Neue Wege in die Zukunft

Moviekritik: School of Hope
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Filmplakat, Quelle: Dok.fest München, zVg

Die Dürre der marokkanischen Wüste zwingt viele Nomaden dazu, ihren Lebensraum zu verlassen. Wer bleiben will, muss neue Wege finden, um sein Überleben zu
sichern. Die Dokumentation «School of Hope» von Mohamed El Aboudi erzählt davon.

 

Über den beiden Männern wölbt sich ein unendliches Himmelszelt, blau und wolkenlos. «Nur eine Frage: Wo ist die Toilette?» «Toilette? Es gibt keine Toilette. Rundherum ist viel Land. Die Kinder können irgendwo ihr Geschäft verrichten.» «Richtig. Und wie sieht es mit Wasser aus?» Der junge Lehrer, der nach einer langen Bus-Reise durch die nordafrikanische Steppe, das kleine Lehm- Schulhaus besichtigt, in dem er schon bald unterrichten wird, scheint besorgt. Die Kamera schwenkt langsam über die Weite der Wüste. Felsen, Steine und Sand, so weit das Auge reicht. Der Schulraum sei besser als nichts, sagt der Lehrer zum Vater, der ihn begleitet hat.

 

Am nächsten Morgen packen die Eltern Bleistifte, Radiergummis und anderes Schreibmaterial in die Schultaschen, die sie für ihre Schützlinge zum Schulanfang besorgt haben. Nicht alle Eltern sind damit einverstanden, dass ihre Kinder zur Schule gehen. Manche sähen es lieber, sie würden sich weiterhin Zuhause ums Vieh kümmern. Die Mutter der zwölfjährigen Fatima beispielsweise, muss viel Überzeugungsarbeit leisten bis ihr Mann halbherzig einwilligt, seine Tochter zur Schule zu schicken.

 

Du musst früh aufstehen!

 

«Träumen von einer guten Zukunft. Das ist Hoffnung. Ich möchte, dass ihr Lehrer werdet oder Doktor oder Ingenieure», erklärt der junge Mann den Kindern, die bedächtig lauschen. Um seinen Worten Nachdruck zu verleihen, hat er in arabischer Schrift die Worte „Schule der Hoffnung“ an eine Aussen- wand der Lehmhütte gepinselt, in der er die Kinder unterrichten wird.

 

Bilder von Teezeremonien um Lagerfeuer in der Abenddämmerung, von unendlicher Trockenheit, weitem Himmel und weidenden Viehherden prägen sich ein. Dazwischen verdeutlichen die Sequenzen in der Schule mit Grossaufnahmen von konzentrierten Kindergesichtern, die sich mal ehrfürchtig, mal ausgelassen auf den Lehrer und den Lernstoff einlassen, wie wichtig Bildung für die Zukunft der Kinder ist. Doch längst nicht alle haben die Möglichkeit zur Schule zu gehen. Manche haben einen sehr langen Schulweg. Sie leben bis zu 12 km von der Schule entfernt. Dennoch ist es dem Lehrer wichtig, dass alle angemeldeten Kinder regelmässig am Unterricht teilnehmen. Einen Jungen, der nicht aufgetaucht ist, holt er persönlich ab und mahnt ihn, früher aufzustehen. Auf dem Rücken des Esels macht der Junge sich am nächsten Morgen gemeinsam mit seinem Vater auf den Schulweg. Etwas später kauft der Vater seinem Sohn ein Fahrrad und lässt ihn alleine zur Schule fahren.

 

Beten für Wasser

 

Der Oulad Boukais Stamm gehört zu den letzten traditionell lebenden Nomaden in Marokko. Sie ziehen in der Wüste umher und siedeln sich dort an, wo sie eine Wasser-Quelle finden. Die extreme Dürre, von der Nordafrika in den letzten Jahren heimgesucht wird, macht den Nomaden und auch ihren Tieren schwer zu schaffen. Ausgetrocknete Brunnen und Wasserlöcher zwingen die Männer, ihre Familien und Herden dazu, von Ort zu Ort zu ziehen; immer in der Hoffnung, neues Weideland zu finden. «Ich hatte 1100 Lämmer, jetzt sind es noch 150», erzählt ein Hirte, nachdem er sein Gebet beendet hat. «Wir haben diese Lebensweise von unseren Ahnen übernommen. Wenn es regnet ist alles gut, aber die Dürre ist brutal. Nur Gott kann uns helfen.»

 

Auszeichnung durch die SOS-Kinderdörfer


Jedes Jahr vergibt das DOK.fest einen Preis der SOS-Kinderdörfer für Filme, die in besonderer Weise die Perspektiven von Kindern und Jugendlichen sichtbar machen. Dieses Jahr geht der Preis an den in Finnland lebenden Regisseur mit marokkanischen Wurzeln, Mohamed El Aboudifür seinen Film School of Hope. Die Jury schreibt in ihrer Begründung: «Der Dokumentarfilm «SCHOOL OF HOPE» von Mohamed El Aboudi zeigt auf berührende und poetische Weise, wie elementar wichtig Bildung für die Entwicklung einer Gesellschaft ist. Für diese Kinder ist die Schule der Ort, an dem sie ganz Kind sein dürfen. Es ist ein Film, der Hoffnung macht, der zeigt, wie stark und voller Neugierde Kinder sein können – und wie dankbar sie sind, etwas lernen zu können. Der Film erzählt in jeder Hinsicht behutsam, mit langsamen Schwenks über die Landschaft zeigt er eindrucksvoll die Lebensumstände der Nomaden und stellt dadurch eine besondere Nähe her. Die herausragende Kameraarbeit und der sensible Einsatz der Musik verstärken diesen Eindruck. Die dürre Landschaft scheint im Kontrast zur Resilienz dieser Kinder zu stehen. Doch gleichermassen zeugt der Film auch davon, dass der Klimawandel vor keiner Region dieser Erde haltmacht. Ein berührender, sensibler Film, der mit leisen Tönen mahnt, nicht die Augen vor den großen Problemen der Gesellschaft zu verschliessen, aber gleichwohl Hoffnung ausstrahlt durch die starken Protagonisten und Protagonistinnen, die im Mittelpunkt dieses Filmes stehen. Der Film macht Lust auf Schule und er steht gegen die Schulverdrossenheit, die man hierzulande oft spürt.»

 

Was in unseren Breitengarden selbstverständlich scheint, kann für die Nomaden in der marokkanischen Wüste eine Frage des Überlebens werden: Eindrücklich dokumentiert «School of Hope» die noch heute fortgeführte traditionelle nomadische Lebensweise. Feinfühlig geht der Regisseur Mohamed El Aboudi dabei auch auf verschiedene Probleme ein, denen sich die Wüstenbewohner stellen müssen, wie die extreme Wasserknappheit während der Dürre oder die Ausbildung der jüngeren Generation, die als Erwachsenen dennoch oftmals keine Arbeit finden. Starke Bilder, die nachdenklich stimmen und dazu einladen, dem Leben mit mehr Wertschätzung und Achtsamkeit zu begegnen.

 

  • School of Hope (Finnland, Frankreich, Marokko 2020)
  • Regie & Drehbuch: Mohamed El Aboudi
  • Laufzeit: 78 Minuten
  • Kinostart: n.a.

 

Der Film wurde im Programm am Dok.fest München gezeigt. 

 

Yolanda Gil / So, 23. Mai 2021