Movie-Kritik: Glass
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© Walt Disney Company Switzerland

Antiheld David Dunn führt mit seinem Sohn einen Laden für Sicherheitssysteme. Nachts streift er durch die Stadt und macht Jagd auf Verbrecher. So stösst er während einer Rettungsaktion auf einen ebenbürtigen Gegner: Kevin Crumb, ein Mann mit gespaltenen Persönlichkeiten, von denen sich eine «Das Biest» nennt – ein mordlustiger Muskelprotz. Der Kampf endet mit ihrer Verhaftung und der Einweisung in die Psychiatrie, wo sie auf Mr. Glass treffen, jener gebrechliche aber hochintelligente Bösewicht, der fast zwanzig Jahre zuvor einen Zug zum Entgleisen brachte. David war damals ebenfalls an Bord und überlebte als einziger, wodurch er seine Unverwundbarkeit entdeckte. Nun will eine Psychiaterin den Dreien einreden, ihre Superkräfte seien blosse Einbildung. Besonders Mr. Glass will sich das nicht bieten lassen und hat längst einen Fluchtplant ersonnen, der tragische Ereignisse nach sich ziehen wird.  

 

 

Als der erste Teil der Trilogie, «Unbreakable», im Jahr 2000 debütierte, befand sich das Superhelden-Genre noch in den Kinderschuhen. Der wenig actionreiche Film sollte nicht nur den Grundstein für die Sagas von Marvel und DC, sondern auch Shyamalans eigene Karriere legen. Doch schon nach seinem nächsten Werk «Signs» ging es nur noch bergab. Zwar blitzte sein Genie gelegentlich wieder auf, etwa durch das Drehbuch für «Devil», aber erst 15 Jahre später fand er mit «Split» zurück zu alter Form. Es war offensichtlich, dass der Film im gleichen Universum wie «Unbreakable» spielte, und so war es nur eine Frage der Zeit, bis ein dritter Teil auftauchen würde. 

 

McAvoy bleibt Troy

 

Nun wollen alle wissen: Ist Shyamalan endlich zurück oder war «Split» nur ein Glücksfall? Seine unerreichte Pannenserie hängt noch immer über ihm wie ein Damoklesschwert, aber er nutzte die beiden Pfeile in seinem Köcher – die Vorgängerfilme – um erneut einen Treffer zu landen. Ähnlich wie Christopher Nolans Batman-Trilogie verfolgte Shyamalan eine realistischere Herangehensweise ans Genre und hebt sich damit deutlich von Marvel und DC ab. Es ist der Kontrast zwischen den drei Protagonisten, der die Story ausmacht. Ein blasser, aber liebenswerter Antiheld, ein Psychopath mit multiplen Persönlichkeiten und ein Superbösewicht mit gebrechlichem Körper, die auf Gedeih und Verderb miteinander verbunden sind. 

 

Auch diesmal darf man sich auf Wendungen innerhalb der Geschichte freuen, auch wenn manchen die Auflösung vielleicht nicht passen wird. Aber man kann sich nicht über Hollywoods gegenwärtige Wiederaufbereitungs-Hysterie echauffieren und gleichzeitig herumnörgeln, wenn mal jemand tatsächlich was dagegen tut. Die meiste Kritik an den Film geht dann wohl auch auf seine schwächeren Werke zurück, doch wer sich auf «Glass» einlässt, wird mit einem eigenwilligen kleinen Juwel belohnt, das den Vorgängern gerecht wird.  

 

Shyamalan liefert die dringend nötige Antithese zur grassierenden Superhelden-Manie ab, ohne dabei den Fokus von deren Grundlage zu nehmen: Der Comicbuch-Kultur. Geschickt führt «Glass» die Filmserie zu ihrem vorläufigen Ende und brilliert mit Dialogen, Wendungen und Action – alles in wohldosierter Form. Allein McAvoys grandiose Performance ist das Kinoticket wert. 

 

  • Glass (USA, 2018)
  • Regie und Story: M. Night Shyamalan
  • Darsteller: Bruce Willis, James McAvoy, Samuel L. Jackson, Sarah Paulson
  • Laufzeit: 129 Minuten
  • Kinostart: 17. Januar 2019 

 

Mike Mateescu / Sa, 19. Jan 2019