Etwas ist faul im Staate Dänemark

Filmkritik: A Royal Affair
A Royal Affair
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Im Verleih von ASCOT ELITE

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Junge Adelige, zu einer Zwangsehe mit einem Wahnsinnigen gedrängt, erlebt Liebe und Lust mit dessen Leibarzt, welcher ihrem Volk ausserdem Recht und Freiheit bringt.

 

Groschenroman par excellence? Nein, sondern Dänemarks neuster Kinoexport, welcher bereits an den Internationalen Filmfestspielen in Berlin 2012 prämiert worden ist (Silberne Bären für Nikolaj Arcel und Rasmus Heisterberg für das Drehbuch sowie den silbernen Bären für Mikkel Folsgaard für seine Rolle als König Christian VII.).

 

Beginnen wir am Anfang: Die in England aufgewachsene 15-jährige Caroline Mathilde (Alicia Vikander, «Pure», bald in Joe Wrights «Anna Karenina») wird mit ihrem Cousin 1. Grades, dem 17-jährigen Christian VII (Mikkel Folsgaard) von Dänemark, den sie noch nie getroffen hat, verheiratet. Voller Naivität glaubt die junge Aristokratin mit Christian eine gute Partie gemacht zu haben, schwärmen doch alle von seiner Liebe zur Literatur und zum Theater. Bei ihrer ersten Begegnung respektive Carolines Auslieferung an Dänemark irgendwo im Nirgendwo merkt Caroline, dass etwas faul ist im Staate Dänemark. Ihr Prince Charming entpuppt sich sehr bald schon als ein busenfixierter, neurotischer Hundeliebhaber, der (ausser von Huren) sehr wenig von Frauen versteht und weder Interesse für Caroline noch für die Politik besitzt. Nach erfolgreicher Empfängnis und somit erfüllter Pflicht, gehen die zwei Eheleute getrennte Wege und bekommen neun Monate später einen Sohn, Friedrich.

 

 

 

Christian, nicht mit Vaterfreuden erfüllt, unternimmt eine Europareise, während Neumama Caroline einsam in Kopenhagen ihre Mutterrolle ausübt. Nach circa zwei Jahren kehrt Christian zurück an den Hof und bringt einen neuen Gast mit, seinen deutschen Leibarzt Johann Struensee (Mads Mikkelsen, «Casino Royale», «Coco Chanel & Igor Stravinsky»). Caroline ist zunächst genervt von dem neuen Mitbewohner am Hof, welcher Christian in Schutz und mit in Freudenhäuser nimmt. Erst als sie entdeckt, dass Struensee den Gedanken der Aufklärung zugeneigt ist, entwickelt sich auch eine Freundschaft. Aus der anfänglichen Sympathie reift nach und nach mehr und die Situation am Hof spitzt sich zu…

 

Machtspiele und ihre Auswirkungen, kein Süssholzgeraspel

 

Der Däne Nicolaj Arcel («Truth about Men») entschied sich, den in Dänemark sehr bekannten Stoff eher als eine psychologische Studie und nicht als schön kostümiertes Frauenschicksal umzusetzen. Die Entscheidung erweist sich als Volltreffer. Ins Zentrum seines Films setzt Arcel die Menage à Trois. Dabei stehen hier weniger die sexuellen Beziehungen der drei Protagonisten im Vordergrund, sondern vielmehr ihre psychologischen. Die Machtspiele und ihre Auswirkungen auf jede einzelne Figur sind es, die Arcel interessieren und nicht Süssholzgeraspel.

 

Mikkelsen überzeugt in seiner Rolle als Leibarzt des Königs. Im Gegensatz zu den anderen Ärzten am Hof erhascht der gewiefte Struensee seinen «Job» durch Cleverness und einer besonderen Art von Verbrauchtheit, die man Mikkelsen sofort abnimmt. Christian zieht Struensee allen anderen am Hof sofort vor, weil er in ihm das findet, wonach er sich all die vergangenen Jahre gesehnt hat: einen Freund und Verbündeten. Eine Person, die genauso an den Vergnügungen und Verlockungen des Lebens Freude hat wie er und der sich mit ihm ins Abenteuer stürzt statt ihn davon zu bewahren. Sogar an der öden Politik findet Christian plötzlich Gefallen, solange Struensee mit von der Partie ist. Um diese einmalige Freundschaft zu bewahren, ist ihm gar die Untreue seiner Ehefrau egal. Der Theaterstudent Folsgaard ist in seiner ersten Spielfilmrolle als König Christian von Dänemark eine Wucht. Während man für ihn am Anfang nur Abscheu übrig hat, akzeptiert man sein schwieriges Wesen mit der Zeit und muss hie und da darüber lachen.

 

 

Falls man etwas an Arcel und Heisterbergs (Drehbuch für die Schwedische «The Girl with the Dragon Tattoo»-Verfilmung) Drehbuch bemängeln kann, dann die fehlende Vorgeschichte Christians. Seine traumatische Kindheit, ausgelöst durch den Tod der Mutter und verstärkt durch einen sadistischen Erzieher, wird zuwenig aufgegriffen. Dies kann zwar damit entschuldigt werden, dass die Geschichte eigentlich aus der Sicht von Caroline erzählt wird, und wir Christian durch ihre Augen kennenlernen. Jedoch wechselt die Perspektive stark, wenn Struensee am Hof ankommt. Plötzlich verfolgen wir die Geschehnisse durch Christian. Auch hierfür gibt es einen Grund: Je länger Struensee am Hof bleibt, desto mehr Vertrauen entwickelt Christian zu ihm und übergibt ihm schlussendlich die politischen Tagesgeschäfte. Diese Handlungen wären aus Carolines Perspektive nicht darstellbar, da sie keinen Zutritt zu der, von den Männern dominierenden Politik hat.

 

Aufklärerische Reformen ein Dorn im Auge

 

Interessant ist es zu sehen, dass Arcel und Heisterberg ihren Struensee nicht zum eindimensionalen Helden verkommen lassen, sondern ihn auch als einen aufstrebenden, machthungrigen Politiker zeigen, der sich Christian gegenüber immer opportunistischer verhält je weiter er kommt. Christian nimmt aber alles in Kauf aus Angst andernfalls Struensee zu verlieren. Sogar die Antipathie zwischen Christian und Caroline nimmt ab, solange Struensee anwesend ist. Schnell wird klar, dass die drei nur als Menage à Trois funktionieren können. Doch gerade in dieser Konstellation machen sie sich angreifbar für Christians Stiefmutter Juliane Marie (Trine Dyrholm, «In a better World») und ihre Entourage. Christians und Struensees aufklärerische Reformen sind ihnen nämlich ein Dorn im Auge.

 

 

Die Rolle als starke Frau zwischen zwei Männern meistert die ausgebildete Tänzerin Vikander, die aus Schweden stammt, überraschend gut. Neben Mikkelsen und Folsgaard zu bestehen war sicherlich keine leichte Aufgabe, doch Vikander hinterlässt einen bleibenden Eindruck. Ihre stärksten Szenen sind jene am Anfang, als sie allein im Zentrum der Geschichte steht. Klische hin oder her, die schönsten Aufnahmen gehören Vikander. Ob als junge Adelige in der Blumenwiese oder auf Reisen, jedes Bild wirkt wie ein Gemälde, welches plötzlich zum Leben erwacht, ohne an Faszination zu verlieren. Kostümfilmliebhaber werden also voll auf ihre Kosten kommen. Während Mikkelsens Garderobe als Aufklärer eher schlicht und schmuddelig bleibt und man von Folsgaards Darbietung überhaupt nicht dazu kommt viel Beachtung auf seine Kleider zu legen, gehören all die tollen Kostüm- und Ausstattungsjauchzer Vikander. Die romantische Liebesgeschichte zwischen Caroline und Struensee gefällt, da Mikkelsen kein unschuldiger Schönling ist, sondern ein durchtriebener Lebemann, welcher durch seine politischen Ideale das Herz der Königin gewinnt. Dies aber sehr langsam und ohne primär darauf gezielt zu haben, was ebenfalls der Glaubwürdigkeit beiträgt.

 

Und so bietet das über zwei Stunden dauernde intelligente Epos für alle etwas und beweist, wie spannend und kitschfrei eine solch groschenromanmässige Geschichte erzählt werden kann.

 

  • A Royal Affair (DK & DE 2012)
  • Regie: Nikolaj Arcel
  • Drehbuch: Nikolaj Arcel, Rasmus Heisterberg
  • Darsteller: Mads Mikkelsen, Mikkel Følsgaard
  • Laufzeit: 133 Minuten
  • Kinostart: 31. Mai 2012

 

Bildquelle: Im Verleih von ASCOT ELITE

Tanja Lipak / Di, 29. Mai 2012