Für ein Moment Unendlichkeit

Moviekritik: The Perks of Being a Wallflower
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Im Verleih von ASCOT ELITE

Es ist der erste Tag an der Highschool und Charlie (Logan Lerman, «Percy Jackson – Diebe im Olymp») zählt bereits die Tage bis zum Abschluss, die es zu überstehen gilt. Der sensible, introvertierte Teenager scheint sich darauf eingestellt zu haben, die kommenden Jahre als Aussenseiter zu verbringen und als unbeteiligter Aussenstehender den Alltag seiner Mitschüler zu beobachten. Seine Eindrücke hält er in Briefen fest, die er einem namenlosen Freund schreibt und die den Zuschauern mittels Voice-over zugänglich gemacht werden. Doch es kommt alles anders als Charlie die Stiefgeschwister Patrick (Ezra Miller, «We Need to Talk About Kevin») und Sam (Emma Watson, «Harry Potter»-Reihe) kennen lernt – zwei unangepasste Freigeister aus der Abschlussklasse, die sich selbstbewusst und scheinbar immer gut gelaunt dem Zwang widersetzen dazuzugehören. Ohne Umschweife nehmen sie Charlie in ihrem Freundeskreis auf, der dadurch plötzlich mittendrin ist im Geschehen. So beginnt er eigene Erfahrungen zu machen, die von der ersten Party und das Ausprobieren von Drogen bis hin zum ersten Kuss und der ersten Verliebtheit reichen.

 

 

Regisseur Stephen Chbosky adaptierte mit «The Perks of Being a Wallflower» seinen gleichnamigen Debütroman, der 1999 erschien und innert kürzester Zeit ein Bestseller wurde. Die thematische Bandbreite und die Vielschichtigkeit der Figuren heben diesen Film aus der Masse der Highschool-Komödien heraus. Auch wenn zunächst altbekannte Stereotypen aufgeboten werden wie der schüchternen Aussenseiter, der Star der Footballmannschaft, der Klassenclown und stellenweise ein idealistisch-verklärtes Bild gezeichnet wird: Charlie ist zwar ein Aussenseiter, doch sein Englischlehrer versteht und fördert ihn, seine Eltern und Geschwister sind nett zu ihm und er findet Freunde, die zwar älter sind, aber ihn sofort liebgewinnen und in ihrer Clique aufnehmen. Doch Chbosky kratzt im Laufe der Geschichte an dieser unbeschwert-fröhlichen Oberfläche. Er erlaubt den Zuschauern einen Blick hinter die Fassade der Hauptfiguren. So erfahren wir - wenn auch oft nur angedeutet – dass jedes der Teenager eigene Sorgen hat, mit denen er sich herumschlagen muss und die bei weitem nicht nur banal sind. Weil sich die Figuren durch diese Krisen weiter entwickeln und nicht ihren stereotypen Rollen verhaftet bleiben, gelingt es ihnen die Zuschauer zu berühren und die Geschichte erscheint umso realistischer.

 

Fragen werden zu abrupt geklärt

 

Dazu trägt vor allem aber auch die schauspielerische Leistung der Darsteller sehr viel bei. Besonders Logan Lerman überzeugt mit seiner facettenreichen Verkörperung von Charlie, der zunächst so kindlich-naiv erscheint, doch im Laufe des Films auch immer wieder grosse Stärke beweist. Das wird immer deutlicher je mehr wir von seiner Vergangenheit erfahren. Chbosky inszeniert Charlies Geschichte auf eindrückliche Weise, indem er Bilder aus Charlies Kindheit aufblitzen lässt, die zwar nur wenige Sekunden dauern, aber durch ihre Kürze ein beklemmendes Gefühl erzeugen So werden von Anfang an Fragen aufgeworfen, die die Spannung steigern und die Geschichte vorantreiben. Doch leider werden sie am Schluss zu abrupt und beiläufig geklärt.

 

 

Dennoch ist «The Perks of Being a Wallflower» insgesamt eine kurzweilige Coming-of-Age-Geschichte, der es trotz der vielen bedrückenden Themen gelingt, nicht in die Sentimentalität abzurutschen. Getragen vom Soundtrack der 80er und 90er Jahre lässt der Film die Zuschauer im Zeitgeist jener Ära – gemeinsam mit den drei Hauptfiguren – wie im Rausch aus dem dunklen Tunnel Richtung Stadt fliegen, deren hell beleuchtete Skyline zum Zeichen eines Neuanfangs und zu einem Moment der Unendlichkeit wird.

 

  • The Perks of being a Wallflower
  • Regie: Stephen Chbosky
  • Drehbuch: Stephen Chbosky
  • Darsteller: Emma Watson, Logan Lerman, Ezra Miller, Paul Rudd, Nina Dobrev
  • Laufzeit: 103 Minuten
  • Kinostart: 8. November 2012
Sule Durmazkeser / Mi, 31. Okt 2012